Düsseldorf. Ein Geldwäsche-Experte erklärt, wie kriminelle Clans mit dem Hawala-Banking Milliarden verschieben.
200 Milliarden Dollar werden weltweit jährlich über das uralte Schattenbanksystem Hawala verschoben, schätzt das Bundesfinanzministerium. Das erscheint konservativ geschätzt, es gibt Experten die vermuten, dass es noch viel mehr ist. Wie funktioniert das Geldwäschesystem? Wie können Ermittler das Netzwerk aufdecken? Und was muss die Politik tun? Das haben wir Oliver Huth gefragt. Der NRW-Landeschef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter hat selbst große Ermittlungen zur Organisierten Kriminalität geleitet.
Herr Huth, erklären Sie bitte, wie Hawala-Banking funktioniert.
Huth: Stellen Sie sich ein Clan-Mitglied im Ruhrgebiet vor, das 50.000 Euro hat und möchte, dass jemand in Dubai, in Marokko oder in anderen arabischen Ländern dieses Geld erhält, ohne eine Bank einzuschalten. Er wendet sich an einen Hawaladar in Essen, einen Vertrauensmann für Geldtransfers, der zum Beispiel einen Gemüseladen, ein Reisebüro, ein Juweliergeschäft oder eine Im- und Export-Firma leitet. Der Hawaladar bittet den Kunden ins Hinterzimmer und erklärt, dass der Empfänger im Ausland wegen des Wechselkurses von den 50.000 Euro 48.500 bekommt. Drei Prozent – also 1500 Euro—sind die Provision für den Hawaldar. Der Kunde ist einverstanden, lässt 50.000 Euro im Laden und erhält einen Code, zum Beispiel 754.
Und wie kommt der Empfänger an sein Geld?
Huth: Der Hawaladar in Essen gibt seinem Kunden eine Adresse, zum Beispiel die eines Gemüsehändlers in Dubai. Der Empfänger dort nennt seinen Namen, den Code 754 und bekommt 48.500 Euro in Landeswährung.
Ein bisschen wie bei Western Union, oder?
Huth: Ja, nur ohne offizielle Buchung. Das alles geschieht beleglos und kontolos.
Aber wie ist es möglich, dass dieses Geschäft gleichzeitig mit unterschiedlichen Kunden und Beträgen verlässlich funktioniert?
Huth: In den arabischen Ländern gibt es viele Kunden von Hawaladaren, die Bargeld außer Landes bringen möchten. Das Geschäft läuft in beide Richtungen. Es kommt auch vor, dass eine Summe Bargeld mit Waren verrechnet wird.
„Es ist bei diesen Geldgeschäften sehr viel Vertrauen im Spiel, und der Hawaladar darf sich keinen Fehler erlauben. Anders gesagt: Er darf das Vertrauen unter keinen Umständen enttäuschen. “
Das klingt kompliziert. Die Leistung muss immer genau stimmen, und der Hawaladar kassiert ja „nur“ seine Provision.
Huth: Es ist bei diesen Geldgeschäften sehr viel Vertrauen im Spiel, und der Hawaladar darf sich keinen Fehler erlauben. Anders gesagt: Er darf das Vertrauen unter keinen Umständen enttäuschen. Ich habe zum Beispiel mal bei einem Gold-Hawaladar zwei scharfe Schusswaffen gefunden, denn das Leben dieser „Banker“ ist mitunter gefährlich.
Was sind Gold-Hawaladare?
Huth: Das ist eine Spielart dieses Geschäfts, in die oft türkeistämmige Juweliere verstrickt sind. Sie nehmen Gold von Trickbetrügern an, die zum Beispiel als falsche Kriminalbeamte Rentner um Schmuck geprellt haben. Das Gold wird eingeschmolzen und ins Ausland gebracht.
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Sind solche komplizierten Vorgänge ohne Buchführung denkbar?
Huth: Nein. Hawaladare führen Buch über Einnahmen und Ausgaben, und solche Bücher werden auch manchmal im Rahmen von Ermittlungen gefunden. Dieses Geschäft hat im arabischen Raum eine lange Tradition, wird sogar zur Terrorfinanzierung genutzt, aber es darf nichts schiefgehen. Ohne Buchführung ist das nicht möglich.
Ist es üblich, dass der Hawaladar ein Büro in Deutschland und ein Büro im Zielland hat?
Huth: Das kann, muss aber nicht so sein. Der Hawaladar-Partner im Ausland kann ein Verwandter sein, ein Freund oder eine ganz andere Person.
„Der „Beruf“ Hawaladar wird oft von Vätern an ihre Kinder weitergegeben, inklusive Kundenstamm.“
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Hawaladare dem Clan angehören, der Geld transferieren möchte?
Huth: Diese Wahrscheinlichkeit ist sehr groß. Und der „Beruf“ Hawaladar wird oft auch von Vätern an ihre Kinder weitergegeben, inklusive Kundenstamm.
Warum ist es so schwer, diesen „Privatbankern“ das Handwerk zu legen?
Huth: Ein großes Problem ist, dass der Staat einem Hawaladar, bei dem eine große Menge Bargeld entdeckt wird, nur die drei Prozent Provision weggenommen kann, die er aus der Tat erlangt hat, und nicht die ganze Summe. Das ist eine Katastrophe! Aus gutem Grund hat NRW-Justizminister Benjamin Limbach den Bund zu einer Gesetzesänderung aufgefordert: Künftig müssten auch die Kundengelder abgeschöpft werden können. Egal, wo dieses Geld herkommt, es ist in jedem Fall am Fiskus vorbei geschoben worden.
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Kann man von Italien lernen, wie der Staat erfolgreicher gegen Geldwäsche kämpfen könnte?
Huth. Auf jeden Fall. Dort gibt es ein Zugriffsrecht des Staates auf Vermögen der organisierten Kriminalität. Wenn jemand als Mafia-Mitglied verurteilt wurde, muss er fortan beweisen, dass er Vermögen legal erworben hat. Der Staat muss dort nicht beweisen, dass es illegal erworben wurde, um das Geld einziehen zu können. Das ist die Beweislastumkehr, die wir hierzulande dringend im Kampf gegen die organisierte Kriminalität benötigen.
Abseits von Hawala, wie funktioniert Geldwäsche noch?
Huth: Grundlage ist immer die Anmeldung einer Firma, am besten eine GmbH. Das Geld, das in diese Firma fließt, stammt angeblich aus bargeldintensiven Geschäften, zum Beispiel aus der Gastronomie oder einer Autowaschanlage. Dann wird behauptet, man habe jeden Tag 100 Autos gewaschen, 200 Mahlzeiten serviert oder 1000 Kugeln Eis verkauft. Das stimmt aber nicht oder nur zum Teil. Das Geld stammt in Wirklichkeit aus Drogenhandel, Prostitution und anderen illegalen Einnahmen. Man kann sich auch für seine Scheinfirma einen Scheinkredit geben lassen. Es gibt in diesem Zusammenhang Kreditverträge, in denen nicht einmal ein Zinssatz steht und eine Rückzahlungsfrist. Das ist alles nur für die Galerie. Der Firmeninhaber kann mit Geld aus Scheinkrediten und Schein-Einnahmen Immobilien kaufen und andere Dinge, mit denen er Gewinn erwirtschaftet.
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