Schwelm/Gevelsberg/Ennepetal. Bombenabwürfe und Hinrichtungen: Vor 80 Jahren wurde die Lage im Zweiten Weltkrieg auch in Ennepetal, Schwelm und Gevelsberg immer dramatischer.

Ein Bergmann aus Bochum wusste sich und seiner Familie nicht mehr zu helfen, er stahl in einem Geschäft und wurde dabei erwischt. Vor Gericht wurde er für den wiederholten Ladendiebstahl zum Tode verurteilt und später hingerichtet. Das war vor acht Jahrzehnten in Deutschland, im August 1944. Die Nazi-Diktatur versuchte mit so drastischen Urteilen die bröckelnde Treue zu Hitler und seinem Führerstaat zu erhalten.

Für das Verteilen von Flugblättern gegen das Regime, die meist in Holland gedruckt und dann eingeschmuggelt wurden, galten jahrelange Haftstrafen, und für seinen Versuch, dem Kriegsdienst zu entgehen und zu desertieren, wurde ein junger Mann vom Timpen in Milspe - die Stadt Ennepetal gab es da noch nicht - ebenfalls zum Tode verurteilt und in Berlin mit dem Fallbeil geköpft. Von korrekten Gerichtsverfahren konnte schon lange nicht mehr die Rede sein. Der Propaganda-Minister Joseph Goebbels verkündete zudem am 9. August 1944 ein Verbot aller Veranstaltungen wie Konzerte, Tanzabende und Theater, die nicht dem nationalen Kampf dienten.

Lesen Sie auch:

Geheimnis gelüftet: Das steckt hinter dem unterirdischen Gewölbe in Gevelsberg

Schwelmer Mordprozess: Schockierende Details einer Horror-Ehe

Ennepetal: Sicherheitsproblem in der Innenstadt wird immer größer

Der Sommer und Herbst 1944 zeigten schon deutliche Anzeichen von Zerfall, und dazu trugen insbesondere die verstärkten Bombenabwürfe der alliierten Kriegsgegner im Ruhrgebiet bei. Die Nationalsozialisten sprachen dann von „Bombenterror“, und wenn man auf die Zahlen schaut, waren die Ergebnisse der Luft-Angriffe seit 1942 im ganzen Reich verheerend. Es gab zum Beispiel in den Großstädten Dresden und Hamburg zigtausende Todesopfer in der Zivilbevölkerung, und selbst hier im eher ländlichen Ennepe-Ruhr-Kreis waren die Auswirkungen erheblich.

Am 13. April 1945 überrollten amerikanische Truppen das heutige Stadtgebiet Ennepetals. Die Kinder der Harkortschule mussten in den letzten Kriegswochen beim Bunkerbau an der Kirchstraße mithelfen. 15 Kinder der Büttenberger Volksschule wurden bei Bombenangriffen auf den Wuppermannshof mit ihrer Lehrerin getötet.
Am 13. April 1945 überrollten amerikanische Truppen das heutige Stadtgebiet Ennepetals. Die Kinder der Harkortschule mussten in den letzten Kriegswochen beim Bunkerbau an der Kirchstraße mithelfen. 15 Kinder der Büttenberger Volksschule wurden bei Bombenangriffen auf den Wuppermannshof mit ihrer Lehrerin getötet. © WP | Stadtarchiv Ennepetal

Das nach dem Krieg erschienene Buch „Die Chronik des Ruhrgebietes“ nannte für 1944 einige Zahlen: Am 24. April starben bei einem Bombenangriff auf die Stadt Hamm 234 Menschen, am 6. Oktober waren es in Dortmund an einem Tag mehr als 1000 Todesopfer, und die Innenstadt wurde total zerstört. In der Stadt Hagen starben bei einem Luftangriff am 2. Dezember 1944 mehr als 590 Menschen, in der Stadt Elberfeld waren zum Kriegsende von 139.800 Wohnungen fast 42.000 schwer beschädigt und unbewohnbar.

33 Tote und Schwerverletzte in Gevelsberg

Der Ennepetaler Lokalhistoriker und Lehrer am Reichenbach-Gymnasium, der leider früh verstorbene Dieter Wiethege, hat sich um die Erforschung und Veröffentlichung jener Zeit vor dem Zusammenbruch und der Befreiung sehr verdient gemacht. In seinem Buch „Und als der Krieg am Ende schien“ geht es vor allem um die Besetzung des Dorfes Voerde nach dem Krieg durch die Siegermächte, aber auch die Monate davor hat Wiethege erfasst. Für seine Forschungen zu dem Buch reiste er sogar nach Washington, denn dort lagern hochaufgelöste Fotos, die von den Amerikanern nach jedem Luftangriff aus großer Höhe gemacht worden waren. So veröffentlicht Wiethege zum Beispiel auch Fotos vom bereits im Jahre 1942 zerstörten Bahnhof in Schwelm. Bei einem weiteren Bombenangriff im April 1943 kamen in Schwelm zehn Menschen ums Leben. Damals wurde Schwelm die Nähe zu der Großstadt im Tal der Wupper zum Verhängnis, denn der Angriff hatte Barmen gegolten.

Luftaufnahme der US-Air Force vom Büttenberg mit den Bombentrichtern nach der Bombardierung von Milspe und Schwelm am 13. Februar 1945. Foto: Stadtarchiv
Luftaufnahme der US-Air Force vom Büttenberg mit den Bombentrichtern nach der Bombardierung von Milspe und Schwelm am 13. Februar 1945. Foto: Stadtarchiv © WP | Stadtarchiv Ennepetal

Die Stadt Gevelsberg erlebte neben einzelnen verfehlten Bomben nur einen größeren Angriff in der Nacht zum 15. April 1942. Im Bereich Haufe / Bahnhof an der Hagener Straße, damals Straße der SA, fielen einige Sprengbomben. Da tragischerweise der Eingang eines Luftschutzkellers genau getroffen wurde, gab es dort 33 Getötete und zahlreiche Schwerverletzte. Zerstört wurden in jener Nacht auch der Betrieb der Krefft AG und das Hotel-Restaurant „Zum Bahnhof“ an der Ecke Bahnhofstraße-/Zimmerstraße.

Im benachbarten Milspe und Altenvoerde hatte man sich auf den Luftkrieg vorbereitet, indem die vorhandenen Naturhöhlen zu provisorischen Luftschutzkellern umgerüstet wurden. In der Siegfriedhöhle zum Beispiel gab es sogar ein kleines Kinderkarussell und Sanitätsräume. Für den Zugang zur Höhle baute man eigens eine Holzbrücke über die Ennepe. Unabhängig davon listet Wiethege die weiteren Bombenabwürfe im Ennepetaler Raum auf. Erste Bombenabwürfe gab es bereits im Sommer 1941 im Bereich Uebinghausen/Kämpershaus. Staunend standen damals die Anwohner vor den sieben großen Kratern, die man sogar auf den amerikanischen Luftaufnahmen deutlich erkennen kann. Im April 1942 trafen Bomben das Dorf Oberbauer und die Siedlung am Bilstein. Dabei blieb es bei schweren Sachschäden. Am 21. Mai 1944 wurden mehrere Wohnhäuser an der Hinnenberger Straße getroffen. Neun Bewohner starben. Im Höhendorf Rüggeberg wurden im Mai 1943 mehrere Häuser durch Brandbomben zerstört.

Ein beschädigter amerikanischer Sherman-Panzer blieb in Königsfeld in Ennepetal liegen und diente nach dem Krieg als Spielgerät für die Kinder.
Ein beschädigter amerikanischer Sherman-Panzer blieb in Königsfeld in Ennepetal liegen und diente nach dem Krieg als Spielgerät für die Kinder. © WP | Privat

Besonders erschüttert waren die Milsper Bürger über die Folgen eines Bombenabwurfes am 13. Februar 1945 am Wuppermannshof. Eine Gruppe von Schulkindern war mit ihrer Lehrerin, Fräulein Zillich, auf dem Heimweg, als die Kinder getroffen wurden. Sie hatten sich wegen des Luftalarms in ein nahe gelegenes Wäldchen geflüchtet, doch genau dort wurden 15 Jungen und Mädchen und ihre Lehrerin getötet. Auch der NSDAP-Kreisstabsamtsleiter Strack war zufällig unter den Opfern. Er bekam in Milspe ein feierliches öffentliches Begräbnis.

Dieser besonders schreckliche Angriff geschah auf den Tag genau zwei Monate vor dem Einmarsch der Amerikaner und ihrer Verbündeten in unsere Region. Sie kamen aus dem Süden, aus Kierspe und Radevormwald, und beendeten auch in Schwelm und Gevelsberg, in Breckerfeld, Voerde und Milspe das Nazi-Regime. Die ziemlich kleine Zahl der NS-Gegnerschaft fühlte sich natürlich befreit, und tatsächlich muss man die militärische Zerschlagung der Nazi-Diktatur aus heutiger Sicht als Befreiung sehen, die erst den demokratischen Neubeginn in Deutschland möglich gemacht hat.

+++ Nichts mehr verpassen: Bestellen Sie hier unseren Newsletter aus Ennepetal, Gevelsberg und Schwelm +++