Balve. Vergesst Corona! Das Top-Thema der Wirtschaft im Hönnetal heißt Fachkräfte-Mangel. Wie werben Verband MAV und Firmen um Azubis?
Die heimische Wirtschaft sorgt sich um die Fachkräfte von morgen. Der Sprecher des Märkischen Arbeitgeberverbandes (MAV), Dr. Andreas Weber, und Chefausbilder Tobias Weber vom Garbecker Unternehmen Paul Müller GmbH sprechen im Interview mit der Westfalenpost über Werbung um Nachwuchs.
Der Ausbildungsmarkt macht der heimischen Wirtschaft nicht wirklich Freude. Warum?
Tobias Weber Es ist immer schwieriger, an Auszubildende heranzukommen. Die Bewerberzahlen sind rückläufig, gerade was technische Ausbildungsberufe angeht.
Wie nimmt der Verband die Situation wahr?
Dr. Andreas Weber Wir haben bei unserer Umfrage unter unseren Mitgliedern im Dezember festgestellt: Die Auftragslage scheint gut zu sein, die Ertragslage scheint auch gut zu sein. Kurzarbeit, wie noch vor einem Jahr, ist kein Thema mehr, gerade in Balve und Neuenrade. Und die Firmen stehen zu ihrem Ausbildungsengagement. Sie bilden weiter aus wie bisher. Und 30 Prozent der befragten Unternehmen in Balve und Neuenrade sagen sogar, wir wollen das noch ausweiten. Bei unserer Umfrage zur Lage unserer Mitgliedsfirmen haben wir herausgefunden, dass es unseren Unternehmen momentan grundsätzlich gut geht. Wir haben aber auch gefragt, ob es Faktoren gibt, die eine positive Entwicklung bremsen. Klar, Lieferengpässe stehen an erster Stelle. Auf Platz zwei auf einer langen Liste von Hindernissen steht schon der Fachkräftemangel. Das ganze Thema ist wirklich drängend.
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Auf dem Arbeitsmarkt steht ein demografischer Wandel an. Die Babyboomer gehen bald in den Ruhestand.
Dr. Andreas Weber Dazu kommt noch etwas. Wir nennen es das Corona-Loch. In dieser Zeit sind ganz viele Schülerinnen und Schüler einfach „verschwunden“. Ob Arbeitsagentur oder Unternehmen – alle sagen, so richtig wissen wir nicht, wo sie geblieben sind. Möglicherweise lernen sie weiter in der Schule und bleiben bei dem, was sie schon kennen.
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Problemlösungen sind gefragt.
Tobias Weber Wir gehen zunächst die bekannten Wege: Arbeitsagentur, Job-Portale. Wir präsentieren uns außerdem auf Ausbildungsmessen und kooperieren mit Schulen.
Corona hat Präsenzveranstaltungen teilweise verhindern. Wie funktionieren Online-Angebote?
Tobias Weber Haben wir genutzt! Aber es gab zwiespältige Ergebnisse. Es gab tatsächlich einige Gespräche mit Interessenten. Wir sind auf Schülerinnen und Schüler zugegangen, aber sie müssen auch auf uns zugehen, und das fällt vielen offenbar schwer.
Dr. Andreas Weber Was hätten wir in der Corona-Zeit getan, wenn es diese Möglichkeit nicht gegeben hätte? Vor 10 oder 20 Jahren wären Online-Veranstaltungen gar nicht möglich gewesen.
Tobias Weber Es gab zwei Möglichkeiten: Einmal haben wir Direktgespräche angeboten, dann aber haben Auszubildende von sich selbst berichtet, und hatten wir erstaunlich viele Zugriffe. Das ist gut angenommen worden.
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Dr. Andreas Weber Wir trauen uns aber auch wieder Präsenz, mit 2 G plus. Wir haben am 18. Februar einen Informationstag am Hönne-Berufskolleg in Menden. Da werden sich einige ausbildende Unternehmen vorstellen, verbunden mit einer Podiumsveranstaltung. Wir müssen was tun.
Welche Rolle spielt Geld?
Dr. Andreas Weber Das kann kein Problem sein. In der M+E-Industrie wird in der Regel schon gut gezahlt.
Tobias Weber Wir, bei Paul Müller, bieten Azubis einiges an Benefits. Wir bieten beispielsweise Prämien, wenn unsere Leute gute Zeugnisse und Zwischenprüfungen bringen, und eine gute Abschlussprüfung.
Azubis in der Region fehlen, ist eine Option, im Revier zu werben?
Dr. Andreas Weber Wir setzen stark auf Auszubildende aus der Region. Für junge Menschen gibt es oft ein Mobilitätsproblem. Sie haben vielleicht noch kein eigenes Auto. Dann kommt – für Pendler aus dem Süden – die gesperrte A 45 dazu.