Düsseldorf. Wie sollen Ermittler der „Spur des Geldes“ folgen, wenn es keine Spuren hinterlässt? So führen Clans den Staat mit Hawala-Banking vor.
Der Bund deutscher Kriminalbeamter (BdK) rät in einer aktuellen Stellungnahme dem Gesetzgeber und der Justiz, sich intensiver mit einem in kriminellen Clans offenbar weit verbreiteten System der Geldwäsche auseinanderzusetzen und die Ermittlungsmöglichkeiten der Polizei zu verbessern.
Auf der Basis von Vertrauen und Verschwiegenheit wird das Geld bewegt
„In den arabischen Kulturkreisen hat sich das Hawala-System etabliert, das in Deutschland unter Strafe steht. Es handelt sich hierbei um ein seit Jahrzehnten weltweit genutztes informelles und vertrauensbasiertes Zahlungsverfahren“, schreibt BdK-Landesvorsitzender Oliver Huth dem Innenausschuss, der sich auf Antrag der AfD Ende Oktober in einer Expertenanhörung mit dem Phänomen Clan-Kriminalität beschäftigen wird.
Das Hawala-System funktioniere nach dem „System der zwei Töpfe“ – das heißt über Vertrauenspersonen, so genannte „Hawaladare“. Frei von staatlicher Aufsicht und Zulassung bewegten diese Mittelsmänner Geld gegen Provision „beleglos, kontolos und banklos“, allein auf der Basis von Vertrauen und Verschwiegenheit, führt Huth aus. „Die Nutzung regulierter Finanztransferdienstleister wird vermieden und jede staatliche Kontrolle umgangen, was die Aufdeckung erschwert.“ Hawala-Banking gebe es vor allem in ethnisch geschlossenen Milieus wie zum Beispiel in Clans. Als „Hawaladare“ betätigten sich zum Beispiel Juweliere, Gebrauchtwarenhändler sowie Ex- und Import-Händler aller Art.
Die Kriminalpolizei hat bei diesen Ermittlungen viel Stress
Diese Art des „Bankings“, bei dem die Spur des Geldes für Außenstehende praktisch nicht zu verfolgen ist, ist hierzulande verboten, und es gab diesbezüglich schon aufsehenerregende Prozesse in NRW: 2020 wurde ein Hawala-Banker, ein 52-jähriger Juwelier aus Duisburg, der einen dreistelligen Millionenbetrag an Fiskus vor bei in die Türkei schleuste, zu vier Jahren und zwei Monaten Haft verurteilt. 2022 klagte die Staatsanwaltschat Düsseldorf einen Syrer an, der mit dem Hawala-System Terrorismus finanziert haben soll.
Laut Oliver Huth könne die Polizei solche Straftaten aber nur effektiv verfolgen, wenn der Anfangsverdacht einer kriminellen Vereinigung bestehe, und dafür reiche der Paragraf, der auf das Hawala-System ziele, nicht aus. Hier müsse der Gesetzgeber dringend nachbessern. Ermittlungen gegen Hawala-Banker seien zudem extrem personalintensiv, vergleichbar mit der Arbeitsleistung eines „Call-Centers“.
Die Kripo müsse sich über dieses Geldwäsche-System hinaus mit den Staatsanwaltschaften über bessere Antworten auf Straftaten einigen, die von kriminellen Großfamilien begangen werden. Ein Vorbild dafür sei der Kampf gegen die Mafia in Italien.
Die aktuellen Pläne der Bundesregierung, den Kampf gegen illegale Geldflüsse zu intensivieren, hält der BdK für „gänzlich untauglich. Es soll zwar eine neue Behörde gegen Vermögensverschleierung gegründet werden, dieses Amt hätte aber so gut wie keine Handlungsspielräume, wenn es bei dem derzeit verfolgten Konzept bleibe.
Abschiebung unmöglich?
Ist es möglich, Angehörige krimineller Großfamilien ins Ausland abzuschieben oder die Einreise solcher Personen durch mehr Grenzkontrollen zu erschweren? Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) ist da skeptisch. „Der Vorschlag der AfD, Angehörige von Großfamilien einzeln oder im Verbund mit Angehörigen abschieben zu wollen, wird aktuell scheitern“, schreibt DPolG-Vize-Bundesvorsitzender Manuel Ostermann in seiner „Clan“-Stellungnahme für den Innenausschuss.
„Einerseits besitzen zahlreiche Familienmitglieder seit langem die deutsche Staatsbürgerschaft und können gar nicht abgeschoben werden. Andererseits dauern Abschiebungsverfahren selbst dort, wo sie möglich sind, sehr lange, sind kompliziert, kostspielig und können leicht umlaufen werden.“
Vor mehreren Jahren sei versucht worden, das Oberhaupt einer Großfamilie in den Libanon abzuschieben. 15 Wochen später sei er als Asylbewerber wieder bei seiner Familie in Deutschland gewesen.
Ein weiterer Vorschlag der AfD – Grenzkontrollen auch durch NRW-Polizisten – laufe komplett ins Leere. Das sei rechtlich unmöglich und personell nicht zu leisten, so die Gewerkschaft.
Ähnliche Vorwürfe machte in der vergangenen Woche NRW-Justizminister Benjamin Limbach dem Bund. „Deutschland macht seine Hausaufgaben nicht“ sagt Limbach dem „Spiegel“. Er fordert ein schärferes Gesetz gegen „Hawala-Banking“.
NRW-Justizminister Limbach: „Das Geld bleibt einfach bei den Schattenbanken liegen“
Laut dem NRW-Justizministerium könnten Ermittler derzeit bei überführten „Hawaladaren“ nur die Provisionen einzuziehen, nicht aber das eingezahlte Bargeld. „Das Geld, das durch solche Strukturen bewegt wird, bleibt einfach bei den Schattenbankern liegen“, sagte Limbach dem Nachrichtenmagazin. „Die Beißhemmung des Staates ist hier groß, obwohl es dafür keinen vernünftigen Grund gibt: Wer in Deutschland in Juwelierläden oder Hinterstuben Geld einzahlt, das Vertrauensleute im Ausland dann per Zuruf oder SMS auszahlen, will die Aufsicht und die Kontrollen des Staates bewusst umgehen.“
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