Hagen. Jens Schilling kämpft für die Einführung der App „Mobile Retter“ in Hagen. Warum das System viele Menschenleben retten kann.
Mit einer App, die professionelle Ersthelfer binnen weniger Sekunden über einen Notfall in ihrer Nähe informieren kann, könnte das Rettungs- und Notfallwesen in Hagen ergänzt und weiter optimiert werden. Einen Vorstoß hat der Hagener Jens Schilling, der schon vor Jahren im Ehrenamt das Projekt „Laienreanimation kann jeder“ aus der Taufe gehoben und unzählige Menschen in Hagen und Umgebung geschult hat, schon vor mehr als einem Jahr unternommen. Getan hat sich bislang allerdings wenig.
„Im Grunde ist das ein weiterer Baustein, um die Hilfsfristen weiter zu drücken“, sagt Jens Schilling, „in einem akuten Notfall können Sekunden über Leben und Tod entscheiden. Eine App passt in das Konzept, das ja bisher beispielsweise die Reanimation durch Laien und Defibrillatoren in Sporthallen umfasst.“
Alarmierung per App auf dem Smartphone
Per App – so die Vorstellung – können über das eigene Smartphone professionelle Ersthelfer alarmiert werden, die sich zufällig in der Nähe eines Ortes aufhalten, an dem ein Notfall aufgetreten ist. „Die Einsatzkriterien sind eng und strikt gefasst“, verweist Jens Schilling auf Systemanbieter, die sich bereits etabliert haben. „Nicht jeder, der einmal an einem Erste-Hilfe-Lehrgang teilgenommen hat, kann sich per App registrieren. Als Ersthelfer vor Ort ist man in der Regel eine gewisse Zeit auf sich allein gestellt. Das erfordert Erfahrung.“
Diese Apps, die wiederum direkt an Leitstellen angebunden sind, sind Menschen vorbehalten, die im medizinischen Bereich, bei der Feuerwehr oder im Rettungsdienst arbeiten oder sich ehrenamtlich engagieren. „Mobile Retter“ heißt die größte Gemeinschaft von potenziellen Rettern, die sich etabliert hat und beispielsweise in Unna, Essen und Mülheim genutzt wird. „Fachgesellschaften wie der Deutsche Rat für Wiederbelebung unterstützen solche Anwendungen“, sagt Schilling, der von 70.000 Menschen bundesweit spricht, die pro Jahr außerhalb einer Klinik an einem Herz-Kreislauf-Stillstand erleiden. Nur zehn Prozent überleben. „Viele Menschen könnten gerettet werden, wenn denn nur schnell genug Helfer vor Ort wären.“
Zeiten bis zum Eintreffen werden verkürzt
In Essen sind 504 mobile Retter aktiv
Am Beispiel Essen wird deutlich, welche Effekte eine Einführung der App „Mobile Retter“ haben kann.Der Betreiber listet für einen Bereich, in dem mehr als 580.000 Einwohner leben, von Einführung am 9. Oktober 2019 bis zum 31. Dezember 2021 insgesamt 473 Alarmierungen auf.Tatsächlich absolviert worden sind in diesem Zeitraum 76 Einsätze.Die Zeit, die im Schnitt bis zum Eintreffen der mobilen Retter vergangen ist, liegt bei 3:10 Minuten.Insgesamt sind in Essen 504 Retter registriert.
Denn: Laut „Mobile Retter“ braucht der Rettungsdienst im Schnitt neun Minuten, bis er am Einsatzort eintrifft. Die per App alarmierten Profis hingegen seien in viereinhalb Minuten vor Ort. Zwei bis drei Prozent der Bevölkerung verfügten über die notwendige Qualifikation als qualifizierte Ersthelfer – Rettungsdienstler, Ärzte, Feuerwehrleute, Betriebssanitäter, Arzthelfer, Pfleger.
+++ Lesen Sie auch: Rettungsdienstschule – 326.000 Euro fehlen in der Kasse +++
Also hat Jens Schilling vor mehr als einem Jahr die im Rat der Stadt Hagen vertretenen Fraktionen angeschrieben. Die CDU hat den Vorstoß schließlich in einen Antrag verwandelt, der einstimmig auf den Weg gebracht wurde. „Die Verwaltung wird beauftragt, die Einführung des Systems ,Mobile Retter’ in Hagen zu prüfen und dem Rat einen Vorschlag zur zügigen Umsetzung zu unterbreiten“ – heißt es da.
Vorstoß vor mehr als einem Jahr
Unter „zügig“ zumindest versteht Jens Schilling etwas anderes. Denn seit der Rat Mitte April 2021 den Antrag auf den Weg gebracht hat, hat er nichts wieder von dem Projekt und der Umsetzung in Hagen gehört. „Ich weiß ja auch, dass sich aufgrund von Corona und des Hochwassers Prioritäten verschoben haben. Aber letztlich geht es um Menschenleben und darum, die Versorgung von Patienten zu verbessern“, sagt Schilling, der von Kosten von 10 bis 20 Cent pro Jahr pro Einwohner ausgeht, „ich habe alle drei bis vier Monate nachgehakt. Aber Konkretes erfahren habe ich nicht.“
Immerhin: Die Feuerwehr befasst sich zur Zeit mit dem Vorstoß und soll bis Ende Mai Stellung nehmen. „Ich bin dankbar für jeden guten Vorschlag und unterstütze ihn, wenn seine Umsetzung sinnvoll und gut für unsere Stadt ist“, erklärt der zuständige Dezernent Sebastian Arlt.