Kreis Olpe. Unternehmen der Region sind gravierend betroffen. Ohm & Häner rechnen mit Stornierung eines Großauftrags für russischen Hochgeschwindigkeitszug.

Die von Deutschland und der EU verhängten Wirtschafts- und Finanzsanktionen gegen Russland, das seit vergangener Woche Krieg gegen sein Nachbarland Ukraine führt, sind mitten im Kreis Olpe angekommen. Dr. Ludger Ohm (Ohm & Häner) bestätigte am Dienstag, mit der Stornierung eines Großauftrags zu rechnen: „Wir rechnen stündlich damit, dass das gestoppt wird.“ Der Großauftrag mit einem Volumen von rund 3,5 Millionen Euro für den Hochgeschwindigkeitszug Velaro RUS der russischen Staatsbahn sei erst zur Hälfte abgewickelt und bezahlt, was mit der anderen Hälfte geschehe, sei ungewiss. Vertragspartner sei zwar Siemens, aber der Konzern könne sich in diesem Fall auf Höhere Gewalt berufen: „Wir fertigen in unseren Werken die Drehteile für 12 Züge mit jeweils 10 Wagen, zwei Drehteile pro Wagen, insgesamt rund 240 Stück.“

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Die Teile würden in Graz (Österreich) bearbeitet und in Krefeld von Siemens in die Züge montiert. Der Ausfall sei zwar immens, aber momentan laufe das Gesamtgeschäft sehr gut: „Wir haben noch sehr viel Arbeit. Dennoch ist die Gesamtsituation sehr beunruhigend."

Mubea handelt konsequent

Mit sofortiger Wirkung hat unterdessen der Attendorner Automobilzulieferer Mubea sämtliche Lieferbeziehungen mit seinen Kunden in Russland gestoppt. „Alle Aktivitäten in Russland haben wir angehalten, das gilt auch für unser Handelsgeschäft“, erklärt Andrea Holstein, Pressesprecherin von Mubea, das eine kleine Handelsniederlassung mit vier Mitarbeitern in Togliatti an der Wolga unterhält. Eine vollständige Schließung dieser Niederlassung sei derzeit zwar nicht vorgesehen, „weitere Maßnahmen behalten wir uns jedoch vor“, so Holstein. Im Übrigen hätte das Mubea-Quartett aus Russland seine Bereitschaft signalisiert, dem Attendorner Automobilzulieferer die vollste Unterstützung „in diesen schwierigen Zeiten“ zu geben.

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Auch die gemeinsame Handels- und Montage-Niederlassung der Elektrotechnikunternehmen Hensel (Lennestadt) und Mennekes (Kirchhundem) in St. Petersburg ist aktuell in den Ruhemodus versetzt worden. Felix G. Hensel: „Wir haben 23 Mitarbeiter vor Ort. Und am Montag hat eine Videokonferenz stattgefunden, auch mit allen Verantwortlichen in Russland. Dort wurde darüber informiert, dass unsere Unternehmen keine Lieferungen vornehmen können und es auch keine Bezahlung gibt. Der Geschäftsbetrieb wird deshalb absehbar ruhen. Das hat bei den Mitarbeitern, die bereits durch den Kriegsausbruch schockiert waren, große Betroffenheit ausgelöst.“

Relevant betroffen

Jens Brill, Außenwirtschafts-Experte der IHK Siegen/Olpe konnte die Beispiele aus dem Kreis Olpe auf Anfrage unserer Redaktion mit zahlreichen Fakten für den IHK-Bezirk untermauern: „Die Wirtschaft in unserem Kammerbezirk ist durchaus relevant betroffen. 56 Unternehmen aus unserer Region stehen in Exportbeziehungen zur Ukraine, elf im Importgeschäft, zwei Firmen haben dort Niederlassungen.“ Die Verbindungen zu Russland seien erwartungsgemäß deutlich umfangreicher: „176 Unternehmen unterhalten Export zu Russland, 19 Import, zwei Unternehmen haben in Russland eigene Produktionsstätten, 12 Niederlassungen in der Russischen Föderation.“

Russische Großbanken gesperrt

SWIFT: Die Abkürzung steht für Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication. Die Gesellschaft wird von rund 11.000 Banken, Börsen und anderen Finanzdienstleistern weltweit als Zahlungs-Netzwerk genutzt, weil die in Belgien ansässige Organisation über ein äußerst sicheres Telekommunikationsnetz verfügt.Dieter Kohlmeier, Sparkassenchef aus Olpe (Sparkasse Olpe-Drolshagen-Wenden): „Wir haben am Freitag die Nachricht über das Moratorium erhalten, dass auf mehrere russische Großbanken keine Zahlungen mehr überwiesen werden können.“ Eingestellt werde auch der Zahlungsverkehr mit Rubel. Wer hierzulande ein Konto mit der russischen Währung besitze und damit in irgendeiner Form handeln wolle, könne das nicht mehr. Das gelte auch für Devisentermingeschäfte.

Die negativen Rückmeldungen, so Brill weiter, hätten nach Ausbruch des Krieges nicht lange auf sich warten lassen: „Aus den Unternehmen kam schon Ende der vergangenen Woche die Nachricht, dass geplante Exporte Richtung Russland stillstehen.“ Im Zuge der Sanktionen des EU-Rates sei ein Einfuhrverbot für sämtliche Waren aus den nicht von der Regierung kontrollierten Gebieten, namentlich aus den Regionen Donezk und Luhansk verhängt worden.

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Unter anderem bestehe ein Dienstleistungsverbot für die Sektoren Tourismus, Verkehr, Telekommunikation und Energie. Brill: „Die EU verschärft ihre Sanktionen in den letzten Tagen fortwährend.“ Gerade der Finanzsektor sei im Visier: „Einige wichtige russische Banken wurden am Sonntag vom SWIFT-System abgekoppelt. 70 Prozent des russischen Bankenmarktes und wichtige staatliche Unternehmen – namentlich im Verteidigungsbereich – werden von den wichtigsten Kapitalmärkten des Westens abgeschnitten.“ Ausnahme: Rohstoffgeschäfte. Hier sei der Zahlungsverkehr beispielsweise für Gas noch erlaubt. Brill: „Man versucht, Russland empfindlich von allem abzunabeln, nur dort, wo Europa profitiert, sollen die Geldströme noch ermöglicht werden.“

Warnung vor Cyberattacken

Aber: „Exportverbote sollen es Russland unmöglich machen, seine Ölraffinerien zu modernisieren. Der Verkauf von Flugzeugen und Ausrüstung an russische Fluggesellschaften wird verboten, um den Transportsektor zu schwächen. Der Zugang Russlands zu wichtigen Technologien wie Halbleitern oder modernster Software wird beschränkt.“ Brill warnt die heimischen Unternehmen: „Es muss befürchtet werden, dass Russland seine Fähigkeiten zu Cyberattacken nutzen könnte, um für die Sanktionen Vergeltung zu üben. Demzufolge bitten wir die Unternehmen,sich ernstlich gegen Notfälle durch IT-Angriffe zu wappnen.“