Dortmund. Der Streit um die Verwertung der Spuren im Fall der getöteten Dortmunderin ist geklärt. Eine Gutachterin präsentiert ihre Erkenntnisse.
Beinahe wäre der gewaltsame Tod von Heike Kötting nie aufgeklärt worden. Doch nach über 30 Jahren konnten dank neuer Technik DNA-Spuren an Beweismitteln ausgewertet werden. Diese wurden den angeklagten Peter W. (61) und Petra G. (62) zugeordnet. Deshalb müssen sich die beiden seit Juli vor dem Dortmunder Landgericht verantworten.
Eine Aussage der Gutachterin, die die Spuren nachträglich untersucht hat, konnte die Verteidigung zunächst verhindern. Sie argumentierte, dass die Verwertung der Spuren nicht rechtens sei. Zu Beginn des Prozesstages am 4. September stellte der vorsitzende Richter Thomas Kelm dann aber fest: Die Beweismittel werden zugelassen, die Sachverständige Dr. Karolin Hoppe darf aussagen.
Beweise im Fall Kötting wurden mit neuster Technik ausgewertet
DNA-Spuren der Beschuldigten Petra G. und Peter W. wurden unter den Fingernägeln der getöteten Heike Kötting, auf sichergestellten Gegenständen aus ihrer Wohnung und aus ihrem Auto nachgewiesen. Letzteres nutzten die mutmaßlichen Täter für ihre Flucht. Allein im Fahrzeug wurden 65 Hautschuppen sichergestellt, die zu Peter W. gehören.
Bei anderen Spuren ist die Zuordnung weniger eindeutig. Für die Analyse der Spuren unter einem Fingernagel des Opfers kam eine ganz neue Technik zum Einsatz, die sogenannte „vollkontinuierliche biostatistische Berechnung“. Hierbei errechnet eine Software die Wahrscheinlichkeit, mit der gefundene Spuren einer bestimmten Person oder einer unbekannten fremden Person zuordenbar sind. Ergebnis: Es sei dreißig Milliarden Mal wahrscheinlicher, dass die Spuren zu Peter W. gehören, als zu einer fremden Person, erläutert Dr. Hoppe.
„Biostatistische Berechnung ist für uns völlig neu“, merkt der Vorsitzende Richter Thomas Kelm an. „Ist diese Methode gerichtlich verwertbar?“, will er wissen. „Das müssen Sie entscheiden“, antwortet die Expertin und verweist erneut auf eine diesbezügliche Empfehlung der Spurenkommission.
Wie sind die Spuren an den Tatort gekommen?
Dem Bericht der Sachverständigen folgt der Angeklagte Peter W. beinahe regungslos, mit gesenktem Kopf und versteinerter Miene. Seine mutmaßliche Komplizin hat die Hände vor der Stirn gefaltet, als würde sie beten. Auch ihr Genmaterial wurde unter den Fingernägeln von Heike Kötting gefunden. Mehrmals kommen ihr die Tränen, die sie mit einem Taschentuch wegwischt und dabei sichtbar schluckt.
Theoretisch könnten die Spuren der beiden auch auf anderem Wege an den Tatort gelangt sein, denn in einem alten Gutachten wird auf eine mögliche Kontamination hingewiesen. Doch der Grund für diesen Hinweis lasse sich aus heutiger Sicht nicht mehr abschließend klären, so die Expertin.
„Was muss passieren, damit eine Kontamination mit DNA eintritt?“, fragt Thorsten Hönnscheidt, der Verteidiger von Peter W. „Es hängt von vielen Faktoren ab“, erklärt sie. Sie könne nur sagen, welche Spuren wem zugeordnet werden können, aber nicht, wie die Spuren auf die Beweismittel gekommen sind. Dennoch ist es laut der Expertin „eher unwahrscheinlich“, dass Peter W.s DNA durch Fremdübertragung in das Auto des Opfers gelangt sein könnte.
Gutachter von damals soll vor Dortmunder Gericht aussagen
Weil es seitens des Gerichts Klärungsbedarf in Bezug auf das alte Gutachten gibt, soll der sich mittlerweile im Ruhestand befindende Gutachter angehört werden. Im Anschluss beendete der Vorsitzende den Verhandlungstag.
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Es hat 33 Jahre gedauert, bis der Fall Heike Kötting vor einem Gericht verhandelt werden konnte. Über Jahrzehnte galt der Fall als sogenannter „Cold Case“ – ein „kalter Fall“, der ungelöst zu den Akten gelegt werden musste. Die Spuren vom Tatort sind alt. Die Technik, mit der die Ermittler den mutmaßlichen Mördern nun auf die Schliche kamen, ist hingegen hochmodern. Die Täter wurden über eine DNA-Analyse ermittelt und anschließend festgenommen. Petra G. (62) und Peter W. (61) sollen, gemeinsam mit einem unbekannten Komplizen, Heike Kötting (damals 28) am 25. Februar 1991 in ihrem Bungalow in Dortmund-Scharnhorst ermordet haben.
Die Anklage beschreibt den Ablauf so: Zwischen halb sieben und acht Uhr abends sind die Angeklagten durch einen Kellerschacht von der Gartenseite in das Haus eingebrochen. Als die 27-jährige Karstadt-Dekorateurin gegen 20 Uhr nach Hause kam, lief sie ihren Mördern in die Arme. Das Trio flog auf und entschied sich mutmaßlich, sie zu ermorden. Noch im Nähzimmer hat einer der Täter das Opfer gewürgt, ein weiterer hat auf sie mit einem Messer eingestochen. Die rund 10 Zentimeter lange Klinge traf das Opfer mehrfach in Brust und Hals.
Sie flohen mit Köttings Auto, dieses wurde später mit leerem Tank auf einem Rastplatz in Frankreich gefunden. Vor 30 Jahren endete die Spur der Täter dort.
Lange Zeit gingen die Ermittler davon aus, dass Täter und Opfer sich kannten. Denn Heike Kötting hatte eine hohe Bargeldsumme im Haus gelagert. Kurz vor der Tat hatte sie sich von ihrem Freund getrennt und plante, ihm die bereits gezahlte Miete für das gemeinsame Haus zu erstatten. Wussten die Täter, dass sich das Geld im Haus befand? Als weiteres Indiz wird der versteckt liegende Einbruchsort gewertet. Der Kellerabgang war von der Straße aus nicht einsehbar, Fremde konnten also nicht wissen, dass dieser existiert.