Balve. Gegen jeden Landestrend sprudelt die Gewerbesteuer in Balve weiter. Das stellt Kämmerer Ralf Runte auch vor ein ungeahntes Problem.

Ralf Runte spricht von einer „verrückten Situation“: Der neue Stadtkämmerer von Balve hat es mit einem Phänomen zu tun, um das ihn seine Amtskollegen landauf landab beneiden: Die Gewerbesteuer-Einnahmen der Stadt sprudeln auch weiterhin. Es sieht, sagt Runte, bei aller Vorsicht ganz danach aus, als könne die Stadt den enormen Spung vom Haushaltsansatz für das laufende Jahr von damals veranschlagten 7,4 auf tatsächlich rund 12,8 Millionen Euro (die WP berichtete) bis zum Jahresende über die Ziellinie retten.

Neuer Haushaltentwurf für das kommende Jahr wird gerade gefertigt

Doch das bedeutet für ihn auch: Was kalkuliert man jetzt an Einnahmen und vor allem an Ausgaben für das kommende Jahr? Der neue Haushaltsentwurf, den Runte am 6. November dem Stadtrat vorlegen will, entsteht gerade jetzt. Und hier tritt der Hüter der Stadtkasse vorsorglich auf die Bremse.

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Von Balver Finanzlage können andere Städte nur träumen

Von einer Finanzlage, in der sich Balve aktuell befindet, kann man in vielen Nachbarstädten nur träumen: Iserlohn und Hemer haben gerade erst Haushaltssperren erlassen. In Balve liegen auch dank der vielen Millionen aus der Kanalnetz-Übertragung im letzten Jahr derzeit etwa sieben Millionen Euro auf der hohen Kante. Ihnen stehen nur etwa fünf Millionen an Kassenkrediten fürs laufende Geschäft gegenüber. Das Guthaben, ein kurzfristig verfügbares sogenanntes „Kündigungsgeld“ bei der Vereinigten Sparkasse, wirft laut Runte sogar mehr Zinsen ab als der Kassenkredit kostet.

Krise allerorten: Auch die Vorzeigestadt Monheim tief in roten Zahlen

Und das bei dieser Gesamtlage: Von 350 Städten in NRW, die kürzlich ihre Finanz-Erwartungen fürs nächste Jahr kundtaten, dürften nur ganze 18 Kommunen einen in Ausgaben und Einnahmen ausgeglichenen Haushaltsentwurf vorlegen. Runte: „Sogar die Stadt Monheim im Rheinland, die lange Jahre mit hohen Millionen-Überschüssen die finanzielle Vorzeigestadt bei den Finanzen war, landet diesmal bei 85 Millionen Minus.“

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Lahmende Wirtschaft produziert dramatische Abstürze in Stadtkassen

Es ist die lahmende Wirtschaft, die solche dramatischen Abstürze produziert, weil sie weniger Steuern an die Städte und Gemeinden zahlen kann. In Balve ist es dank der geschäftlichen Erfolge einiger Unternehmen genau umgekehrt. Ausgerechnet jetzt. Insgesamt gibt es etwa 500 Betriebe in Balve, von denen zwischen 200 und 220 Gewerbesteuern entrichten. Das reicht von ein paar hundert Euro bis zu siebenstelligen Beträgen. Und gerade wenn die großen Betriebe in einer Stadt gute Geschäfte machen, profitiert die Kommune am meisten davon.

Das letzte Balver Investitions-Darlehen ist vier Jahre alt

In Balve bedeutet das: Auch bei den Investitionskrediten, also den Geldern, die in Gebäude, neue Feuerwehr-Fahrzeuge oder in Geländekäufe gesteckt werden, hat sich die Stadt in den letzten vier Jahren enorm verbessert. Statt mehr als zehn Millionen Euro im Jahr 2020 sind hier aktuell nur noch rund 7,5 Millionen abzuzahlen. Was laut Runte nicht heißt, dass Balve zuletzt nicht kräftig investiert hätte. Aber: Dank der unverhofften Mehreinnahmen aus der Gewerbesteuer schon im letzten Jahr und der zugleich erfolgten Kanalnetz-Übertragung an den Ruhrverband musste die Stadt sogar für Investitionen in ihre Zukunft kein Geld mehr aufnehmen. Runte: „Unser letztes Darlehen für Investitionen stammt aus 2020.“

Jetzt neue Spingbrunnen und Sporthallen? Kämmerer will eher vorsorgen

Und was heißt das jetzt für den kommenden Haushalt? Wird der Entwurf, den Runte jetzt gemeinsam mit Bilanzbuchhalter Michael Geck und seinem ganzen Team schreibt, zum Weihnachtsgeschenk für die Bürgerschaft? Gibt es neue Sporthallen, Springbrunnen oder einen neuen Kulturtempel? Wohl nichts dergleichen.

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Abhängigkeit vom Wohl und Wehe weniger Betriebe birgt auch Gefahren

Denn Runtes Blick richtet sich auch auf die Zeit über 2025 hinaus. Da sehe die Lage allgemein eher düster aus. „Es sind vor allem die Inflation und die höheren Preise, die auch für die Stadt Balve die Kosten in die Höhe treiben.“ Zudem sei zu beachten, dass die Abhängigkeit von nur wenigen Betrieben bedeuten kann, dass es für die Stadt auch rasch wieder abwärts gehen kann.

Große Ungewissheit: Was soll Runte für das kommende Jahr kalkulieren?

Der neue Haushaltsansatz, sagt Runte, dürfte gleichwohl über dem alten liegen, als man für 2024 unterm Strich sogar ein Jahres-Minus berechnet hatte. Wie hoch der neue Ansatz für die Gewerbesteuer liegen soll, sagt Runte noch nicht. Es wird also spannend am 6. November. Denn anderes als in vielen Vorjahren, als die Stadt bei den Gewerbesteuer-Einnahmen mit knapp sechs Millionen Euro plusminus einer halben Million rechnen konnte, ist die Zukunft auch für den Kämmerer jetzt ungewiss. Nicht nur, weil die Stadt bei der Gewerbesteuer immer noch einen unerwarteten Rückschlag erleiden kann, etwa durch Veranlagungen von Unternehmen aus vergangenen Jahren.

Kurs des Kämmerers: Wappnen für wieder schlechtere Jahre

Doch auch wenn es nicht danach aussieht: „Wir sollten nicht mit einem ungebremsten weiteren Aufschwung rechnen und uns auch für wieder schlechtere Jahre wappnen“, sagt Runte. Konkrete Zahlen zum neuen Ansatz nennt er nicht, schon weil beim konkreten Haushaltsentwurf die Politik den Vortritt behalten müsse. Denn sie bestimme letztlich auch, ob und wie viel Geld die Stadt wofür ausgibt. Der Vorschlag der Kämmerei dürfte indes in der Mitte zwischen dem alten Ansatz und der erzielten Einnahme aus diesem Jahr liegen.