Hachen. In Sundern findet einmal im Jahr ein Wochenend-Seminar für Familien mit hochbegabten Kindern statt. Lernen, wie man mit inneren Konflikten umgeht.
Eifrig schnitzt Henry mit dem kleinen Kindermesser an dem Zweig. „Das wird ein Zauberstab, wie bei Harry Potter“, erklärt der Fünfjährige. Henry wohnt in Dortmund und ist für ein Wochenende ins Sauerland gekommen, genauer gesagt nach Hachen. Zusammen mit seiner Mutter Madeline nimmt er an einem Wochenendseminar für hochbegabte Kinder im Tagungszentrum des Landessportbunds teil. Insgesamt 53 Eltern und Kinder sind mit am Start.
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Organisiert wird das dreitägige Seminar, das seit mehr als 20 Jahren mittlerweile existiert, von der VHS Arnsberg/Sundern. Die Deutschen Gesellschaft für das hochbegabte Kind (DGhK Rhein-Ruhr) fördert das Angebot. Annika Menne hat einst selbst als Kind an den Veranstaltungen teilgenommen. Nun ist die junge Frau gemeinsam mit Ehemann Marc extra aus München ins Sauerland gekommen. „Ich habe mich im Vorfeld um die Organisation des Seminars gekümmert. Dazu gehört auch das Vorbereiten von speziellen Angeboten für Kinder und Eltern, der Kontakt mit Dozenten und administrative Dinge. Wenn das Seminar startet, bin ich dann eher im Hintergrund aktiv“, erklärt die junge Frau, die bei der Bundeswehr tätig ist.

Annika Menne wurde selbst in jungen Jahren als hochbegabt eingeschätzt. „In der Schule bin ich angeeckt, wurde als Streberin gehänselt und das nur, weil ich eben gerne gelernt habe.“ Jedes Kind gehe mit dem Thema Hochbegabung anders um, berichtet Menne. Jungs würden in der Regel Probleme mit der Konzentration im Unterricht haben, Mädchen dagegen seien stiller, verschlossener, zurückgezogener. „Hochbegabung bedeutet, dass man sich über andere Dinge als das bei Kinder in der Regel üblich ist, Gedanken macht.“ Das Wochenende in Hachen sei auch für Eltern von hochbegabten Kindern sehr wichtig, da sie sich in Gesprächsangeboten mit anderen Eltern austauschen können. „Das gibt Sicherheit, weil man verstanden wird. Schließlich haben alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer vergleichbare Situationen erlebt“, berichtet Annika Menne.
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Übernommen hat sie die Organisation des Wochenendseminars von ihrer Mutter Barbara Teeke. Die Diplom-Sozialpädagogin gibt Seminare für pädagogische Fachkräfte mit dem Schwerpunkt Kindergarten. „Viele wissen gar nicht, dass Kinder mit Begabung nicht erst in der Schule erkannt und gefördert werden sollten. Man sollte viel früher ansetzen und das bereits in der Kita thematisieren.“ Teeke hat selbst in einem Kindergarten gearbeitet. „Da sind mir Kinder aufgefallen, die anders waren. Und dann bin ich diesem Phänomen nachgegangen und habe angefangen, mich intensiv mit dem Thema Hochbegabung auseinanderzusetzen.“

Barbara Teeke bedauere, dass dieser Bereich in der Erzieherausbildung keinen festen Bestandteil habe. Es sei wichtig, Kinder je nach Entwicklungsstand entsprechend zu fördern. In erster Linie gehe es darum, den Wunsch nach Wissen zu befriedigen. Oftmals seien die Kinder in bestimmten Bereichen ihren Altersgenossen weit voraus. „Das heißt aber nicht zwangsläufig, dass sie es einfacher in der Schule haben, als andere Kinder. Ganz im Gegenteil! Wenn die hochbegabten Kinder nicht gezielt gefördert werden, kann es sein, dass sie sich langweilen im Unterricht, die Lust verlieren und dann tatsächlich unkonzentriert sind. Das hat zur Folge, dass Lernlücken entstehen, obwohl das eigentlich gar nicht nötig wäre.“
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Bisweilen entstehe auch eine Art Neiddebatte, weil viele Menschen denken, dass es Hochbegabte leichter in der Schule und im Beruf haben. Dem widerspricht Barbara Teeke vehement. „Oft heißt es dann, die können doch eh alles und benötigen keine Aufmerksamkeit in der Schule, was nicht stimmt. In Deutschland herrscht noch immer die Denkweise, dass man eher Defizite aufarbeiten möchte, statt Stärken zu fördern. Das hat auch Auswirkungen auf hochbegabte Kinder in der Schule.“

Tochter Annika Menne hat ein Reihe von ehrenamtlichen Dozentinnen und Dozenten gefunden, die während der drei Seminartage den Kindern und Jugendlichen verschiedene Aktivitäten anbieten. Vom Brückenbau über Schachspielen bis hin zum Spracherwerb ist alles dabei. Außerdem werden Exkursionen unternommen. Dozentin Hong-Xia führt Interessierte in die Welt der chinesische Sprache. „Chinesisch ist eine sehr bildhafte Sprache“, erklärt die Dozentin der kleinen Gruppe von Interessierten. „Viele der Dozenten haben selbst als Kinder oder Jugendliche an diesem Seminar teilgenommen und geben heute als Erwachsene etwas zurück“, berichtet Annika Menne. Sie könnten sich in die Lebenswelt der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sehr gut reinversetzen - ein Vorteil für alle Beteiligten.
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Begeistert über das vielfältige Angebot ist Madeline, die Mutter von Henry. Während ihr Sohn mit der Soester Holzfreundin Brinja Steinweg die Zauberstäbe schnitzt, berichtet Madeline von ihrem Eindruck: „Es war das erste Mal hier in Hachen und es ist einfach toll. Ich habe sogar eine Freundin mit ihrem Kind getroffen, die ich lange nicht mehr gesehen hatte“, sagt Madeline. Speziell die Elterngespräche hätten der Grundschullehrerin aus Dortmund geholfen und Mut gemacht. „Man tauscht sich aus und sieht, dass man mit seinen Problemen nicht allein ist.“ Sohn Henry hätte in seinem Kindergarten öfters Probleme, was sich auch auf das Familienleben auswirke. „Nach den Erfahrungen hier im Seminar beginne ich, unser Bildungssystem kritischer zu sehen.“ Die Zeit in Hachen soll kein einmaliges Experiment bleiben. „Ich möchte mit Henry wieder hierhin komme, mich vernetzen mit anderen Eltern und ihm die Möglichkeit geben, sich auszuprobieren.
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