Düsseldorf. Hat die Sorge vor der Stigmatisierung von Clans alles nur noch schlimmer gemacht? Wie Ralph Ghadban mit harten Thesen provoziert.
Der Islamwissenschaftler und Clan-Forscher Ralph Ghadban dringt auf ein konsequenteres Vorgehen des Staates gegen kriminelle Großfamilien, besonders im Ruhrgebiet.
„So konnten sie Tausende von Bürgern misshandeln und unsere Staatsorgane verachten“
Die Sorge, man stigmatisiere Menschen, indem man Kulturen, Ethnien und Religionen im Zusammenhang mit Straftaten nenne, habe in der Vergangenheit fatale Folgen gehabt, meint er. „So konnten zum Beispiel die Clans unbehelligt Tausende von Bürgern misshandeln, ausrauben, erpressen und unsere Staatsorgane verachten, lächerlich machen und einschüchtern, ohne dass man erwähnen darf, wer die Täter sind“, schreibt Ghadban, der seit einer Buchveröffentlichung über arabische Clans Todesdrohungen ausgesetzt ist, in einer Stellungnahme für die Innenausschuss-Sitzung des Landtags am 31. Oktober.
Zwangsehen, um den Erhalt der Großfamilie zu sichern
In Rahmen eines Exkurses in die Entstehungsgeschichte der Großfamilien aus dem arabischen Raum wirft Ghadban den Clans vor, sich in Deutschland der Integration nachhaltig zu verweigern und zum „Hort der Kriminalität“ geworden zu sein. Ihre ursprünglichen Funktionen, die Familie vor staatlicher Willkür zu schützen, und das soziale Überleben zu sichern, hätten die Clans im deutschen Rechtsstaat eingebüßt. Um ihre Auflösung zu verhindern, würden die Mitglieder durch Zwangsehen innerhalb des Clans, speziell durch Eheschließungen von Minderjährigen, zur Solidarität gezwungen.
Im Kampf gegen kriminelle Clans fordert Ghadban ein konsequentes Vorgehen gegen Zwangsehen, ein Aussteigerprogramm für Frauen in Clans, eine generelle Verschärfung des Asylrechts und eine „Beweislastumkehr“: Der Staat müsse dann nicht die Schuld von Clanmitgliedern beweisen, sondern die Clanmitglieder ihre Unschuld.
Clanforscher Jaraba hält Stigmatisierung von Clans für fatal
Vor wenigen Tagen hatte der Clan-Forscher Mahmoud Jaraba von der Uni Erlangen-Nürnberg dem Innenausschuss eine erheblich differenziertere Stellungnahme zur Clankriminalität geschickt. Er warnt darin vor möglichen neuen Problemen in NRW durch zugewanderte syrische Clans, die sich zum Beispiel im vergangenen Jahr in Essen und im Kreis Recklinghausen Tumulte mit türkisch-libanesischen Clans lieferten. Jaraba warnt aber eindringlich vor einer Stigmatisierung von Großfamilien: „Ein zentrales Missverständnis in der öffentlichen Debatte ist die Annahme, dass jede kriminelle Aktivität, die von einem Mitglied eines sogenannten ,Clans‘ begangen wird, automatisch der gesamten Familie oder dem gesamten ,Clan‘ zugeschrieben werden kann“.
Ghadban: „Es sind auch richtige Stämme aus Syrien gekommen“
Ralph Ghadban geht in seiner Analyse nur am Rande auf syrische Clans ein. Unter den aus Syrien Zugewanderten befinde sich „die ganze Breite der Migration“, von Gebildeten, die sich integrierten wollten, bis zur jenen, die in soziokulturellen Hintergründen verfangen seien. „Es sind auch richtige Stämme gekommen. Sie haben die Konfrontation mit den alteingesessenen libanesischen Clans, zum Beispiel in NRW, angezettelt“, so Ghadban.
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