Hagen. Der neue oberste Kulturchef in Hagen ist gefunden. Er kommt aber aus einem Museum, in dem es zuletzt mächtig Ärger gab.

Sollte der Hagener Rat in seiner Sitzung am 11. April nicht noch eine Rolle rückwärts machen, dann wird der Hagener Dr. Rainer Stamm (57) neuer Direktor des Osthaus-Museums und Leiter des Fachbereichs Kultur in Hagen. Im nicht-öffentlichen Teil des Kulturausschusses gab es bereits grünes Licht für den Osthaus-Fachmann und in der Straße „Am Hauptbahnhof“ in Hagen groß gewordenen Kunst-Historiker. Was der designierte Nachfolger von Tayfun Belgin aber nicht wegdiskutieren kann, ist, dass er in seiner aktuellen Stelle sehr unangenehme Untersuchungen hinter sich hat. In deren Fokus: auch sein Führungsstil.

„Ich konnte die Museen in Bremen und Oldenburg auf die nationale Landkarte heben und ich glaube, das kann mir auch in Hagen gelingen.“

Dr. Rainer Stamm,
designierter Leiter des Osthaus-Museums in Hagen

Fachlich bringt Rainer Stamm wohl vieles von dem mit, was in Hagen gefragt ist: studierter Kunstpädagoge, promoviert zum Folkwang-Verlag, zehn Jahre lang Leiter der Kunstsammlungen Böttcherstraße in Bremen mit unter anderem dem Paula Modersohn-Becker-Museum, seit 2006 Honorarprofessor für Kunstgeschichte an der Uni Bremen und seit 2010 Leiter des Niedersächsischen Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg. Entscheidend dazu: Herausgeber der gesammelten „Reden und Schriften“ des Sammlers und Museumsgründers Karl Ernst Osthaus und Mitautor der 2022 erschienenen Biografie von Karl-Ernst Osthaus und seiner Frau Gertrud.

Auf der Zielgeraden: Tayfun Belgin leitet das Osthaus-Museum seit 2007. Er geht in den Ruhestand
Auf der Zielgeraden: Tayfun Belgin leitet das Osthaus-Museum seit 2007. Er geht in den Ruhestand © WP | Michael Kleinrensing

Riesige Verwerfungen in Oldenburg

In Oldenburg ist Rainer Stamm aktuell Direktor des Landesmuseums Kunst und Kultur, gehört aber zusammen mit einem betriebswirtschaftlichen Leiter und einer anderen Museumschefin zum Vorstand der Niedersächsischen Landesmuseen. Und da knirschte es in den vergangenen zwei Jahren gewaltig. Die Mitarbeiter hatten sich an das niedersächsische Kulturministerium gewandt und Führungsstil und Management der genannten Museumsleiterin scharf kritisiert. Nach Recherchen der Nordwest-Zeitung (NWZ) seien Anwälte eingeschaltet, Personal eingeschüchtert und viele Mitarbeiter krank geworden und hätten sich in psychologische Behandlung begeben müssen.

Ein Mediator wurde eingesetzt sowie ein Abschlussbericht verfasst, den die Belegschaft aber laut NWZ bis heute nicht gesehen hat. Angeblich wolle der Vorstand, zu dem auch Rainer Stamm gehört, das Werk nicht „ohne inhaltliche Korrekturen“ veröffentlicht wissen, schreibt die NWZ. Und zitiert aus ihr vorliegenden ministeriellen Schreiben, dass man dort keine Veranlassung sehe, in Bezug auf die beiden Direktoren der Landesmuseen - Rainer Stamm ist einer davon - personelle Konsequenzen zu ziehen. Man sehe aber Handlungsbedarf zur Verbesserung des Betriebsklimas. Es wurde wiederum ein Mediationsverfahren angeregt.

Karl-Ernst Osthaus gründete seinerzeit das heute nach ihm benannte Museum in Hagen.
Karl-Ernst Osthaus gründete seinerzeit das heute nach ihm benannte Museum in Hagen. © Archiv Museum | Archiv Museum

„Keine Untersuchung gegen mich“

„Es gibt da starke Verwerfungen“, sagt Rainer Stamm auf Anfrage unserer Redaktion, „und zwar zwischen der Direktorin eines anderen Landesmuseums und den Mitarbeitern. Als dann noch der betriebswissenschaftliche Leiter gegangen war, entstand ein Vakuum in der Leitung des Betriebs. Ich bin da in die Mitverantwortung gezogen worden und es ist mir nicht gelungen, das zu befrieden. Es ging um den Führungsstil der Kollegin“, sagt Rainer Stamm. Und weiter: „Ich möchte deutlich sagen, dass es da keine Untersuchung gegen mich oder wegen meines Führungsstils gab.“ Der Einsatz eines Mediators sei auf seine Initiative hin angestoßen worden.

Mit dem Anruf unserer Redaktion aus Hagen habe er bereits gerechnet, sagt er. Er könne sagen, dass es gut aussehe und er dementiert nicht, dass er sich im Bewerbungsverfahren durchgesetzt habe. „Aber ich muss natürlich das Votum des Rates abwarten“, sagt Stamm, für den die Kultur in Hagen eine „ewige und alte Leidenschaft“ sei. „Schon nach dem Abschied von Michael Fehr als Museumsdirektor habe ich mich für die Stelle interessiert“, sagt Stamm. Das war 2005 und Stamm war damals 38 Jahre alt. „Jetzt bin ich 57, habe noch zehn Jahre im Beruf vor mir und möchte diese Chance, in Hagen etwas zu gestalten, gern wahrnehmen. Ich habe die Museen in Bremen und Oldenburg auf die nationale Landkarte setzen können und auch Hagen kann bundesweit wahrgenommen werden.“

Das Osthaus-Museum in seinen Anfangsjahren an der heutigen Hochstraße.
Das Osthaus-Museum in seinen Anfangsjahren an der heutigen Hochstraße. © WP | Stadtarchiv Hagen

Belgin geht in den Ruhestand

In Hagen musste er im Bewerbungsverfahren aber auch immer wieder seine Version der Geschichte von dem Ärger in seinem aktuellen Haus erzählen. „Da bin ich offen mit umgegangen und konnte deutlich machen, welche Rolle ich und welche Rolle andere gespielt haben“, sagt Stamm, der in Hagen auf Dr. Tayfun Belgin folgen wird. Belgin leitet seit 2007 das Osthaus-Museum und ist seit 2012 Leiter des Fachbereichs Kultur, der nun unter dem Namen „Fachbereich Museen und Archive der Stadt Hagen“ firmiert. Belgin geht in den Ruhestand. Zuletzt hatte er verlängert. Weil eben noch kein Nachfolger gefunden war.

Das Karl-Ernst-Osthaus-Museum in Hagen.
Das Karl-Ernst-Osthaus-Museum in Hagen. © WP | SIEKMANN, Marco

Das Thema Folkwang-Impuls (Die Schönheit zur herrschenden Macht im Leben der Menschen machen und ihnen Kunst aus aller Herren Länder zugänglich zu machen) soll laut Rainer Stamm neu aufleben. „Mit der Geschichte und dem Potenzial dieses Museums möchte ich an die große Strahlkraft der Osthaus-Zeit anknüpfen“, gibt Stamm einen zarten Hinweis auf die Programmatik. Seinen Mitarbeitern in Oldenburg kann er nur schwerlich von seiner so gut wie feststehenden neuen Position berichten. „Das ist ja unseriös, dort nun zu sagen, dass ich nach Hagen gehe, wenn das Votum des Rates noch aussteht“, sagt er. Folglich hat er sich noch nicht auf Haus- oder Wohnungssuche begeben. Klar dürfte nur sein. „Am Hauptbahnhof“ wird die Adresse kaum lauten.