Hüsten. 19 und 21 Jahre alt, Bestatter bei Nolte: Ein Einblick in ihre ungewöhnliche Berufswahl. Timo Funke und Antonia Steimel über den Tod.

„Ich kann keine Leichen im Fernsehen sehen“, sagt Antonia Steimel, „doch im wahren Leben stört es mich nicht. Nicht mehr.“ Die 21-Jährige arbeitet nebenberuflich im Hüstener Bestattungshaus Nolte. Sie erinnert sich an Zeiten, in denen sie nicht einmal über den Tod habe sprechen können - an Zeiten, in denen sie nicht wahrhaben wollte, dass ihre Eltern und sogar sie irgendwann sterben würden. „Wenn meine Eltern dann mal gesagt haben, dass sie ja irgendwann nicht mehr da seien, bin ich aus dem Zimmer gelaufen und habe geweint.“

Darum haben Timo und Antonia keine Angst vor dem Tod

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    Erst als ihr Großvater starb, realisierte sie: Der Tod gehört dazu. „Es steht nichts so fest wie der Tod“, sagt sie. „Es bringt nichts, wegzulaufen.“ Sie begann, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen, schaute Dokus über den Beruf eines Bestatters auf YouTube, wollte mehr wissen. „Irgendwann habe ich aus einem Affekt heraus im Bestattungshaus Nolte angerufen, um nach einem Praktikumsplatz zu fragen.“ Die Zusage nagte jedoch mehr an ihr als sie gedacht hatte, gibt sie zu.

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    „Aber ich habe es durchgezogen - ich weiß noch, wie meine Knie zitterten. Ich sollte meinen ersten Verstorbenen sehen - wir gingen die Treppe hinunter und ich sollte mich an die Füße des Verstorbenen stellen“, sagt Antonia Steimel, „So schlimm war es gar nicht!“ Nach dem Praktikum sei sie wie gefesselt gewesen - jedoch zu jung. Denn mit 16 Jahren hatte sie natürlich noch keinen Führerschein, der in diesem Beruf jedoch fast obligatorisch ist. „Herr Nolte sagte dann zu mir, dass ich wiederkommen solle, wenn ich volljährig bin.“

    „Ich kann hier abschalten“

    Gesagt, getan: „Zwei Tage nach meinem 18. Geburtstag fuhr ich ins Bestattungshaus und sagte: Da bin ich. Ich bin jetzt 18!“ Seitdem ist sie dabei – und arbeitet neben ihrer Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin. „Ich sehe Nolte nicht als Arbeit an“, sagt sie, „Ganz im Gegenteil: Ich kann hier abschalten, es ist wie ein Hobby – ein Stückweit sogar mein Privatleben.“

    Bestattungsinstitut Nolte
    Timo Funke (19) und Antonia Steimel (21) im Bestattungshaus Nolte. Mit dieser Zeitung sprechen sie über das Warum. © WP | Thora Meißner

    Ähnlich sieht es auch ihr Kollege Timo Funke. Der 19-Jährige arbeitet ebenfalls nebenberuflich im Bestattungshaus. „Hauptberuflich mache ich eine Ausbildung zum Justizfachangestellten“, sagt er. Nach seinem Abitur 2023 arbeitete er zunächst als „Servicekraft“ im Klinikum Hochsauerland. „Dort wurde man natürlich auch mit dem Tod konfrontiert. Und so fragte ich mich irgendwann: Wie sieht eigentlich ein Verstorbener aus?“

    Freitagnachmittags, daran erinnert er sich, habe er dann spontan im Bestattungshaus Nolte angerufen und nach einem Kurzpraktikum gefragt. „Das Praktikum hat mir sehr gefallen.“ Aber auch er entschied sich für eine andere Ausbildung. „Ich hatte immer schon Interesse an Recht und Justiz.“

    Mehr junge Frauen bewerben sich um den Beruf des Bestatters

    Tatsächlich gibt es die Ausbildung zur Bestattungsfachkraft erst seit rund 20 Jahren, teilt der Bestatterverband Nordrhein-Westfalen auf Anfrage mit – vorher habe jeder ein Bestattungsunternehmen gründen können. „Wir sind nur ein kleiner Bereich des Handwerks“, sagt Geschäftsführer Christian Jäger, „Aber über einen Fachkräftemangel können wir nicht klagen.“

    Ganz im Gegenteil stiegen die Azubi-Zahlen stetig und umfassten inzwischen rund 300 neue Auszubildende deutschlandweit. „Die Branche verzeichnet tatsächlich mehr Bewerber als vorhandene Stellen.“ Es gebe sehr viele junge Menschen, die sich seriös und solide mit dem Thema Tod und dem Beruf des Bestatters auseinandersetzten. „Die Ausbildung hat einen hohen Stellenwert – kaum Abbrecher und eine wirklich gute Bestehens-Quote. Und wir sind ein sehr weiblicher Beruf geworden.“

    „Die Ausbildung hat einen hohen Stellenwert – kaum Abbrecher und eine wirklich gute Bestehens-Quote. Und wir sind ein sehr weiblicher Beruf geworden.“

    Christian Jäger
    Bestatterverband Nordrhein-Westfalen

    Doch ist man mit 16 Jahren schon „reif“ genug, um einen solch sensiblen Job auszuüben? „Die Jugendlichen, die sich im Handwerk des Bestatters bewerben, haben sich in der Regel mit der Thematik beschäftigt“, sagt Christian Jäger. „Sie haben auch eine gewisse persönliche Reife und einen weiten Horizont.“

    Das menschliche Dasein in einer schweren Phase

    Empathie, soziale Kompetenz und gute Umgangsformen seien ebenso wichtig. „Es geht schließlich um das menschliche Dasein in einer schweren Phase“, so Jäger. Die Azubis seien aber hochmotiviert.

    Diese Motivation sehen auch die Geschäftsführer Thomas und Stefan Nolte des Hüstener Bestattungshauses bei ihren Mitarbeitenden. „Bei den beiden haben wir von Anfang an gewusst, dass es passt“, sagt Stefan Nolte, „sie haben keine Angst zu kommunizieren.“ Timo Funke und Antonia Steimel haben sich inzwischen auch angefreundet, erzählen sie, und kommen immer mal wieder auch außerhalb ihrer Einsätze im Bestattungshaus vorbei. „Dann quatschen wir mal zehn Minuten und dann fahre ich wieder“, sagt Timo Funke.

    Die eigene Oma selbst ins Krematorium gefahren

    Und was macht der Beruf mit den jungen Gemütern? Timo Funke sieht seinen Nebenberuf eher nüchtern. „Es ist im Grunde egal, ob ich vorher zu Hause war oder mit Freunden unterwegs“, sagt er, „wenn der Anruf kommt und ich im Auto hierher sitze, dann bin ich auch darauf fokussiert.“ Es sei, so sagt er, schon eine gewisse Routine.

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    „Natürlich gehen einem manche Geschichten sehr nah“, sagt Antonia Steimel, „Dennoch bewahren wir eine gewisse professionelle Distanz.“ Persönlich sei es für sie jedoch auch schon einmal geworden. „Als meine Oma verstarb, war ich emotional natürlich anders betroffen. Ich war bis zum Ende auf der Intensivstation bei ihr – war dabei, als die Geräte abgestellt wurden.“

    Es sei ein komisches Gefühl gewesen, die eigene Oma dann im Bestattungshaus Nolte zu sehen – und dennoch habe sie es sich nicht nehmen lassen, sie dann selbst ins Krematorium zu fahren. „Ich habe sie auf ihrem letzten Weg begleitet“, so die junge Frau, „und im Krematorium dann gesagt: Behandelt sie gut. Das ist meine Oma!“

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