Menden. Das Angebot steht, de Kunden kommen nur zögerlich. Traditionsbetrieb Tanzschule Grewe leidet unter den Auswirkungen der Pandemie.
„Entweder man macht diesen Job mit Leib und Seele oder macht man ihn einfach nicht.“ Es ist die Liebe zum Tanz und die Freude am Unterrichten, die Karl Grewe auch in schweren Zeiten Kraft gibt. Der 64-Jährige betreibt in dritter Generation die Tanzschule Grewe in Menden und gibt sein Bestes, um möglichst gut durch die Corona-Pandemie zu kommen. Doch die zwei Jahren haben Spuren hinterlassen. Im Interview mit der Westfalenpost erzählt der Unternehmer von seiner Leidenschaft, den Vorlieben der Mendener und den Konsequenzen der Krise für seinen Betrieb.
Tanzkurse waren früher sehr beliebt und gehörten bereits im Jugendalter praktisch dazu. Das hat sich geändert. Wie schafft man es, Menschen fürs Tanzen zu begeistern, speziell die junge Generation?
Grewe: Tja, man kann nur empfehlen, es mal selbst auszuprobieren und selbst zu urteilen. Die Meisten, die vorher große Vorbehalte hatten, sind hinterher anderer Meinung und sehen im Tanzen doch etwas Positives. Mal ist es mehr in Mode, mal weniger. Jede Jugendgeneration muss sich selbst finden und entdecken. Man kann den Jugendlichen eigentlich nur ein Angebot machen und anbieten es auszuprobieren. Ich sage mal: Diejenigen, die in jungen Jahren einen Tanzkurs gemacht haben, haben später eigentlich immer festgestellt, dass es etwas gebracht hat. Es gibt immer Situationen im Leben, wo man einen Vorteil hat, wenn man über ein paar mehr Fähigkeiten verfügt als andere.
Es gibt das Vorurteil: Tanzen ist gar kein richtiger Sport. Was würden Sie Menschen entgegnen?
Sie haben Recht. Tanzen ist kein Sport, es ist eine Kunst, es ist Kultur. Tanzen hat mit dem Grundbedürfnis des Menschen zu tun, Musik, die man hört und empfindet, in Bewegung umzusetzen. Jede Bewegung zu Musik ist irgendwo Tanz – das hat mit Sport prinzipiell erstmal gar nichts zu tun. Natürlich kann man beim Tanzen eine körperliche Belastung erreichen und auch von Leistungssport sprechen. Mein Ding ist aber eher: Ich nehme die Musik, einfache Bewegungen, einen Partner oder eine Partnerin und dann ist die Freude, die dabei rauskommt, das, was so Spaß macht. Ich gehe eigentlich gar nicht arbeiten, ich gehe einer meiner Lieblingsbeschäftigungen nach.
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Dann haben Sie Ihren Traumjob gefunden.
Ja, das ist richtig. Das kam familienbedingt durch Zufall. Ich bin ja schon die dritte Tanzlehrergeneration Karl Grewe. Damals war es fast selbstverständlich, dass der Nachwuchs den Betrieb übernimmt.
Wann haben Sie angefangen zu tanzen?
Meinen ersten Tanzkurs habe ich mit 14 Jahren gemacht.
Kann denn jeder Tanzen lernen?
Wer sich von dem einen Fuß auf den anderen bewegen kann, der kann auch tanzen. Ob er das eleganter macht, als der ein oder andere – diese Unterschiede gibt es immer, ist doch klar. Wenn Männer bei mir anrufen, sagen sie oft „Haben Sie auch einen Kurs für absolute Bewegungslegastheniker?“ und dann muss ich immer lachen. Es kommt so häufig vor, dass Männer sagen, dass sie es nicht lernen können. Und dann kommen sie in den Kurs und bewegen sich ganz normal und es klappt problemlos.
Funktioniert das Lernen in jedem Alter?
Na klar, überhaupt kein Problem. Ich kann mich in meiner ganzen Laufbahn nur an ein oder zwei Paare erinnern, wo ich dachte: Ja, für euch ist das nun wirklich nichts. Das kommt vor, aber das ist sowas von selten.
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Wo liegt bei Ihnen der Fokus in der Tanzschule?
Das ist der Paartanz bei Erwachsenen. Vor der Pandemie haben wir auch Singlekurse angeboten, aber das geht aktuell nicht.
Haben die Mendener einen Lieblingstanz?
Das kann man so nicht sagen.
Ich hätte aufgrund des Schützenwesens auf Discofox getippt.
Das ist der Tanz, den auch diejenigen tanzen können, die gar nicht tanzen können. Die gehen ab auf der Tanzfläche. Es gibt nur drei Grundregeln und dann kann man Discofox, wenn man sich daran hält. Erstens: Der Herr beginnt mit dem linken Fuß und die Dame mit dem rechten Fuß. Zweite Regel: Zwei Schritte mit Gewicht und einer ohne. Und drittens: Einer führt, einer folgt. Deswegen ist es auch der Praxistanz Nummer eins in Deutschland.
Die Corona-Pandemie hat Sie auch getroffen. Welche Auswirkungen spüren Sie?
Die Tanzschule war zweimal über längere Zeiträume geschlossen. Gerade über den zweiten Lockdown haben sehr viele Paare den Kontakt zum Tanzen verloren. Auch die natürliche Fluktuation war da. Aber im Lockdown konnten auch keine Neuen nachgekommen.
Haben die Menschen Angst? Spüren Sie eine gewisse Zurückhaltung?
Die Paare sind alle zwei oder dreifach geimpft und verhalten sich vernünftig. Beim Kurswechsel gilt es eine Maske zu tragen, beim Kurs ist das nicht nötig. Man tanzt elegant an den anderen Paaren vorbei – das war schon immer so. Deshalb herrscht bei mir auch großes Unverständnis dafür, dass Tanzen laut den Behörden eine der Hauptursachen für die Pandemie sein soll. Tanzen im Club ist etwas anderes, als in der Tanzschule. Als wir pauschal geschlossen wurden, war ich deshalb stinksauer. Es ging gar nichts mehr.
Ist es schwierig die Regeln umzusetzen?
Die Verordnungen ändern sich ja quasi von Woche zu Woche. Manchmal habe ich mich mehr wie ein Jurist gefühlt, als wie ein Tanzlehrer. Das Wort „Tanzschule“ kommt in der Verordnung in NRW genau 0 Mal vor. Wir haben Hygienekonzepte entwickelt, bauliche Veränderungen vorgenommen, haben eine Lüftungsanlage: Wir haben alles getan.
Schreckt die 2GPlus-Regel ab?
2G Plus war bisher kein Problem.
Aber vielleicht wird diese Regel ja schon bald auch wieder geändert.
Wir sind gespannt; die aktuellen Regeln gelten nur bis zum 12. Januar. Heute weiß keiner, was die nächste Verordnung vorschreiben wird. Die Politik ist in ihrer Kommunikation leider nicht gut.
Kunden haben gekündigt, Neukunden kommen nur verhalten. Können Sie unter diesen Bedingungen noch lange durchhalten?
Gut geschlafen habe ich in den Lockdown-Zeiten nicht. Die wirtschaftlichen Hilfen sind so bemessen, dass man sich über Wasser halten kann. Über viele Jahre ist das sicherlich nicht möglich.
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Nehmen wir an, die Pandemie sei vorbei. Was möchten Sie zuerst machen?
Ich würde gerne wieder Veranstaltungen durchführen ohne große Beschränkungen...mit allen zusammen. Aktuell geht das nur mit deutlich weniger Teilnehmern unter Einhaltung der Regeln.
Haben Sie besondere Pläne für die kommenden Wochen?
Wir veranstalten regelmäßig Traditionsveranstaltungen. Am 30. Januar steht unsere Waffelparty an – die würde ich gerne feiern. Meine Frau ist eine begabte Waffelbäckerin. Vielleicht werden wir nur ein gastronomisches Angebot machen, normalerweise wäre dann auch die Tanzfläche geöffnet. Mal sehen, welche Regeln dann gelten.