Voßwinkel. Die Dünschedes aus Voßwinkel wohnen im alten Pfarrhaus. Das historische Gebäude steht unter Denkmalschutz und stellt die Familie vor Herausforderungen.
„An das Knarzen der Holzbalken gewöhnt man sich irgendwann, aber am Anfang war das alles schon irgendwie ein bisschen unheimlich“, berichtet Christina Dünschede. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Daniel hat sie den alten Fachwerkbau exakt vor zwölf Jahren gekauft. „Wir haben uns das lange überlegt und im Freundes- und Bekanntenkreis gab es auch Bedenkenträger, aber letztlich haben wir uns dazu entschieden und es trotz aller Herausforderungen nicht bereut“, sagt die gebürtige Echthausenerin.
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Für Daniel Dünschede war die Kaufentscheidung auch eine Herzensangelegenheit im besten Sinne. „Ich bin in der Nachbarschaft aufgewachsen und von der Werkstatt konnte ich früher auf das alte Pfarrhaus schauen. Als dann die Chance bestand, das Haus zu erwerben, hat es mich gereizt“, berichtet der Schreiner. Mittlerweile befindet sich sein Handwerksbetrieb in Wickede (Ruhr). „Wenn man im Haus ist und es kommt Wind auf, hat man das Gefühl, das Haus dreht sich regelrecht mit.“
Bei den ersten Begehungen in dem alten Fachwerkbau haben die Dünschedes, die gemeinsam mit ihren Kindern Luise und Anton eingezogen sind, vor allem die Räumlichkeiten interessiert, die man zuvor nicht zu Gesicht bekam. Denn lediglich zwei Räume im vorderen Bereich des Pfarrhauses waren lange Zeit für Besucher einzusehen. Der restliche Teil des Bauwerks, das Mitte des 18. Jahrhunderts errichtet wurde, blieb der Öffentlichkeit verborgen.
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Tief in die Geschichte des Anwesens sind die Lokalhistoriker Michael Filthaut, Alex Paust und Michael Rademacher eingestiegen. Die drei Voßwinkler besuchten Archive, blätterten durch alte Urkunden und durchforsteten Akten, um mehr über die Keimzelle der Bebauung in Voßwinkel zu erfahren. „Die Ursprünge liegen schätzungsweise um 1100 herum. Hier befand sich der Pfarrhof, gegenüber ein Vorgängerbau der heutigen Kirche St. Urbanus. Zu dem Hof gehörten Scheunen, ein großer Garten und sogar ein Teich für Fische“, weiß Michael Filthaut.
Sammlung von Bauernhöfen
Damals habe es Voßwinkel in seiner heutigen Form nicht gegeben. „Es war bestenfalls eine Sammlung unterschiedlicher Bauernhöfe, wobei der Pfarrhof am besten dokumentiert ist“, so Michael Rademacher. „Das zweigeschossige Fachwerkhaus ist ein ortsbildprägendes Gebäude und wurde vom Westfälischen Amt für Denkmalschutz als hochrangiges Projekt von überregionaler Bedeutung eingestuft“, erklärt Alex Paust.
Der Pfarrhof war u.a. dazu gedacht, den Geistlichen im Ort zu versorgen. Angestellte sorgten für die Bewirtschaftung der großen Anlage. Im 15. Jahrhundert brannte das Pfarrhaus in den damaligen Kriegswirren erstmals ab, ein zweiter Brand ereignete sich 1749. „Der Pfarrer hat kurze Zeit später die damals ebenfalls abgebrannte Scheune als erstes wieder errichten lassen. Danach folgte das Pfarrhaus und zuletzt auch die Kirche, die damals ebenfalls Opfer der Flammen wurde“, berichtet Filthaut.
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Die Dünschedes interessieren sich sehr für die Forschungen der Heimathistoriker. „Das Haus lebt regelrecht“, empfindet Daniel Dünschede. Rund neun Monate habe damals der Umbau nach dem Kauf gedauert. „Weil das Gebäude unter Denkmalschutz steht, musste alles mit der Unteren Denkmalschutzbehörde abgestimmt werden. Da kann man nicht einfach Baumaterialien seiner Wahl verwenden. Da wird bis in das kleinste Detail vorgegeben, was man tun darf und was nicht“, so Dünschede. „Böden und Wände sind in einem solchen Fachwerkbau schief, das muss man beim Einbau der Möbel berücksichtigen. Einen Einbauschrank wie in einem modernen Neubau kann man hier im Grunde vergessen“, sagt der Schreiner.
Natürlich haben ihm seine handwerklichen Kenntnisse geholfen bei der Renovierung. Viel konnte er selber erledigen. „Aber bei Strom und Wasser beispielsweise und auch bei den Malerarbeitern musste ich mir Hilfe besorgen“, so Daniel Dünschede. Im Erdgeschoss wurden drei separate Räume durchgebrochen und zu einem größeren Raum verbunden, das ließ der Denkmalschutz zu. Der Einbau einer Fußbodenheizung war aufgrund der Denkmalschutzvorgaben ebenso tabu wie der Wunsch nach Photovoltaik auf dem Dach.
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Das Thema Energie in dem Gebäude ist sowieso sehr sensibel. „Die Dämmung der zum Teil lehmverputzten Wände ist eine andere als bei heutigen energetischen Gebäuden. Man muss definitiv mehr heizen“, sagt der Voßwinkler. Seine Frau Christina berichtet von Besuchern, die es im Herbst und Winter recht kühl in den Zimmern finden. „Wir haben uns mittlerweile daran gewöhnt“, so Christina Dünschede. Im Sommer dauere es länger, bis die Wärme in die Räume ziehe, umgekehrt dauere es dann auch länger, bis die Räume wieder abkühlen. Das sei im Grunde gesundes Wohnen.
Auch die Feuchtigkeit spielt in dem Bauwerk eine große Rolle. „Wir haben nach Monaten Lederwürfelbecher wiedergefunden, die schon eine leichte Schimmelschicht aufwiesen. Beim starken Anstieg der Energiekosten vor zwei Jahren musste ich echt schlucken. Das ist sicherlich der Nachteil eines solchen Hauses“, gibt der Handwerker zu. Dafür kann er sich gemeinsam mit seiner Familie am Anblick alter Eichenholzbalken in der Küche erfreuen. Und im Gewölbekeller soll irgendwann eine Bar entstehen. „Das wird die coolste Bar Voßwinkels“, sagt Daniel Dünschede lachend.
Mehr zur Geschichte des Fachwerkhauses
Einen ausführlichen Überblick über die Geschichte des Pfarr- und Bauernhofs Voßwinkel finden Geschichtsinteressierte im aktuellen Heft „Voßwinkeler Rückblicke“ - Beiträge zur Heimatgeschichte des Arbeitskreises Dorfgeschichte Voßwinkel. Auf insgesamt neun Seiten werden die Forschungsergebnisse von Michael Filthaut, Alex Paust und Michael Rademacher detailliert dokumentiert und mit vielen Hintergründen angereichert. Das Heft wird Mitgliedern des Arbeitskreises zugesendet. Außerdem kann das Heft in der Bäckerei Coerdt in Voßwinkel, im Neheimer Buchhandel und beim Ingenieur-Büro Rademacher ab sofort käuflich erworben werden.
„Natürlich hat man mit der Pflege der historischen Bausubstanz mehr Arbeit als bei anderen Häusern. Man muss es einfach lieben, sonst kann das auch schnell frustrieren“, gibt Christina Dünschede zu. Im Ort gibt es positive Resonanz auf die Pflege des historischen Hauses. „Von 1996 bis 2012 hat hier der letzte Pfarrer Kischkewitz gelebt. Danach hat man sich beim Zusammenschluss der Gemeinden zur Pfarrei St. Johannes Baptist dazu entschieden, das Haus zu verkaufen“, sagt Michael Filthaut. Die Familie Dünschede ergriff die Chance.
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