Schwelm/Gevelsberg/Ennepetal. Einige haben panische Angst vor ihnen, viele finden sie eklig. Spinnen haben nicht viele Fans. Zu Recht? Eine Expertin kennt die Antwort darauf.

Einige haben panische Angst vor ihnen, viele finden sie eklig. Die Wenigsten haben sie gerne im Haus. Spinnen haben nicht viele Fans. Dabei sind sie ganz erstaunliche Wesen. Nicht nur ihre Netze sind kleine Wunderwerke der Natur, vieles ist bei Spinnen bemerkenswert anders als man denkt. Britta Kunz, Leiterin der Biologischen Station Ennepe-Ruhr mit Sitz in Ennepetal klärt auf:

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„Vorweg: die Angst vor unseren heimischen Spinnen ist unbegründet. Sie sind für uns Menschen ungiftig und ihre Mundwerkzeuge mit den Giftdrüsen zu schwach, um unsere Haut zu verletzen. Lediglich unserer Gartenkreuzspinne und der Wasserspinne kann es gelingen, uns etwas Gift zu injizieren. Die Wirkung ist dann mit einem Insektenstich vergleichbar.

Mit dem fortschreitenden Klimawandel ist allerdings damit zu rechnen, dass nach und nach auch etwas giftigere Arten aus südlicheren Gegenden bei uns einwandern werden. Die Mundwerkzeuge, insgesamt sechs bis acht Augen und die Beine befinden sich alle am Vorderkörper. Der Vorderkörper ist daher sozusagen Kopf und Rumpf in Einem.

Für uns sehr erstaunlich, liegen die Geschlechtsorgane der Männchen, beinähnliche Taster, ebenfalls vorne am „Kopf“. Mit ihnen nehmen die Männchen ihr Sperma vom eigenen Hinterleib auf und überführen es in den Hinterleib eines Weibchens.

Im Gegensatz zu den sechsbeinigen Insekten, haben Spinnen acht Beine. Spinnenbeine sind jedoch viel mehr als reine Lauforgane. Sie sind mit verschiedenen Sinneszellen ausgestattet, sodass Spinnen damit riechen, hören und fühlen können. Außerdem verweben sie damit die Spinnenseide, die in Drüsen im Hinterleib produziert wird.

Spinnenseide besteht im Grunde nur aus Zucker und Eiweiß, ist aber zugleich elastisch und recht reißfest. Manchmal werden mehrere hundert Einzelfäden zu einem Strang verwoben, der auch dann noch wesentlich dünner als ein menschliches Haar ist. Je nach Mischungsverhältnis können verschiedenartige Fäden hergestellt werden: zum Netzbau, um Beute einzuwickeln, als Abseilfaden oder um Spinneneier mit einer Hülle, dem Kokon zu schützen.

Mithilfe eines Seidenfadens können kleine Spinnen sogar „fliegen“. Besonders junge Spinnen, die zu Dutzenden aus einem Kokon schlüpfen, nutzen die Technik und lassen sich „vom Winde verwehn“, anstatt mühsam zu Fuß „das Weite zu suchen“. Sie klettern irgendwo hoch, strecken ihren Hinterleib in die Höhe und sondern einen dünnen Seidenfanden aus den Spinndrüsen ab. Dieser wird vom Wind erfasst und nimmt die kleine Spinne mit auf eine Reise ins Ungewisse. Denn wo sie landen wird, kann sie nicht vorherbestimmen. Besonders jetzt, im August, kann man die Flugfäden an Gräsern, Kräutern und Ästen hängen sehen.

Der Netzbau ist eine Kunst für sich. Bei manchen Arten werden Fäden unterschiedlicher Beschaffenheit nach einem strengen Programm aneinandergefügt, manchmal sieht das Ganze eher chaotisch aus. Neben den bekannten Radnetzen, gibt es eine Vielzahl anderer Netztypen, wie Trichter- oder Baldachinnetzen mit „Stolperdrähten“, die die Beute ins Netz fallen lassen oder Netzröhren, die im Boden verschwinden.

Meist bauen die Weibchen Netze, um Beute zu fangen. Die in der Regel kleineren Männchen sind auf der Suche nach Paarungspartnerinnen weniger ortstreu. Die Männchen müssen die Auserwählte durch sehr vorsichtige Annäherung und oft rhythmische Zupfbewegungen am Netz davon überzeugen, dass sie keine Beute sind. Das klappt nicht immer und auch nach der Paarung wird das eine oder andere Männchen verspeist.

Da es ohnehin nicht mehr lange leben würde, dient es so noch der Stärkung des Weibchens. Dieses muss immerhin noch Eier produzieren und bei manchen Arten das Gelege bewachen. Männchen der Listspinne versuchen dem vorzeiten Tod zu entgehen, indem sie den Weibchen Insekten als Brautgeschenke anbieten, die diese während der Paarung verspeisen. Da Spinnen nicht kauen können, injizieren sie nach dem lähmenden Giftbiss eine Flüssigkeit, die die Beute auflöst, sodass sie sie aufsaugen können.

Als Räuber haben sie eine wichtige Funktion im Ökosystem, indem sie die Anzahl ihrer Beutetiere kontrollieren. Spinnen, die keine Netze bauen, sind Lauerjäger oder jagen aktiv nach Beute. Krabbenspinnen sitzen, oft gut getarnt, auf Blüten und warten dort auf Insekten. Wolfsspinnen fangen Beute, die sie beim Umherlaufen entdecken. Springspinnen springen ihre Beute an. Die Wasserspinne jagt unter Wasser entlang von selbst gespannten Lauffäden.

Die Welt der Spinnen ist vielfältig und faszinierend. Sie müssen kein Spinnen-Fan werden, aber vielleicht betrachten Sie die erstaunlichen Tiere nach dieser Lektüre mit etwas anderen Augen. Es würde mich freuen.“

Ihre Britta Kunz