Arnsberg. Die bekannte Wissenschaftlerin Florence Gaub spricht in Arnsberg über Zukunftsstrategien und fordert bewussten Umgang mit Informationen in Medien.
„Im kommenden Jahr wird es zu Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland kommen. Beide Seiten haben die Wahlen in den USA abgewartet und werden 2025 das Gespräch suchen müssen.“ Ein leises Raunen geht durch das Sauerland-Theater in Arnsberg. Die Person, die diese Sätze sagt, ist Dr. Florence Gaub. Die 47-Jährige war auf Einladung der Volksbank Sauerland nach Arnsberg gekommen, um einen Vortrag zum Thema „Zukunft strategisch gestalten – Wie wir Unsicherheiten managen und neue Spielräume erschaffen können“ zu halten.
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Florence Gaub ist in München geboren und hat die deutsche und französische Staatsbürgerschaft. Gaub hat an der Universität Potsdam und am Institut d’études politiques in Paris unterrichtet. Die Zukunftsforscherin arbeitet momentan als Forschungsdirektorin in der Nato-Militärakademie in Rom, wo sie auch lebt.
Von Rom ging es am Dienstag auch per Flugzeug nach Dortmund und von dort ins Sauerland. „Ich habe im Vorfeld Kontakt mit dem Büro von Friedrich Merz aufgenommen und gefragt, ob er am Volksbank-Dialog hier in Arnsberg teilnimmt. Das wurde von seinen Mitarbeitern verneint, aber man schrieb mir dann ‚Wir wissen, dass Sie in Arnsberg auftreten werden. Das Sauerland kennt keine Geheimnisse‘“, erzählt die Politikwissenschaftlerin dem Publikum. Der Saal johlt, es gibt Applaus für die Anekdote.
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Florence Gaub gelingt es in ihrem Vortrag, der sich an ihrem aktuellen Buch über Zukunftsfragen orientiert, und dem anschließenden Dialog mit Volksbank-Vorstand Dr. Florian Müller, die Anwesenden zu unterhalten und zu informieren. So erklärt die 47-Jährige, dass früher beileibe nicht alles besser als heute gewesen sei. In den 1990er-Jahren seien mehr Menschen durch Hungersnöte und Kriege gestorben als aktuell auf der Welt.
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„Ich fordere eine Informationshygiene. Man muss sich ganz bewusst überlegen, wie viele Informationen und wie oft am Tag und durch welches Medium man konsumieren möchte.“ Sie rät auch, mal das Handy wegzulegen und nicht stundenlang durch irgendwelche Timelines und Feeds zu scrollen. „Der heutige Mensch nimmt an einem Tag mehr Informationen auf, als ein mittelalterlicher Bauer in seinem gesamten Leben“, betont Gaub.
Wer ihren Ausführungen, Handlungsempfehlungen und Einschätzungen folgt, der versteht relativ schnell, warum Literaturkritiker Denis Scheck über sie und ihr aktuelles Buch urteilt: „Florence Gaub besitzt das rare Talent, Menschen die Angst vor der Zukunft zu nehmen.“ In der Tat warnt die Deutsch-Französin davor, angesichts der vielen Herausforderungen auf der Welt in Schockstarre zu verfallen und sich zu verkriechen.
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Die Zukunftsforscherin rät stattdessen wie bei einer Art Bedienungsanleitung vorzugehen - ein Bild, das sie auch in ihrem Buch aufgreift. „Es gilt, Sicherheiten zu finden. Das sind beispielsweise Rahmenbedingungen, die man schaffen sollte, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass man vor Rückschlägen gewappnet ist.“ Es sei wichtig, das Risiko zu managen. Man sollte versuchen, Probleme zu erkennen und lernen, damit umzugehen. „Wichtig ist die Vorstellungskraft. Viele Sportler stellen sich im Vorfeld von Wettkämpfen im Kopf vor, wie sie Erfolg haben. Das hilft, damit das Gehirn negative Einflüsse herausfiltert und man den Fokus findet, denn das Gehirn kann alles visualisieren“, so Florence Gaub. Außerdem sei es wichtig, dass man sich auf unerwartete Entwicklungen einstellt. Dieser Punkt sei für viele Deutsche durchaus eine große Herausforderung, da sie erkannt habe, wie intolerant viele Deutsche gegenüber Unerwartetem seien.
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Die Militärstrategin gibt aber auch Warnhinweise. „Man sollte Wunschdenken vermeiden, denn ansonsten läuft man Gefahr, dass man wichtige Fakten ignoriert und dann scheitert. Daten Sie Ihre Ideen, aber seien Sie auch bereit, sie umgehend über Bord zu werfen, wenn sich die Situation verändert“, rät die Wissenschaftlerin. Außerdem warnt sie vor Katastrophendenken, denn das lähme - und man könne nichts mehr beeinflussen.
Von Volksbank-Vorstand Florian Müller auf die Situation in der Ukraine angesprochen, sagt Florence Gaub. „Das wahrscheinlichste Szenario ist derzeit, dass sich beide Parteien im kommenden Jahr zu ersten Gesprächen über eine Friedenslösung treffen.“ Wie lange dann diese Verhandlungen dauern, könne sie nicht einschätzen. Sie wisse allerdings, dass man sich hinter den Kulissen auf diplomatischer Ebene darum bemühe, eine nachhaltige Lösung zu finden.
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Das sei auch deshalb wichtig, da man in der Forschung herausgefunden habe, dass 50 Prozent der internationalen Konflikte innerhalb von fünf Jahren nach Beendigung wieder aufflammen, wenn keine tragfähige, stabile Lösung gefunden werde. Florence Gaub macht aber auch deutlich, dass Deutschland in Zukunft seine strategische Verteidigungsfähigkeit verändern muss. „Hierzu wird aber auch in der deutschen Gesellschaft ein Mentalitätswechsel notwendig sein“, unterstreicht Gaub.
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