Schwelm. Seit 28 Jahren begeistert das Flick Flack Theater mit besonderen Stücken und detailreichen Bühnenbildern. Darsteller erzählen vom Theateralltag.

Sie sind meist seit Jahren dabei, besuchen regelmäßig die Proben, lernen Texte auswendig, üben wieder und wieder ihren Bühnenpart. Und das alles für diesen einen Moment auf der Bühne, wenn das Stück gespielt und das Publikum begeistert applaudiert. Lisa Mittelmann, Daniel Wegemann, Leandra Kieck, Julia Lorenz und Sarah Schulte sind Laien-Darsteller des Kinder-, Jugend- und Erwachsenentheaters Flick Flack. Ihre Liebe zum Bühnenspiel ist so groß, dass sie für die Proben des Flick Flack heute teilweise sogar aus Münster anreisen und eine zweistündige Fahrt pro Strecke in Kauf nehmen.

+++ Nichts mehr verpassen: Bestellen Sie hier unseren Newsletter aus Ennepetal, Gevelsberg und Schwelm +++

Während Julia Lorenz und Daniel Wegemann als Kinder der Theater-Gründerin Sabine Masmeier-Wegemann von Kindesbeinen an auf der Bühne des Flick Flack stehen, kamen Lisa Mittelmann, Leandra Kieck und Sarah Schulte als interessierte Schwelmerinnen dazu. Wie Daniel Wegemann studiert Leandra Kieck in Münster, reist für jede Probe nach Schwelm an. „Viele haben mich schon gefragt, warum ich das mache. Aber ich könnte mir nichts anderes vorstellen. Ich habe hier so viele Freunde gefunden, das ist wie eine zweite Familie“, sagt die 20-Jährige.

Daniel Wegemann (vorne rechts) beim Stück „West Side Story“. Er steht als Sohn der Theater-Gründerin Sabine Masmeier-Wegemann von Kindesbeinen an auf der Bühne des Flick Flack.
Daniel Wegemann (vorne rechts) beim Stück „West Side Story“. Er steht als Sohn der Theater-Gründerin Sabine Masmeier-Wegemann von Kindesbeinen an auf der Bühne des Flick Flack. © privat | Privat

Die Idee, sich in Münster eine Theatergruppe zu suchen, kommt für Daniel Wegemann auch nicht infrage. Der 23-Jährige stand schon als Dreijähriger auf der Bühne des Flick Flack. „Eine andere Gruppe ist für mich keine Option. Ich bin mein ganzes Leben in dem Theater und kenne alle hier.“ Seine Schwester Julia Lorenz arbeitet als Polizistin und muss Proben und Auftritte oft mit ihren Spätdiensten koordinieren. „Ich versuche so oft wie möglich zu den Proben zu gehen, weil man dabei vom stressigen Alltag abschalten kann. Man versucht, sich Zeit dafür freizuschaufeln.“

Sarah Schulte als Belle in dem Stück „Die Schöne und das Biest“, ihre absolute Wunschrolle.
Sarah Schulte als Belle in dem Stück „Die Schöne und das Biest“, ihre absolute Wunschrolle. © privat | Privat

Gerade kurz vor den Auftritten beginnt die heiße Phase beim Flick Flack Theater. In dieser Zeit wird täglich geprobt, damit alles sitzt. Doch wie schafft man es, sich teilweise auch längere Textpassagen zu merken und dabei auch noch entsprechend zu schauspielern? „Ich habe zuletzt die Belle in ,Die Schöne und das Biest‘ gespielt. Da musste ich mir mehr Zeit nehmen, um den Text zu lernen“, erzählt Sarah Schulte. Die Rolle der Belle war der 18-Jährigen besonders wichtig. „Das war immer meine Lieblingsprinzessin, daher ist es mir auch leichter gefallen, mich in die Rolle einzufinden. Freunde und Familie haben dann mit mir die Texte gelernt.“

Stundenlanges Austüfteln des Rollenprofils

An einem passenden Rollenprofil formt Sabine Masmeier-Wegemann meist stundenlang. Die gelernte Erzieherin und Theaterpädagogin erfindet oft auch Charaktere zu Stücken dazu und gibt den Darstellern Tipps, wie sie ihre Figur am besten verkörpern können. „Man macht sich natürlich auch selbst Gedanken darüber, wie man eine Rolle am besten spielt“, sagt Lisa Mittelmann.

Die 37-Jährige wollte schon immer auf einer Theaterbühne stehen. „Als ich vor zwei Jahren die Aufführung ,Die kleine Hexe‘ vom Flick Flack gesehen habe, hat mir das so gut gefallen, dass ich noch am selben Abend eine E-Mail an Sabine geschrieben habe, dass ich gerne mitmachen möchte.“ Mittelmann möchte gerne mal einen Bösewicht spielen. „Weil ich im echten Leben ganz anders bin. Ich bin sehr sozial, habe keine aggressiven Neigungen. Das ist auch von der Mimik her eine Herausforderung, weil ich viel lache.“

Seit 28 Jahren Bühnenfieber

1996 gründete die Schwelmerin Sabine Masmeier-Wegemann, die selbst leidenschaftlich gern auf der Bühne steht, das Kinder-, Jugend- und Erwachsenen-Theater Flick Flack. Die ersten Stücke wurden im Gemeindehaus Linderhausen einstudiert, heute ist das Jugendzentrum in Schwelm feste Spielstätte. Nach der Mini-Gruppe entstand 2002 die Maxi- sowie 2008 die Midi-Gruppe. Seit 2013 ist das Zentrum für Kirche und Kultur in Gevelsberg eine weitere Spielstätte des Flick Flack. Dort wurde auch die Maximum-Gruppe für Jugendliche und Erwachsene gegründet, sodass heute alle Altersgruppen abgedeckt werden. In bald 30 Jahren brachte das Flick Flack zahlreiche Musicals, Märchen und Theaterstücke auf die Bühne und bietet für seine Mitglieder auch Theaterreisen an.

Weitere Informationen unter www.flickflack-theater.de

Sarah Schulte spielte aufgrund ihrer Begeisterung für das Theater lange mit dem Gedanken, nach ihrem Abitur Schauspiel zu studieren. „Mein Vater meldete mich 2019 beim Flick Flack an. Schon als Kind wollte ich Schauspielerin sein – ich liebe das. Ich studiere jetzt aber auf Lehramt und lebe meine Liebe zum Schauspiel weiter beim Flick Flack aus.“

Bühnenerfahrung hilft im Alltag

Daniel Wegemann gefällt, dass man zum Flick Flack kommen kann, um einfach Spaß zu haben. Das sei als professioneller Darsteller sicher anders. „Jeder kann sich hier mit seinen eigenen Ideen einbringen und es läuft nicht so strikt ab.“ Die viele Bühnenerfahrung kam ihm schon während seiner Schulzeit zugute. „Ich habe nie ein Problem damit gehabt, vor Menschen zu sprechen und in der Schule war ich immer derjenige, der die Referate vorgetragen hat.“ Dem 23-Jährigen gefällt an der Theaterarbeit so gut, dass man aus dem Alltag herauskomme und abschalten kann. „Man ist dann jemand komplett anderes.“

So geht es auch Lisa Mittelmann. „Die Rollen machen unglaublich viel Spaß und es ist schön zu sehen, dass das Publikum begeistert ist. Es gibt bei uns keinen Druck, keinen Zwang und das kommt auch rüber beim Publikum.“ Für Leandra Kieck, die seit 2013 dabei ist, ist es immer wieder spannend, zu beobachten, was alles in ihr steckt. „Ich habe schon sehr viele verschiedene Rollen gespielt, mit ganz verschiedenen Emotionen. Von der Prinzessin bis zur Oberhexe. Es ist toll, immer etwas Neues auszuprobieren.“

Leandra Kieck als Consuela in „West Side Story“.
Leandra Kieck als Consuela in „West Side Story“. © privat | Privat

Sechs Monate bis eineinhalb Jahre dauert es, bis die Gruppen ihre erlernten Stücke das erste Mal aufführen. Sabine Masmeier-Wegemann leitet die Darsteller nicht nur an, sondern gestaltet auch die detailreichen Bühnenbilder und kümmert sich um die Kostüme und Accessoires.

Bevor es zur Premiere auf die Bühne geht, ist die Aufregung bei den Schauspielern und Tänzern natürlich groß. Jeder hat seine eigene Methode, damit umzugehen. Während Sarah Schulte sich mit ihren Freunden zurückzieht und nochmal tief durchatmet, kommt Julia Lorenz erst eine halbe Stunde vor der Aufführung in die Spielstätte. „Ich lasse mir so keine Zeit mehr, mich verrückt zu machen. Nach 28 Jahren auf der Bühne ist man natürlich abgeklärter. Wenn der Vorhang aufgeht, ist die Aufregung auch vergessen.“ Der erste Schritt, der erste Satz auf der Bühne seien immer die spannendsten Momente.

Julia Lorenz als Teekannen-Figur im Stück „Die Schöne und das Biest“.
Julia Lorenz als Teekannen-Figur im Stück „Die Schöne und das Biest“. © privat | Privat

Es gab aber auch schon mal eine besonders große Aufregung, als eine Darstellerin vor lauter Nervosität Herzrhythmusstörungen bekommen hat. „Sie hat das Stück und alle Aufführungen noch durchgezogen, aber dann hat sie aufgehört“, erzählt Sabine Masmeier-Wegemann. „Ein bisschen Lampenfieber ist aber gesund.“ Und ihre Tochter Julia Lorenz ergänzt: „So vermeidet man Fehler.“

Stimmt es denn, dass die Generalprobe immer schiefgehen muss, damit die Premiere gelingt? Alle Darsteller nicken. „Wir müssen immer etwas finden, das nicht stimmt. Das ist Theaterglaube, den müssen wir beibehalten“, erklärt Masmeier-Wegemann. „Auch dass man sich nicht bedanken darf, wenn jemand vor der Aufführung ,Toi, toi, toi‘ sagt.“

Theatergründerin Sabine Masmeier-Wegemann als Knusperhexe im Stück „Hänsel und Gretel“. Sie gestaltet nicht nur die Bühnenbilder des Flick Flack, sondern steht auch regelmäßig selbst auf der Bühne.
Theatergründerin Sabine Masmeier-Wegemann als Knusperhexe im Stück „Hänsel und Gretel“. Sie gestaltet nicht nur die Bühnenbilder des Flick Flack, sondern steht auch regelmäßig selbst auf der Bühne. © privat | Privat

So richtige Pleiten und Pannen musste das Flick Flack Theater in 28 Jahren noch nicht verzeichnen. „Meistens passiert etwas mit dem Bühnenbild. Man bleibt hängen oder stolpert“, sagt Julia Lorenz. Kritischer werde es, wenn die jüngsten Darsteller kurz vor ihrem Auftritt eine Trotzphase bekämen und nicht raus auf die Bühne wollen. „Dann gibt‘s halt nur sechs Geißlein und nicht sieben“, sagt Lorenz und schmunzelt. Interessanter wurde es, als sich ein Kind auf der Bühne mal in die Hose gemacht hat. Aber in allen Situationen gilt das Motto: „The show must go on...“. Und Daniel Wegemann ergänzt: „Wenn man mal einen Texthänger hat, merkt das die Gruppe, aber nicht das Publikum.“

Sabine Masmeier-Wegemann, die auch selbst bei Theaterstücken des Flick Flack mitspielt, wird noch fünf Jahre lang in ihrem Beruf als Erzieherin arbeiten. Danach möchte sie noch mehr Zeit für ihr Theater aufwenden. Denn die Nachfrage sei gerade bei den Kindern sehr groß. Wer für welchen Bühnenpart ein besonderes Talent hat, sieht die 61-Jährige sehr schnell. „Ich musste Rollenwünsche auch schon mal ablehnen, denn ich schaue immer, dass die Rolle zum Darsteller passt. Ich tue ihnen sonst keinen Gefallen, wenn sie sich in der Rolle nicht wohlfühlen. Aber ich finde immer das passende.“

Lesen Sie auch:

Nach Insolvenz: Käufer für FAN-Pflegedienst gefunden

Schwelmerin (19) flieht vom Tatort und landet vor Gericht

Schwelm: 24-jähriger Gabelstapler-Fahrer bei Unfall verletzt

Furchtbare Erinnerungen an Bombenabwürfe und Hinrichtungen