Arnsberg. Prostituierte Mia spricht zum von der CDU/CSU geforderten Sexkaufverbot und dessen Auswirkungen auf ihre Arbeit, insbesondere ihre Sicherheit.

„Das stärkt die Argumentation der Männer, ihr Zuhälterdasein zu rechtfertigen“, sagt Mia. „Derzeit brauchen wir sie nicht. Aber später vielleicht schon!?“ Die 28-Jährige arbeitet als Prostituierte in dem Arnsberger Bordell „Traumraum“. Sie hat sich mit dem von der CDU/CSU geforderten „Sexkaufverbot“ auseinandergesetzt.

Schon bald leere Zimmer? © WP | Thora Meißner

Die CDU/CSU-Fraktion fordert in einem Antrag aus Februar 2024 die Einführung einer allgemeinen Strafbarkeit des Sexkaufs und sieht das Prostitutionsschutzgesetz von 2002 als gescheitert an, da es die Situation der Prostituierten nicht verbessert habe. Laut Union sind viele Prostituierte Opfer von Armuts- und Zwangsprostitution, oft in Verbindung mit Menschenhandel und Gewalt. Sie verlangt daher ein Verbot von Bordellen und anderen Prostitutionsstätten sowie strengere Maßnahmen gegen Zuhälterei und Ausbeutung. Das geforderte Sexkaufverbot beinhaltet auch, „den Betrieb von Prostitutionsstätten wie Bordellen, Laufhäusern, Verrichtungsboxen und Wohnwagen sowie die Vermietung von Objekten zum Zweck der Prostitutionsausübung zu verbieten“. In wenigen Tagen berät der Bundestag diese Forderung.

Antrag auf Strafbarkeit von Sexkauf

Zuhälterei und Ausbeutung bereits strafbar

Dem Kreisordnungsamt des HSK sind aktuell 18 Prostituierte gemeldet. „Wie viele tatsächlich hier arbeiten, ist aber nicht bekannt, da die Anmeldung beispielsweise auch in Bayern erfolgen und dann deutschlandweit gearbeitet werden kann“, sagt Martin Reuther, Sprecher des HSK. Prostituierte ab 21 Jahren erhalten eine Genehmigung des Ordnungsamtes für zwei Jahre und für ein Jahr vom Gesundheitsamt. Für unter 21-Jährige gelten verkürzte Fristen.

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Wenn es Häuser wie den „Traumraum“ nicht gäbe, ist sich Mia sicher, müssten sich die Frauen mit vielen anderen Dingen herumärgern. „Wir würden nicht so einen klaren Kopf haben.“ Sie spielt auf den Service an, den der „Traumraum“ ihr bietet. Unter anderem die individuelle Terminverwaltung, die Bereitstellung ordentlicher und hygienisch sauberer Zimmer, den lockeren Austausch zwischen den Frauen - und, besonders wichtig, die Sicherheit.

„Ich hätte gar keinen Bock darauf, mir einen Typen an die Seite zu stellen, damit er auf mich aufpasst. Ihm viel Geld dafür zu bezahlen, damit mir nichts passiert - anstatt dass ich hier so ein Haus habe, wo ich selbst entscheiden kann, wann ich vor Ort bin und wann nicht. Und zudem auch noch neutrale Personen habe, die unangenehme Dinge für mich klären.“

Der SM-Raum wird eher selten genutzt, dennoch ist er da. © WP | Thora Meißner

Gelernt hat die gebürtige Niedersächsin einst Steuerfachangestellte - arbeitet jedoch seit Jahren als freiberufliche Prostituierte im Traumraum Arnsberg. „Ich habe damals eine Freundin gehabt, die den Job machte“, sagt sie, „nach wochenlangem Hin- und Herüberlegen habe ich es dann ausprobiert - und bin dabei geblieben.“

Mia findet das Leben im Haus Traumraum harmonisch. „Ich kann verstehen, dass man sich um die Frauen sorgt, die an anderen Orten arbeiten. Auf der Straße, im Laufhaus oder am Fenster. Warum wird dort nicht mehr kontrolliert, damit es den Frauen auch gut geht - und ein gewisser Standard eingehalten wird?“, fragt sie. „Anstatt dass man jeder Frau auf die Nerven geht und sie belastet, obwohl sie einen guten Job für sich gefunden hat.“

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Dem stimmen auch der „Traumraum“-Besitzer und dessen Frau Nicole zu. „Das, was jetzt falsch läuft, ist eh schon verboten“, sagt er, „wenn dort nun mehr Kontrollen wären, hätten wir die Problematik gar nicht.“ Er spricht das Prostituiertenschutzgesetz an - und die darin enthaltenen Schutzmaßnahmen für die Frauen. „Das haben wir vorher auch schon so gemacht“, sagt er, „bevor die Damen bei uns arbeiten durften, wurden sie überprüft - auch die Pässe, damit alles seine Richtigkeit hat. Aber das war und ist eben nicht Standard.“ Gegen mehr Polizei und Kontrolle hat er nichts, aber „uns zu verbieten ergibt keinen Sinn“.

Es duftet nach Vanille - das indirekte Licht der Duftkerzen strahlt eine gewisse Gemütlichkeit aus. © WP | Thora Meißner

Die Damen, die in seinem Bordell arbeiten, sind allesamt selbstbestimmend und freiberuflich tätig, erklärt er. Seine Frau, die vorwiegend als „Hausdame“ vor Ort ist, biete ihnen neben der Sicherheit eben auch den Service und die Räumlichkeiten - zu einer fest getakteten Zimmermiete. Nicht pro Tag, sondern tatsächlich auf den Nutzungszeitraum begrenzt.

„Alle Damen, die hier arbeiten, sind krankenversichert.“

Auch dieses Vorgehen wird in dem CDU/CSU-Antrag kritisiert. Darin heißt es: „Im Jahr 2022 waren lediglich 28.280 Prostituierte bei den Ordnungsbehörden gemeldet. Darunter gerade einmal 50 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte sowie zehn ausschließlich geringfügig Beschäftigte.“

„Sorry“, so der Traumraum-Betreiber. Und weiter: „Das Prostituiertenschutzgesetz ist so gebaut, dass ich sehr schnell in den Bereich Zuhälterei gehen würde, wenn ich die Damen fest anstellen würde.“ Schon des Öfteren habe er darüber nachgedacht, weil es für manche Frauen auch besser sei, automatisch in die Sozialversicherungen einzuzahlen. „Aber was würde ich denn tun, wenn ich das Risiko habe? Wenn ich eine Bäckerei hätte, dann würde ich die Löhne so gering machen, dass es für mich kein Risiko darstellt. Das heißt, ich kenne meine Umsätze, ich weiß, was ich zu zahlen habe. Rechne das kalkulatorisch hoch und sage dann: Ok, du arbeitest fünf Tage die Woche á acht Stunden und kriegst deine 2000 Euro netto. Aber in diesem Bereich? Das wäre schon Zuhälterei!“

„Das weiße Zimmer“ - statt Zimmernummern benennt das Team seine Zimmer nach Farben. © WP | Thora Meißner

Seine Frau ergänzt: „Keine der Damen, die hier arbeiten, ist nicht krankenversichert. Die meisten haben auch noch einen Hauptberuf.“ Selbst die Damen, die aus dem EU-Ausland in den Traumraum kämen, seien versichert. Ihre Steuern würden sie nach dem sogenannten „Düsseldorfer Verfahren“ entrichten. So wird der Erlass der (ehemaligen) OFD Düsseldorf bezeichnet, der als Vorauszahlung eine pauschalierte Steuererhebung der Einkommensteuer und Umsatzsteuer bei der Ausübung der Prostitution mit Hilfe der Bordellbesitzer ermöglicht.

Kim, eine Kollegin von Mia, mischt sich ein. „Wenn das illegal wird, dann fallen auch die ganzen gesundheitlichen Untersuchungen weg, die uns angeboten werden“, sagt sie, „auch die Beratungen durch Tamar beispielsweise.“ Tamar ist eine von drei Beratungsstellen, die sich insbesondere mit der Prostitution und dem Menschenhandel befassen. Auch für den HSK ist die Tamar-Hilfe der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen tätig gewesen. „Tamar hat uns regelmäßig besucht“, bestätigt Nicole, Ehefrau des Betreibers. Seit 2020 nicht mehr.

Keine Tamar-Beratung mehr im HSK

„Tamar hatte mehrfach Anträge auf eine finanzielle Unterstützung beim HSK gestellt, die der Kreistag sämtlich abgelehnt hat - zuletzt bei den Haushaltsbeschlüssen für das Jahr 2024 im Dezember 2023“, teilt HSK-Sprecher Martin Reuther mit. Der HSK verfügt über eine „Fachstelle Sexuelle Gesundheit“, die sowohl ärztliche „Untersuchungssprechstunden“ anbietet als auch die aufsuchende Arbeit mit Beratung durch nicht-ärztliche Mitarbeiterinnen.

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Die EFHiW (Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen) steht für eine Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Sexarbeiterinnen und -arbeitern. Und genau diese könne nicht durch Kriminalisierung, sondern nur durch die Stärkung der Rechte der Prostituierten und die Bekämpfung von Stigmatisierung erreicht werden, teilt Sprecherin Manuela Schunk mit. Ein Sexkaufverbot verstärke gesellschaftliche Stigmatisierung, anstatt sie abzubauen. In der aktuellen politischen und medialen Debatte über die Prostitution und das Nordische Modell würden die Begriffe der Sexarbeit und der Zwangsprostitution vermischt. „Dadurch wird ein legaler Arbeitsbereich pauschal in Zusammenhang gebracht mit dem verbrecherischen Menschenhandel“, so Schunk.

Das Nordische Modell

Schweden war 1999 das erste Land, welches durch die Einführung des Sexkaufverbots die Gleichberechtigung der Geschlechter vorangebracht hat. Daher wird dieses gesetzgeberische Modell oft auch schwedisches oder nordisches Modell genannt. Dieses Modell besteht aus drei Bestandteilen:

Entkriminalisierung der Prostituierten, Kriminalisierung der Sexkäufer und Betreiber, sowie Finanzierung von Ausstiegsprogrammen für Prostituierte.

Quelle: frauenrechte.de

Mehr Gewalt - nicht nur gegenüber den Frauen im Bordell - befürchtet auch Kim. „Nicht nur, dass es für die Prostituierten gefährlicher wird, wenn es ein Sexkaufverbot gäbe, auch die Häusliche Gewalt wird dann steigen“, sagt sie. „Ein Sexkaufverbot würde nach hinten losgehen.“