Hagen. Kahlschlag an der Berchumer Straße: Der Wirtschaftsbetrieb Hagen hat dort einen ganzen Eschenbestand abholzen lassen. Dafür gibt es Gründe.
Der Wirtschaftsbetrieb Hagen (WBH) hat an der Berchumer Straße 43 Eschen fällen lassen. Die Bäume litten an einer heimtückischem, inzwischen weit verbreiteten Infektionskrankheit, dem sogenannten Eschentriebsterben. Dabei lässt ein Pilz die Triebe absterben und gefährdet schließlich die Standsicherheit der Bäume. „Wir haben die Eschen aus Gründen der Verkehrssicherheit abholzen lassen“, erläutert Nils Böcker, Fachleiter für Verkehrssicherung beim WBH.
Seit 2017 seien in dem Bestand an der Berchumer Straße fünf Eschen umgekippt und hätten teils erheblichen Sachschaden an Lauben und Einzäunung der nahen Schrebergartenanlage Heidebach angerichtet, so Böcker. Daraufhin führte der WBH im vergangenen Sommer Bohrwiderstandsmessungen durch (dabei wird mit einem Verdrängungsbohrer die Holzdichte gemessen). Wie sich herausstellte, waren zahlreiche weitere Eschen geschwächt und drohten auf die Kleingärten, die Straße oder den nahen Parkplatz zu stürzen. Deshalb beschloss der WBH, den gesamten Bestand zu fällen.
Kein Verstoß gegen den Vogelschutz
Böcker wies den Vorwurf zurück, sein Betrieb habe damit gegen das Bundesnaturschutzgesetz verstoßen, das das Fällen von Bäumen aus Gründen des Vogelschutzes ab dem 1. März untersagt. Tatsächlich dürften Bäume, Hecken und Gebüsche zwischen dem 1. März und 30. September nicht beseitigt werden, doch das gelte nicht für im Wald wachsende Bäume. Und um einen Wald handele es sich an der Berchumer Straße: „Im übrigen haben wir versucht, die Abholzung bereits im Februar durchführen zu lassen, doch aufgrund der grassierenden Borkenkäferplage war kein Unternehmen verfügbar.“
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Dass das Eschentriebsterben eine ernste Gefahr für den Baumbestand in Hagen ist, hatte Nils Böcker bereits vor vier Jahren in unserer Zeitung erläutert. Mindestens 60 Prozent aller Eschen in der Stadt sind inzwischen von dem aus Ostasien eingeschleppten Pilz mit der wissenschaftlichen Bezeichnung „Hymenoscyphus fraxineus“ befallen. Der deutsche Name „Falsches Weißes Stengelbecherchen“ klingt zwar geradezu poetisch, nichtsdestotrotz verbirgt sich dahinter eine heimtückische Gefahr für die Bäume. „Jungeschen sterben in der Regel nach der ersten Infektion ab“, berichtet Böcker: „Aber auch ältere Bäume haben dem Pilz, wenn sie mehrere Jahre hintereinander befallen werden, letztlich nichts mehr entgegenzusetzen.“
Blätter werden früh welk und fallen ab
Das sogenannte Eschentriebsterben ist in der jetzigen Jahreszeit zwar kaum zu erkennen, doch mit dem einsetzenden Laubwachstum im nahenden Frühling wird sich das ganze Ausmaß der Pflanzenseuche offenbaren. Viele Blätter welken früh und fallen ab, die Baumkrone lichtet sich und verbuscht, die Rinde verfärbt sich ockerfarben bis rostrot.
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In seiner ostasiatischen Heimat zersetzt der Pilz das Bodenlaub und lässt die dortigen Eschen unbehelligt, doch für die heimische Gemeine Esche ist er eine tödliche Gefahr. Die Sporen des Falschen Weißen Stengelbecherchens verteilen sich durch die Luft und sind daher nicht zu stoppen. Andererseits haben Böcker und seine Mitarbeiter bislang keine Eschen entdeckt, die sich als resistent gegen den Pilz erwiesen hätten. Im Gegenteil: „Die geschwächten Pflanzen werden neuerdings auch durch Sekundärschädlinge befallen, die sich die herabgesetzte Vitalität der Bäume zunutze machen. Das beschleunigt das Absterben.“ An der Berchumer Straße waren die Eschen vor allem vom Hallimasch befallen.
Zahlreiche Baumarten von Pathogenen bedroht
Doch nicht nur Eschen sind von hochinfektiösen Krankheiten bedroht, alle Hauptbaumarten sind inzwischen infolge der Globalisierung und aus fernen Ländern eingeschleppter Pathogene mehr oder weniger stark geschädigt. Den Platanen macht die Pilzkrankheit Massaria zu schaffen, beim Ahorn heißt der Schaderreger Fusarium, für das Lindentriebsterben ist ebenfalls ein lange unentdeckter Schwächeparasit verantwortlich, die Kastanien gehen an Pseudomonas syringae, einem bakteriellen Ausfluss, der zu blutenden Stellen an Stamm und Ästen, Verfärbungen und Abplatzen der Rinde sowie mit fortschreitendem Befall zum Absterben der Bäume führt, zugrunde.
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Für die verantwortlichen Dienststellen ziehen die Epidemien erhöhte Kontrollen nach sich, denn die Stadt könnte im Falle eines Unglücks, etwa wenn ein Menschen durch einen herabfallenden Ast verletzt wird, zur Rechenschaft gezogen werden. „Angesichts der zahlreichen Baumkrankheiten stoßen wir mittlerweile an die Grenze unserer Leistungsfähigkeit“, sagt Böcker.
Eine der häufigsten Laubbaumarten
Die Esche ist eine der am häufigsten in Europa vorkommenden Laubbaumarten. 2001 wurde sie in Deutschland zum Baum des Jahres auserkoren.
Eschen stellen keine besonderen Anforderungen an den Untergrund. Ihr Holz ist sowohl fest als elastisch, es wird u.a. für Werkzeugstiele verwendet.
So mutieren das Falsche Weiße Stengelbecherchen und all die anderen Infektionen von einem rein biologischen zu einem wachsenden ökonomischen Problem. Die gerodete Fläche an der Berchumer Straße wird nicht wieder aufgeforstet, sondern der Naturverjüngung überlassen.