Hagen. Der falsche Arzt aus dem Impfzentrum Hagen steht vor Gericht. Jetzt kommt heraus: Der Hochstapler hat dafür richtig abkassiert.

Der falsche Doktor (31) beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) und bei der Stadt Hagen: Er war ein wahrer Meister der Täuschung. Im kollegialen Austausch unter den Ärzten konnte er stets gut mithalten. Als „nett, offen zugewandt und hilfsbereit“ wird er beschrieben. Und gelobt: „Er war voller Energie und nie jemand, der sich gedrückt hat.“

Im Prozess gegen den Hochstapler aus dem Corona-Impfzentrum musste jetzt die Leiterin des Gesundheitsamtes, Dr. Anjali Scholten (46), in den Zeugenstand. Der falsche Doktor hatte in ihrer Behörde im Rathaus 2 am Hauptbahnhof nicht nur sein eigenes Dienstzimmer, mit einem Schild, auf dem vor seinem Namen auch groß der Doktortitel stand. Er verfügte dort auch über einen städtischen Telefonanschluss und eine städtische E-Mail-Adresse.

Stundensatz lag zwischen 140 und 210 Euro

Nach außen hin sollte er als offizieller Mitarbeiter der Stadt auftreten, obwohl er dort gar nicht angestellt, sondern lediglich vom DRK gegen Rechnung „ausgeliehen“ worden war. Zu einem üppigen Stundensatz von zunächst 140, später 180 und zuletzt sogar 210 Euro. Sein Honorar summierte sich in eineinhalb Jahren auf knapp 272.000 Euro.

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Zu den Vergütungsvereinbarungen könne sie nichts sagen, damit hätte sie nichts zu tun gehabt, erklärt die Amtsleiterin. „Die Stadt wollte unbedingt, dass ein Arzt mit 39 Wochenstunden zu uns kommt“, merkt Frau Dr. Scholten noch selbstkritisch an, „eine Krankenschwester hätte es vielleicht auch getan.“

Stadt verlangte keine Urkunde

Richter Christian Hoppe bohrt nach: Warum denn der angebliche Mediziner vor seinem Einzug ins Gesundheitsamt nichts vorlegen musste und auch das Personalamt keinerlei Unterlagen verlangte? „Wenn die Stadt die Einstellungsbehörde ist“, so die Zeugin, „dann läuft das anders. Dann muss man ein Führungszeugnis beibringen, auch die Approbationsurkunde und alle Unterlagen. Aber bei ihm war das nicht nötig: Er kam ja über das DRK zu uns.“

Der Arzt, der gar keiner war, hätte sich regelrecht darum gerissen, Totenscheine überprüfen zu dürfen. „Aber nur auf Richtigkeit und Plausibilität“, schränkt Dr. Anjali Scholten ein, „das war keine inhaltlich-medizinische Kontrolle, lediglich eine formelle.“

Falscher Mediziner erbringt ärztliche Leistung

Doch in mindestens einem Fall hätte der falsche Mediziner tatsächlich eine ärztliche Leistung erbracht und für die Bezirksregierung Düsseldorf ein psychiatrisches Gutachten erstellt. Es ging um die Eignung einer Lehramtsanwärterin, die als Lehrerin eingestellt werden sollte. Der selbsternannte „Facharzt für Psychiatrie“ bescheinigte als „Sachverständiger“ der Pädagogin, sie sei „orientiert und wach“ – und niemand bemerkte, dass hier ein wahrer Amateur und kein Profi am Werk war.

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„Das“, so zeigte sich die Leiterin des Gesundheitsamtes vor Gericht überzeugt, „hätte aber auch ein echter Arzt so schreiben können. Nicht umsonst gibt es ganz viele Hochstapler im psychiatrischen Bereich. Wenn Sie gut fabulieren können, fällt das gar nicht auf. In der Psychiatrie können Sie auch einfach nur schwafeln.“