Sundern. Haushalt, Kinder, Beruf - alles sofort, alles perfekt: Das reibt viele Frauen auf. Anne Scharfenstein bietet Frauen, die „feststecken“, Coaching an.
Morgens mit der Familie frühstücken, dabei die Einkaufsliste für den Nachmittag erstellen, Schulbrote für die Kinder schmieren, danach ab zur Arbeit, mittags bei den Großeltern vorbeischauen, weil die Mutter dement ist und Hilfe benötigt und der Vater nicht mehr allein den Haushalt führen. Nachmittags die Kinder zum Sport fahren, im Anschluss einkaufen, kochen und dann irgendwann spät am Abend bleibt ein paar Minuten Zeit für sich selbst. So sieht der Alltag vieler Frauen in Deutschland aus.
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Neudeutsch spricht man von „Mental Load“. Gemeint ist damit das Organisieren vieler Alltagsaufgaben, die einzelnen gar nicht so sichtbar sind, in der Summe aber den Menschen belasten können. Und oftmals leiden vor allem die Frauen unter dieser Vielfach-Belastung, denn sie sind die Kümmerer in vielen Familien. Anne Scharfenstein aus Sundern möchte genau das ändern und Frauen Tipps und Hilfen an die Hand geben, um aus dieser Falle herauszukommen. „Bei der sogenannten Care-Arbeit gibt es leider eine ungleiche Verteilung. Der zweite Gleichstellungsbericht der Bundesregierung basierend auf der Zeitverwendungsstudie des Statischen Bundesamtes besagt, dass Frauen 30 Stunden in der Woche diese Aufgaben übernehmen, Männer hingegen in der Regel nur 21 Stunden.“
Die gebürtige Meschederin hat sich mit ihrem Coachingbüro in Sundern auf der Mescheder Straße selbstständig gemacht. „Die Idee ist 2020 entstanden, nachdem ich ein Jahr zuvor Mutter geworden bin. Ich habe gemerkt, wie viel auf mich eingeprasselt ist und wie ich diesen Mental Load einfach selbst gespürt habe“, sagt Anne Scharfenstein. Es habe sie damals eiskalt erwischt. „Ich wollte mich aber nicht einfach mit dieser Belastung abfinden, sondern habe mich intensiv mit der Thematik beschäftigt und den Dialog mit meinem Mann gesucht. Wir haben uns abgesprochen, wer welche Aufgaben übernimmt, damit wir beide fair verteilte Freiräume für unsere persönlichen Wünsche und Pläne erhalten“, erinnert sich Scharfenstein.
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Die Sauerländerin las jede Menge Literatur zu diesem Thema, schaute Videos und suchte Kontakt mit anderen Frauen. „Im Laufe der Zeit habe ich festgestellt, wie viele Frauen darunter leiden. Viel hat mit der Gesellschaft und der Erwartungen dieser an das typische Rollenbild einer Frau zu tun. Genau dieses Rollenbild muss sich wandeln. Deshalb auch der Zusatz Rebell.“
Sie wolle ein Bewusstsein dafür schaffen, dass es nicht nur ein individuelles Problem sei, sondern dass dies eher übergreifend große Teile der Gesellschaft direkt wie indirekt betreffe. „Man muss aus Selbstverständlichkeiten früherer Zeiten herauskommen, bei denen die Frau für den Haushalt, die Kindererziehung und alles im Alltag zuständig war und die eigenen Bedürfnisse zurückgestellt wurden. Es ist wichtig, mit dem Partner zu kommunizieren und gemeinsam mit ihm zu besprechen, wer welche Aufgabe übernimmt.“ Auf Dauer würden sich sonst noch immer für viele Frauen strukturelle Defizite entwickeln. Als Stichworte seien weniger Freizeit, weniger Lohn, weniger berufliche Chancen und die Rentenlücke genannt.
Die Erfahrungen, die Anne Scharfenstein gemacht hat, kennt auch Lena Baader von der Frauenberatung Arnsberg. „Es herrscht leider weiterhin eine große Ungerechtigkeit bei der Bezahlung von Männern und Frauen in der Berufswelt. Das hat zur Folge, dass Frauen nach der Geburt eines Kinders zu Hause bleiben und später oftmals nur in Teilzeit weiter arbeiten. Bisweilen gibt es auch Arbeitgeber, die nicht gerne Mütter mit Kindern einstellen. Denn in vielen Fällen müssen die Mütter auf die Kinder aufpassen, wenn diese krank werden. In seltenen Fällen machen das die Väter, da sie zumeist den besseren Verdienst im Job haben“, sagt Baader.
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Laut der Fachberaterin für Psychotraumatologie würden sich viele Frauen durch diese Grundvoraussetzungen in eine Art Abhängigkeit von Männern begeben, die einigen Fällen auch in Gewalterfahrungen münden. „Die Frauen trauen sich dann nicht einfach zu gehen, weil sie vor allem wirtschaftlich abhängig sind. Oftmals fehlt den Frauen auch das Gefühl, als Frau gebraucht zu werden. Sie werden in Rollen gedrängt, aus denen sie kaum ohne Hilfe herauskommen.“
Daher sei es wichtig, dass in der Gesellschaft ein Umdenken einsetze und das Machtgefälle durch gerechtere Bezahlung von Männern und Frauen aus dem Weg geräumt werde. Außerdem müssten Beziehungen der Partner auf Augenhöhe geführt werden. Lena Baader spüre, dass „Mental Load“ und „Care-Arbeit“ gesellschaftlich ein immer größeres Thema werde.
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Nach ihrem Bachelor in European Studies und der Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation & Fremdsprachenkorrespondentin Englisch (IHK) hat Anne Scharfenstein lange im Bereich Human Resources & Office Management gearbeitet - u.a. eine Zeit in Düsseldorf. Es folgte der Umzug zurück in Sauerland und die Schwangerschaft. „Nach meiner Elternzeit habe ich mich am Institut an der Universität Köln (INeKO zur Coachin ausbilden lassen und dieses mit Zertifikat beendet. Ich bin nun offiziell Geprüfte Systemische Coachin. Zudem konnte ich mich beim Train-the-Trainer Seminar von Jo Lücke zum Thema Equal Care und Mental Load weiterbilden.
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Anne Scharfenstein bietet in ihrem Büro in Sundern neben Workshops für kleine Gruppen zum Thema „Mental Load“ und fairer Arbeitsverteilung auch 1-zu-1-Coaching an - zum Beispiel bei einer Neuorientierung oder Entscheidungsfindung. „Wie definiere ich mich eine Rolle als Frau, welche Werte will ich leben, welche Ziele anstreben und was für Ressourcen habe ich, um sie einzusetzen. Mit meiner wertschätzenden Haltung als Systemische Coachin möchte ich Frauen empathisch und effektiv bei ihrer persönlichen Weiterentwicklung unterstützen.“ In der Regel finde alle vier Wochen eine Sitzung über 90 Minuten Länge statt.
Bevor alles starte, erfolge ein Vorabgespräch. Außerdem bietet Anne Scharfenstein auch Workshops in Unternehmen an. Terminabsprachen erfolgen unter Tel. 0151/29020586 oder per E-Mail an kontakt@rollen-rebell.de