Arnsberg/Sundern. In Folge des Klimawandels werden Stürme stärker und unberechenbar. Wie gut sind die Wälder in Arnsberg und Sundern und die Feuerwehren vorbereitet?
Der Herbst hat begonnen. Die Zeit der nächsten Herbst- und Winterstürme, die über Arnsberg und Sundern ziehen, kommt bestimmt. Auch ein sich stellenweise erholender Wald bleibt anfällig gegen Windwurf. Der Landesbetrieb Wald und Holz mit seinen in Arnsberg sitzenden Teams und die örtlichen Förster haben die Lage im Blick. Auch die Feuerwehren in Sundern und Arnsberg fühlen sich gut vorbereitet.
Hat sich der Wald insoweit erholt, um den Herbststürmen trotzen zu können?
Die Vitalität und Stabilität der Wälder habe sich durch die höheren Niederschläge verbessert, sagen die Experten des Landesbetriebs. Die Klimatische Wasserbilanz zur Vegetationszeit als Kenngröße des Netto-Niederschlages habe sich im bisherigen Jahresverlauf 2024 deutlich positiver entwickelt als in den Sommermonaten der Jahre zuvor. Der Trockenstress hat sich daher aktuell für viele Waldbestände in Nordrhein-Westfalen spürbar verringert.
Dies hat zudem für gute Wuchs- bzw. Anwuchsbedingungen für die Naturverjüngung und die vom Waldbesitz eingebrachten Jungpflanzen, insbesondere auf den geschädigten Kalamitätsflächen der ehemaligen Fichten-Bestände, geführt. In den aktuell gebeutelten Laubholzbeständen mit zum Beispiel Buche oder Eiche sei eine Erholung in den Waldbeständen der mittleren und bisweilen auch höheren Altersklassen zu verzeichnen.
Die Abwehrmechanismen der Bäume konnten sich wieder regenerieren und die dafür notwendigen Reservestoffe aufgefüllt werden, so die Experten. Das gelte auch für die Harzbildung gegen Borkenkäfer. Die verfügbare Feuchtigkeit habe zudem für ein besseres Waldinnenklima gesorgt, die Transpirationskühlung in den Waldbeständen hat sich spürbar verbessert.
Dennoch ist eine differenzierte Betrachtung bei der Fragestellung erforderlich, denn für viele Bäume respektive Waldbestände mit zu hoher Vorschädigung bzw. Krankheitsdruck (Virulenz) kam der wohltuende Regen zu spät und konnte regional das Absterben nicht mehr verhindern. Ganz so optimistisch zeigt sich Holger Dreeskornfeld, beauftragter Förster im Bereich Sundern, daher auch nicht: „Der Wald hat sich bei weitem nicht erholt. Die Bestände sind an ihren Flanken offen, dem Sturm sind Tür und Tor geöffnet. Verheilende Wunden werden immer wieder aufgerissen.. Das Waldinnenklima kann sich kaum entwickeln, Wind und Sonne erodieren die Nähstoffe“, sagt er.
„Aufgerissene Randbereiche, zum Beispiel Kalamitätsflächen und flachwurzelnde Baumarten wie die Fichte sind für Windwurf anfällig.“
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In welchen Bereichen sind Probleme zu erwarten?
„Auf aufgeweichten und flachgründigen Böden auf hoch anstehendem Gestein können Probleme auftreten. Auch bei Beständen mit Belaubung und solche, die sich in Höhenlagen befinden sowie westlich exponierte Bestände können Herbststürme Bäume anschieben und umwerfen. Aufgerissene Randbereiche, zum Beispiel Kalamitätsflächen und flachwurzelnde Baumarten wie die Fichte sind des Weiteren für Windwurf anfällig“, sagt Thomas Wälter, Leiter des Arnberger Wald-Kompetenzzentrums.
Vielerorts seien die Bestandränder aufgerissen und die Böden aufgeweicht. Treten die zu erwartenden Herbststürme frühzeitig auf, wenn die Laubbäume noch zum Teil im Laub stehen, steigt die Windwurfgefahr, insbesondere da die Vegetationszeit sich zunehmend verlängert hat. Flachwurzelnde Fichtenrestbestände seien, trotz Revitalisierung, auf den aufgeweichten flachgründigen Böden verstärkt durch Windwurf gefährdet. Dies gilt besonders in Höhenlagen bei süd-westlich exponierten Beständen oder auf Kalamitätsflächen mit einer Restbestockung an Fichte.
Nach Ansicht von Holger Dreeskornfeld sind besonders in Wildewiese und Röhrenspring die Wälder durch Stürme gefährdet. Die nördlichen Bereiche sind bei Kyrill umgefallen. Die dortigen 20-jährigen Bestände seien inzwischen stabil. Überhaupt seien die Bereiche, in denen seit 40 Jahren naturnahe Waldwirtschaft betrieben wurde, weniger vom Käfer betroffen. „Die alten Fichten sind zwar weg, der Jungbestand darunter atmet aber noch“, so Dreeskornfeld.
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Sind Herbststürme auch für die Nachpflanzungen und Wiederaufforstungsflächen problematisch?
Keine Sorge machen sich die Förster um die Wiederaufforstung. Bei Jungbeständen ist die physikalische Hebelwirkung deutlich geringer als bei älteren Beständen. Hier trete eine Windwurfgefahr allenfalls durch umstürzende Altholzreste aus dem Vorbestand auf“, so die Experten. Diese potenziellen Schlagschäden betreffen allerdings auch verstärkt die regional erforderliche Infrastruktur für den Waldschutz wie Zauntrassen, Hordengatter oder Einzelschutz, die dann teuer kontrolliert und nachgebessert werden müssen.
Sind die Waldböden gefestigt genug, um Baumwurzeln bei Stürmen zu halten?
Auf den flachgründigen, steinigen Standorten ist die Stabilität der Baumwurzeln weniger gut ausgeprägt als auf gut und von Wurzeln tief erschließbaren Böden wie zum Beispiel lehmig-sandigen Braunerden. „Die Waldböden werden oftmals entscheidend durch den Bewuchs gefestigt“, stellt Wald und Holz klar, „ohne Bewuchs wie Kräuter, Sträucher und Bäume ist eine Auswaschung des Oberbodens und die Erosion des Bodenmaterials wahrscheinlich.“ Holger Dreeskornfeld sieht besondere Herausforderungen für Sundern. „Die Waldböden dort haben in der Regel nur eine geringe Stärke. Sehr schnell kommen die Wurzeln auf die Steine“, sagt er, „das ist ein Erbe aus der Flächennutzung der letzten 2000 Jahre. Weide, Acker, Bergbau, Heide, Streunutzung, heute Weihnachtsbäume, Windenergie.“
„Die Waldflächen sind einem extremen Flächenfraß ausgesetzt. Die Belastungen der letzten tausend Jahre setzen sich fort. Es gibt keine ruhige Fläche mehr im Wald, auf der sich Boden, Wasser, Natur erholen können.“
Gibt es besonders sensible Standorte in Arnsberg und Sundern?
„Bei den Standorten in Arnsberg und Sundern sind Bestände in Höhenlagen sowie westlich exponierte Bestände gefährdet“, erklärt Thomas Wälter, „freistehende Bäume wie zum Beispiel die Lärche oder verbliebene Fichtenstandorte, insbesondere im Raum Sundern sind unbedingt im Auge zu behalten. Das Ziel ist es, Hangrutsch zu vermeiden und die Fichten als CO2-Speicher zu erhalten.“ Der Wald bleibt offenbar ein Problemfall: „Alle Waldböden benötigen in Sundern einen besonderen Schutz“, fordert Dreeskornfeld. Größte Sorge müsse dem Erhalt des Oberbodens gelten. Nur eine langfristige Waldbestockung - er spricht von zirka 500 Jahren - helfe den Böden im Sinne von Hochwasserschutz, Co2-Bindung, Erosionsschutz und Wirtschaftlichkeit. „Die Waldflächen sind einem extremen Flächenfraß ausgesetzt. Die Belastungen der letzten tausend Jahre setzen sich fort. Es gibt keine ruhige Fläche mehr im Wald, auf der sich Boden, Wasser, Natur erholen können“, so Dreeskornfeld.
„Ob ein herannahendes Unwetter das Stadtgebiet Sundern besonders schlimm trifft, können nicht einmal die Meteorologen am Tag vorher genau festlegen.“
Sind die Feuerwehren in Arnsberg und Sundern vorbereitet?
Die Arnsberger Feuerwehr bereitet sich nach eigener Auskunft das ganze Jahr hindurch konstant auf alle denkbaren Lagen und Wetterereignisse vor. „Jahreszeitliche Prognosen sind durch die Auswirkungen des Klimawandels kaum mehr möglich. Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass Sturm-, Hochwasser- und Starkregenereignisse zu jeder Jahreszeit eintreten können“, teilt die Feuerwehr mit. Das sieht auch Christian Stratmann von der Feuerwehr Sundern so. „Wir müssen jederzeit, ob Frühling, Sommer, Herbst oder Winter, mit umstürzenden Bäumen oder überschwemmten Straßen und Kellern rechnen, daher sind wir immer vorbereitet“, sagt er.
Planbar sind diese Einsätze so gut wie nicht: „Ob ein herannahendes Unwetter das Stadtgebiet Sundern besonders schlimm trifft, können nicht einmal die Meteorologen am Tag vorher genau festlegen“, weiß Stratmann, „daher können wir uns erst recht nicht mit irgendwelchen Prognosen abgeben. Wir haben ja keine besondere Wettervorhersage.“
Wie sind Feuerwehren ausgestattet und ausgebildet?
Alle notwendigen Gerätschaften für solche Einsätze sind in den Feuerwehrwachen vorhanden. Die ehrenamtlichen Gerätewarte sorgen an allen Arnsberger Standorten dafür, dass die technische Ausrüstung regelmäßig gewartet wird und jederzeit einsatzbereit ist. Sowohl der Fernmeldedienst als auch der Führungsdienst sind auf Flächenlagen vorbereitet. „Jeder Standort verfügt über entsprechende Gerätschaften, darüber hinaus werden zentral Ersatzgeräte wie Pumpen oder Motorkettensägen vorgehalten, die bei größeren Schadenslagen auch zusätzlich eingesetzt werden können“, so Stratmann.
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Die Einheiten in Arnsberg werden auf Standortebene ausgebildet und führen in regelmäßigen Abständen Großübungen durch. Flächendeckend haben alle Einheiten die Spezialausbildung „Technische Hilfe Wald“ erhalten und sind entsprechend geschult. Seit August dieses Jahres wurden zudem neue Sachgebiete im Arnsberger Hauptamt personalisiert, die Hochwasserereignisse unter operativ-taktischen Gesichtspunkten betrachten, also die Gefahrenabwehr vor Ort bei Unglücksfällen und Katastrophen. Auch Sundern bildet seine Teams ständig weiter. „Es gibt besondere Schulungen im Bereich Motorkettensägen, die unsere Einsatzkräfte aber aufgrund oben beschriebener Tatsache ohnehin besuchen“, erklärt Christian Stratmann.