Dortmund. Tatort-Schauspieler Claus D. Clausnitzer steht mit 85 Jahren noch immer vor der Kamera. Warum Arbeit ein Geschenk für ihn ist, erzählt er im WAZ-Interview.
Die Dreharbeiten für den nächsten Münster-Tatort laufen. Auch Schauspieler Claus Dieter Clausnitzer wird als kiffender Vater von Kommissar Thiel wieder mit dabei sein. Im Interview erzählt der Dortmunder, warum er die Arbeit auch mit 85 Jahren noch gerne macht, wieso er seit Jahren nicht im Schauspielhaus war und was ihm aktuell Sorgen bereitet.
34 Jahre lang haben Sie im Dortmunder Schauspielhaus auf der Bühne gestanden, jetzt stehen Sie meist vor der Kamera. Ein langes Schauspieler-Leben ...
Ja, Wahnsinn, 34 Jahre. Ich habe tatsächlich sechs Schauspieldirektoren „überlebt“. Sechs bis acht Rollen pro Spielzeit, oft Vorstellungen an sieben Tagen in der Woche. Das muss man sich mal vorstellen, was da alles zusammengekommen ist. Aber davon habe ich hoffentlich einiges dem Theater hinterlassen – das liegt noch auf der Bühne, ist in die Bretter gesickert.
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Und als da Schluss war, haben Sie eine Rolle in der ARD-Soap „Rote Rosen“ übernommen. Ein krasser Bruch für einen Kammerschauspieler, oder?
Ja, die ersten vier Wochen waren grausam. Ich dachte, das hat doch nichts mit Schauspielerei zu tun, wollte schon aussteigen. Aber dann hab ich mir das Ergebnis angeschaut und fand es doch ganz hübsch. So bin ich dabeigeblieben, bis heute. Es ist halt eine andere Art der Arbeit, auf die musste ich mich neu einstellen.
Richtig bekannt geworden sind Sie dann aber als kiffender Taxifahrer im wahnsinnig erfolgreichen Münster-Tatort. Wie ist das für Sie, so populär zu sein?
Einerseits ist es schön, andererseits auch ein kleiner Fluch, so festgelegt zu sein. Aber bei mir ist es ja nicht nur der Thiel, es ist ja auch der Hannes aus „Rote Rosen“. Auf den werde ich auch oft angesprochen, das hält sich fast die Waage.
Mögen Sie das?
Ach ja, da habe ich mich inzwischen drauf eingestellt. Das ist ganz schön, so lange es nicht übergriffig wird. Wenn mich die Menschen samstags auf dem Markt in der Stadt erkennen und ansprechen, dann geht es übrigens immer noch meist ums Theater. Und dann quatschen wir ein bisschen. Ich denke, das bin ich dem Dortmunder Publikum schuldig.
Erst gestern haben Sie noch für den neuen Tatort Münster vor der Kamera gestanden, heute sind Sie bei uns. Wie war der Dreh?
Der hat wieder Spaß gemacht. Die beiden, also Prahl und Liefers, sorgen schon dafür, dass es Spaß macht. Es soll ja nicht in Arbeit ausarten ... Nein, Quatsch. Natürlich ist das Arbeit. Diesmal habe ich allerdings nur eine kleine Szene, so eine Mini-Rolle hatte „Vaddern Thiel“ noch nie. Aber nächstes Jahr drehen wir ja schon die 50. Folge. Wahnsinn, oder? Und ich hoffe, dass sie mir dann mal wieder eine richtige Story ins Drehbuch schreiben. Davon gab es ja schon einige.
Auch, wenn man es Ihnen nicht anmerkt: Dann werden Sie 86 Jahre alt sein. Ist es eine Lust oder eine Last, in dem Alter noch zu arbeiten?
Es ist ein Geschenk, dass ich das machen kann. Und dass die Leute mich sehen wollen. So lange das so ist, mache ich gerne weiter. Aber klar, der Körper zeigt einem die Grenzen auf und der Kopf auch, der gehört ja dazu. Mir hat mal jemand gesagt: „80 ist ein Einschnitt, ab dann zählt jedes Jahr doppelt.“
Es sind ja nicht nur das Dortmunder Theater und der Tatort. Sie haben mit Tabori gearbeitet, sind bei den Ruhrfestspielen aufgetreten, haben Sketche mit Loriot und mit Martina Hill gedreht, machen Hörspiele und Lesungen. Gibt es etwas, was jetzt noch fehlt?
Die Frage höre ich oft. Nein, da gibt es nicht die eine Rolle. Aber wenn jemand sagen würde: „Das möchte ich gerne mit dir machen, in der Rolle sehe ich dich“, dann würde ich mich freuen. Es ist nicht so, dass ich darauf warte. Aber ich bin für alle Schandtaten zu haben.
Wäre ja schön, wenn Thiel mal mit dem Taxi nach Dortmund fahren würde, oder? Mögen Sie den Dortmunder Tatort?
Wie soll ich sagen ... ich finde, in manchen Folgen wird die Stadt nicht so gut abgebildet. Aber ich schaue den Dortmund-Tatort auch nicht so oft. Den Tatort Köln mit meinem guten Freund Dietmar Bär gucke ich hingegen immer. In dem hab ich ja auch selbst schon mitgespielt.
Was machen Sie denn sonst so, wenn Sie gerade mal nicht drehen? Gehen Sie noch oft ins Dortmunder Schauspiel?
Nein, seit Kay Voges Intendant war, hab ich tatsächlich keine Vorstellung mehr besucht. Aber das hat nichts mit meiner Kündigung damals zu tun. Das hat einen anderen, simplen Grund: Ich komme einfach nicht dazu. Die Dreharbeiten für „Rote Rosen“ in Lüneburg nehmen viel Zeit in Anspruch, samstags bin ich beim BVB im Stadion. Aber es reizt mich schon – und ich bin auch immer auf Stand. Ich lasse mich von meinen Kollegen gut informieren. Und bei der Weihnachtsrevue Akte X-Mas stehe ich auch selbst wieder im Schauspielhaus auf der Bühne.
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Man trifft Sie aber nicht nur auf dem Wochenmarkt oder mit dem Rad bei einer Tour auf dem Rheinischen Esel. Auch bei der Groß-Demo gegen die AfD im Januar sind Sie mitgegangen. Treibt das Thema Sie um?
Ja, der europaweite Rutsch nach rechts gibt mir zu denken. Mich erschüttert, wie viele junge Menschen die Denkweise teilen. Haben die denn keinen Geschichtsunterricht gehabt? Wenn ich die erschreckenden alten Parolen höre, denke ich, wir müssen wahnsinnig aufpassen. Denn die Rechten wollen die Demokratie kaputt machen. Das macht mir Angst, und deswegen war ich dabei.
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Politisch aktiv sind Sie auch im Herbst 2020 geworden. Damals haben Sie die Kampagne des deutschen Hanfverbandes für die Cannabis-Legalisierung unterstützt. „Ne fette Cannabis-Steuer und alle sind glücklich“ haben Sie damals gesagt. Bleiben Sie dabei?
Ja klar, das sage ich auch heute noch. Natürlich besteht beim Kiffen die Gefahr, dass man auch an andere Drogen gerät. Da muss man aufpassen, dass man sich keine chemischen Stoffe reinzieht. Aber das ist beim Alkohol nicht anders. Da ist es auch ein Unterschied, ob ich eine Flasche Bier oder eine Flasche Rum trinke – also müsste man den auch verbieten. Andrerseits: Jetzt darf man zu Hause 50 Gramm Cannabis besitzen, das ist schon eine wahnsinnige Menge. Also so viel brauche ich nicht ... und ich gehe übrigens auch mit meinem Joint auf die Terrasse.
Also dann würden wir jetzt doch noch gerne wissen: Wie viel Clausnitzer steckt in Vaddern Thiel?
Viel. Ich weiß nicht, ob die Hälfte oder ein Viertel oder alles. Ja, vielleicht alles. Der ganze Clausnitzer steckt in Vater Thiel.