Schwelm. Katrin Hackbarth aus Schwelm musste schon eine ihrer Apotheken schließen und warnt vor einer bedenklichen Entwicklung.

Es ist etwas mehr als ein halbes Jahr her, als die Redaktion zuletzt mit Katrin Hackbarth spricht. Sie ist Inhaberin der Märkischen Apotheke an der Hauptstraße in Schwelm und hat sich mit ihrem Team damals an einer Protestaktion der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) beteiligt, bei der sie ihre Apotheke gemeinsam mit vielen anderen in der Region an einem Tag geschlossen hat. Der Protest sollte eine Reform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach abwenden und die Politik bewegen, die flächendeckende Gesundheitsversorgung der Patienten zu sichern. Es ging aber auch darum, auf die aus Sicht der Apothekerinnen und Apotheker immer schlechter werdenden Arbeitsbedingungen hinzuweisen.

Jetzt - Monate später - schlägt Katrin Hackbarth wieder Alarm, so wie viele ihrer Kolleginnen und Kollegen. Die Situation sei sogar noch schlimmer geworden, sagt sie. Aus einem Referentenentwurf, den Gesundheitsminister Karl Lauterbach vor einigen Tagen in die Ressortabstimmung mit den anderen Ministerien gegeben hat, gehen zahlreiche Neuerungen für die Apotheker hervor.

Das 49 Seiten starke Papier, deren Inhalt durch die FAZ verbreitet wurde, sieht vor, dass Apotheken künftig nicht mehr so lange öffnen, wie bisher. Sie sollen ihre Öffnungszeiten frei wählen. Das bedeutet, dass Apotheken mitunter am Wochenende nur noch vier Stunden öffnen könnten, statt sechs. Zudem sei es nicht mehr notwendig, dass ständig ein Apotheker vor Ort sei, es reiche künftig eine Videoschalte, die Verantwortung könne auf eine PTA (Pharmazeutisch-technische Assistenz) übertragen werden. Laut Entwurf sollen Apotheken aber die Möglichkeit bekommen, ihr Angebot für die Kunden auszuweiten, indem sie Impfungen anbieten - gegen Grippe, Covid, Tetanus, Diphtherie oder Kinderlähmung und FSME. Auch Schnelltests sollen aufgenommen werden, beispielsweise für Influenza, Noro- Rota- und RV-Viren. Lauterbach plane zudem die Zulassung von rund 100 Zweigapotheken in unterversorgten Regionen.

Verband sieht Gefahr für Patienten

Die ABDA sagt dazu sehr deutlich: „Der Verzicht auf eine approbierte Filialleitung und der Verzicht auf die gesetzlich gesicherte Präsenz eines Apothekers oder einer Apothekerin setzt die berufliche Zukunft von zehntausenden Kolleginnen und Kollegen aufs Spiel.“ Für die Patientinnen und Patienten bedeuteten diese Pläne nicht nur Leistungskürzungen und Qualitätseinbußen, sondern ganz konkrete Gefahren. Leistungen wie die Betäubungsmittel-Abgabe, Medikationsanalysen, Impfungen und Rezepturen würden nach diesen Plänen aus der Fläche verschwinden. 

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Katrin Hackbarth selbst weist neben den Folgen für Patientinnen und Patienten auch auf die Bedingungen für die Apothekerinnen und Apotheker selbst hin - Stichworte Vergütung, Fachkräftemangel und Arbeitsbelastung. Das Apothekenhonorar stagniere auf dem Niveau von 2004, erklärt sie. „Die Apothekenvergütung bleibt weit hinter Inflation, der Entwicklung der Tariflöhne und der wirtschaftlichen Gesamtentwicklung zurück“, so Hackbarth. Die Gesamtkosten der Durchschnittsapotheke hingegen seien im vergangenen Jahrzehnt um 59 Prozent gestiegen.

„10 Prozent der Apotheken schreiben aktuell rote Zahlen“, sagt die Schwelmer Apothekerin. 25 Prozent hätten ein Betriebsergebnis zwischen 0 und 50.000 Euro. „Sprich: der Inhaber verdient weniger als die Mitarbeiter“, so Hackbarth. „In welcher Branche gibt es denn so etwas? Dabei sind wir top ausgebildete Fachkräfte mit fünf Jahren Studium, drei Staatsexamen und Approbation.“

Eigene Filiale schon geschlossen

Und damit kommt Katrin Hackbarth auch schon zum nächsten Problem: „Keiner will den Job mehr zu den Konditionen machen.“ Sie befürchtet, dass viele Betriebe aufgeben werden. „Die Welle der Schließungen wird mehr als bedenklich“, macht sie ihren Standpunkt deutlich. Sie rechnet vor, dass es 2023 bundesweit 500 Schließungen von Apotheken gegeben habe und dass 2024 schon Anfang Juni die Schließungszahlen von 2023 erreicht worden seien. Sie selbst habe ihre Filiale, die Berg-und Hütten Apotheke, in Bochum im vergangenen Jahr ebenfalls geschlossen.

Schwelm Bürgermeister Stephan Langhard Tag der Apotheken Märkische Apotheke
Schwelms Bürgermeister Stephan Langhard besucht am „Tag der Apotheken“ die Märkische Apotheke an der Hauptstraße. © Apotheke | Apotheke

„Und nun kommt das Skontourteil noch dazu“, fährt die Apothekerin fort. Damit meint sie ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH). Gemäß dem dürften Großhändler den Apotheken keine drei Prozent Skonto für vorfristige Zahlungen mehr geben, so Hackbarth. Skonto ist ein Nachlass auf einen Kaufpreis. „Das trifft die Apotheken je nach Größe mit 25.000 bis 50.000 Euro im Jahr und gibt vielen kleineren Apotheken den endgültigen Todesstoß“, sagt sie.

Kürzlich hat sie beim „Tag der Apotheke“ auch mit Schwelms Bürgermeister Stephan Langhard über das Thema gesprochen. Dabei ging es auch um Forderungen der Apothekerinnen und Apotheker an die Politik: Mehr Handlungsspielraum bei Lieferengpässen, eine unbedingte Verhinderung von „Scheinapotheken ohne anwesenden Apotheker“, eine deutliche Erhöhung des Apothekenhonorars, einen Inflationsausgleich, Skonti zwischen Großhandel und Apotheke und eine Sicherstellungspauschale für Apotheken. Denn - und das möchte Katrin Hackbarth ausdrücklich betonen: „Apotheken sind wichtig.“

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