Arnsberg. Hydronet startet im Sauerland und in Arnsberg: Ein Pionierprojekt zur Transformation in eine nachhaltige Wasserstoffwirtschaft.
Mit Beginn des Monats Oktober ist die Umsetzung des Energiewendeprojektes „Hydronet“ gestartet. Die Förderzusage aus Bundesmitteln wurde wie berichtet im Rahmen des achten Energieforschungsprogramms erteilt. Das auf eine Laufzeit von fünf Jahren ausgelegte Projekt hat das Ziel, eine komplette Region im Sauerland mit ihren unterschiedlichen Akteuren aus dem industriellen Mittelstand und Wissenschaft, Politik und Verwaltung zu einer nachhaltigen Wasserstoffwirtschaft zu transformieren. „Das Herz des Projekts schlägt in Arnsberg“, sagt Bürgermeister Ralf Bittner. Aber worum genau geht es eigentlich?
Politische Bewertung
„Systemische Demonstrationsprojekte wie Hydronet sind essenziell für den Markthochlauf von Wasserstoff. Von der Erzeugung bis zur Nutzung zeigt das Projekt, wie die Dekarbonisierung der Industrie gelingen kann. Im Sauerland schaffen wir damit ein Wasserstoff-Ökosystem, an das sich später weitere Erzeuger und Verbraucher anschließen können“, lobt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Grüne) und erklärt damit die 18 Millionen-Euro-Förderung. Klingt auch noch verwirrend und wenig erklärend.
Da macht es Katherina Reiche, Vorstandsvorsitzende der projekttreibenden Westenergie AG und Vorsitzende des nationalen Wasserstoffrates der Bundesregierung, schon besser: „Mit Hydronet leisten wir einen konkreten Beitrag zur Versorgung des industriellen Mittelstands im Sauerland mit preiswertem, kohlenstoffarmem Gas. Dies ist ein wesentlicher Baustein für eine nachhaltige industrielle Zukunft in unserer Region und darüber hinaus.“ Es geht also darum, den industriellen Mittelstands im Sauerland mit nachhaltigem Wasserstoff zu versorgen, weil dieser offenbar eine Schlüsselrolle bei der Transformation der Wirtschaft spielen.
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Arnsberger Erdgasleitung als Kern des Projekts
Basierend auf einer Projektidee aus dem Jahr 2014, die eine stillgelegte elf Kilometer lange Erdgasleitung in Arnsberg in Richtung Balve als möglichen Kern identifizierte, starte am 20. Juli 2021 die Planung des Projektes Hydronet als wegweisendes „Forschungsprojekt der Energiewende“. Im Kern des Vorhabens steht die Erprobung zukunftsfähiger Energietechnologien unter realen Bedingungen im Verbund und im industriellen Maßstab. Der Pilot-Charakter ist wesentlicher Bestandteil des Vorhabens: „Das Projekt hat Strahlkraft und bietet im Verbund einzigartige Möglichkeiten als Blaupause für andere Regionen Deutschlands und wird international in Nachbarregionen hineinwirken“, sagt Andreas Breuer, Leiter Wasserstoff Westnetz und Vorhabensverantwortlicher Hydronet.
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Heimische Wirtschaft als Projektpartner
Das Großprojekt wird bis Ende 2029 neue Produkte, Lösungen und Erkenntnisse für die Planung, die Errichtung und den Betrieb einer energieoptimierten Wasserstoffwirtschaft erarbeiten. Ziel des Projekts ist es, fossile Energieträger in der Region Arnsberg weitgehend zu ersetzen sowie die Partner als flexible Teile eines zukünftigen Energiesystems zu Akteuren der Energiewende werden zu lassen. Dafür investieren die Partner - darunter auch heimische Unternehmen wie die Wepa, Spedition Gössling, Stadtwerke Arnsberg oder A+E Keller GmbH & Co. KG - insgesamt rund 75 Millionen Euro, davon Konsortialführer Westnetz allein einen Betrag in Höhe von 29 Millionen Euro.
Infrastruktur-Aufbau statt Modellprojekt
Hydronet will regionale Akteure entlang der gesamten Wasserstoff-Wertschöpfungskette integrieren und vereinen: von der Wasserstoffgewinnung vor Ort über die Infrastruktur für die Verteilung des grünen Wasserstoffs bis hin zur industriellen Transformation und Nutzung des Wasserstoffs mit Herkunftsnachweis und Zertifizierung. „Im Fokus stehen vor allem Unternehmen der Metallproduktion und -verarbeitung, der Automobilzulieferung, Papierherstellung sowie Mobilität und Abwasseraufbereitung“, so erklärt Westnetz das Projektziel. Ein ganzheitlicher und netzorientierter Ansatz habe bei der Wasserstoff-Diskussion bislang gefehlt, weil es meist um technische, in sich abgeschlossene Versuchs- und Testanlagen innerhalb lokaler Modellprojekte gegangen sei. Der Aufbau einer nachhaltigen Wasserstoffinfrastruktur im laufenden Betrieb in regionalem Umfang bedeute daher „regelrecht einen Paradigmenwechsel“.
Hydronet verspricht in Kooperation mit Forschungseinrichtungen einen Wissensvorsprung und wesentliche Erkenntnisse in der Entwicklung bzw. Umstellung einer kompletten Region hin zur Nutzung von Wasserstoff, die sich auch auf andere Regionen übertragen lassen. So werden innerhalb des Projekts Methoden und Verfahren zur Zertifizierung und zum Herkunftsnachweis für grünen Wasserstoff entwickelt. Weitere Forschungsfelder seien die Umstellung der industriellen Gasbrenner auf reinen Wasserstoff im Zusammenspiel mit einer nicht immer kontinuierlichen Erzeugung und Pufferung in Leitungsabschnitten sowie die damit verbundene Mess-, Regel- und Steuerungstechnik bzw. -elektronik.
Weitere Unternehmen aus Region sollen aufspringen können
Das soll dann die Grundlage dafür sein, dass sich aus dem im Projektzeitraum bestehenden Anwenderkreis heraus nach und nach – insbesondere im Rahmen weiterer Ausbaustufen nach der Förderphase – auch andere Unternehmen der Region sowie angrenzender Gebiete an die Wasserstoff-Infrastruktur rund um Arnsberg anschließen können. Sogar eine Anbindung an das deutsche Wasserstoff-Kernnetz sei bereits angedacht.
Hydronet ermöglicht eine nahezu risikofreie Umstellung der Industrie durch einen Drei-Stufen-Ansatz: zuerst via 3D-Feuerraumsimulation, dann durch die Überprüfung der Verbrennungstests bei einem Testanwender, und erst im dritten Schritt erfolgt die tatsächliche industrielle Produktionsumstellung vor Ort. Im Rahmen von Hydronet sollen langlebige Szenarien für Infrastrukturaufbau abgeleitet werden. „Der Wasserstoffhochlauf wird so industriell greifbar, realitätsnah und auf eine zukunftssichere Ebene gestellt“, teilt Westnetz mit. Für Bürgermeister Bittner aus Arnsberg bedeutet das „eine Sicherung von Arbeitsplätzen in der Stadt“ und ein Anreiz für Unternehmen, die sich in der Stadt ansiedeln wollen.