Hagen. Mit Hilfe der ermittelten Daten der Firma Toll Collect will sich die Politik ein objektiveres Bild der Lkw-Bewegungen in Hagen machen.

Die Politik in Hagen sieht angesichts der zunehmenden Lkw-Verkehre in der Innenstadt parteiübergreifend seit Jahren dringenden Handlungsbedarf, die Fachverwaltung schätzt die Situation derweil eher undramatisch ein: Wenn es um die Schleichfahrten auswärtiger Lastzüge zwischen den Autobahnanschlüssen quer durch die Hagener Innenstadt geht, klaffen die gefühlte und die gemessene Wahrheit meilenweit auseinander. Um etwas mehr Objektivität in das Thema zu bekommen, hat die SPD-Ratsfraktion für die nächste Sitzung des Ausschusses für Umwelt-, Klimaschutz und Mobilität den konkreten Antrag auf den Weg gebracht, anhand der erfassten Daten der Firma Toll Collect den tatsächlichen Lkw-Strömen im Stadtgebiet objektiv auf die Spur zu kommen.

Das in Berlin ansässige öffentliche Unternehmen betreibt im Auftrag des Bundes seit Jahren ein System, das die Lkw-Maut auf deutschen Autobahnen ermittelt. Dabei sind auch zahlreiche Messpunkte im Stadtgebiet entlang der B7 sowie der B54 platziert, um anhand jeder einzelnen Lkw-Durchfahrung die Maut exakt anhand der tatsächlichen Nutzung berechnen zu können. „Diese Informationen sind seitens der Stadt in anonymisierter Form von Toll Collect für mehrere Monate anzufordern“, erwartet Werner König, SPD-Ratsherr im Rathaus, hier konsequentes Handeln. „Denn daraus lässt sich ableiten, ob und in welchem Umfang tatsächlich Querungsverkehre von Lkw in Hagen stattfinden.“

Abkürzung zwischen A1 und A45/46

Denn der Eindruck der Politik und der Bürger ist schon seit Jahren, dass auswärtige Lastzüge zu Hunderten quer durch die Stadt kreuzen und somit die Straßen, die Luft und die Nervenkostüme der übrigen Verkehrsteilnehmer sowie der Anwohner überstrapazieren. Offenkundig nutzen die Lkw-Flotten ungezählter Spediteure aus der gesamten Republik die Stadt Hagen als Abkürzungsstrecke, um zwischen den A1-Anschlussstellen Haspe (Volmarstein) und West (Vorhalle) den kürzesten Weg in Richtung A45/46 einzuschlagen. Zwar ist das angesichts des Kraftstoff-Mehrverbrauchs keineswegs immer attraktiv, den 12-Kilometer-Schlenker über das Westhofener Kreuz abzuzwacken. Doch die häufigen Staus – erst recht, wenn dort in den nächsten Jahren der mehrspurige Ausbau beginnt und eine zermürbende Baustellensituation droht – verleiten dann doch manchen Lkw-Fahrer, assistiert durch sein Navigationssystem, zur Abkürzung quer durch Hagen.

Die Erfassungssysteme der Firma Toll Collect sollen eine bessere Datenbasis für die tatsächlichen Lkw-Bewegungen quer durch die Hagener Innenstadt liefern.
Die Erfassungssysteme der Firma Toll Collect sollen eine bessere Datenbasis für die tatsächlichen Lkw-Bewegungen quer durch die Hagener Innenstadt liefern. © dpa | Patrick Pleul

Zuletzt forderte Hagen-Aktiv-Sprecher Michael Gronwald mit Blick auf die Lebensqualität der Menschen die Stadtverwaltung auf, konkrete Gespräche mit der Bezirksregierung in Arnsberg aufzunehmen, um bereits an den Autobahnen für die Lkw-Piloten Durchfahrtsverbotsschilder zu montieren. Ähnliche Beispiele gibt es in anderen Ruhrgebietsstädten bereits. Eine Rückmeldung steht bislang aus.

Politik macht eigene Messungen

Bereits vor drei Jahren hatte sich eine Gruppe um den damaligen CDU-Ratsherren Martin Erlmann intensiv mit den Lkw-Abkürzungen durch Hagen beschäftigt und in mehreren Zählungen die Verkehrsbewegungen zwischen Vorhalle und dem Autobahnzubringer in der Innenstadt dokumentiert. Damals, so hielten die engagierten Mandatsträger akribisch fest, pendelten allein an einem Freitagmorgen zwischen 6 und 9 Uhr 150 Schwerlaster über den Boeler Ring zwischen A1 und A45/46. „Jeder einzelne dieser Laster hinterlässt gravierende Spuren in Hagen – das muss ein Ende haben“, formulierte Erlmann seinerzeit die prompte politische Forderung.

Wo fließt die Maut hin?

Mit ihrem Beschlussvorschlag möchten die Genossen parallel noch herausfinden, welche Beträge die Stadt Hagen in den letzten drei Jahren an anteiliger Maut für Lkw-Verkehre durch Hagen erhalten hat, wofür diese ausgegeben wurden und ob in dem Topf noch Gelder übrig sind.Grundsätzlich gilt: Die erhaltene Maut ist zweckgebunden für die Unterhaltung der Bundesfernstraßen einzusetzen.

Doch die Verwaltung hegte damals Zweifel an der Ermittlungsmethodik der Lokalpolitiker und beauftragte zuletzt eine offizielle Lkw-Verfolgungszählung durch ein Ingenieurbüro. Die Profis kamen bei ihren Messungen an zwei aufeinanderfolgenden Dienstagen letztlich zu dem Ergebnis, dass lediglich zwischen den Anschlussstellen Hagen-West und Hagen-Mitte „ein signifikanter Abkürzungsverkehr ermittelt werden“ konnte und rechneten für einen normalen Werktag insgesamt lediglich 200 Lkw für beide Fahrtrichtungen hoch.

Über den Boeler Ring leiten

Diese würden sich vorzugsweise auf der Route Herdecker Straße – Schwerter Straße – Hagener Straße – Feithstraße bewegen oder über die Herdecker Straße – B54 – Emilienplatz – Heinitzstraße zum Autobahnzubringer rollen. Vor diesem Hintergrund empfahlen die Experten, mit entsprechender Beschilderung die Abkürzer vorzugsweise über den Boeler Ring zu lotsen, damit die Innenstadt von diesen Strömen verschont und die Luftqualität dort nicht noch weiter verschlechtert werde. Alle weiteren Bewegungen zwischen anderen Abfahrten, so das Fachbüro, seien gering und somit wenig relevant.

Eine Einschätzung, die so gar nicht zur gefühlten Wahrnehmung der Politik und der Bürger passen mag. Vor diesem Hintergrund könnte der Toll-Collect-Vorstoß das Gesamtbild mit weiteren Fakten und Zahlen unterfüttern und somit noch ein wenig objektivieren.