Arnsberg. Arbeitsverteilung unter der Lupe: Arnsbergs Bürgermeister und die Herausforderungen als Bürgermeister, in der Politik und Verwaltung.

Manchmal, so sagt er, fühle er sich wie in einem Hollywoodfilm. Immer dann, wenn er um Zeit für seine Kinder kämpfe. „Abgehetzt zur Schulaufführung - in letzter Minute.” Er lacht. „Die Familienzeit, die wir haben, nutzen wir dafür umso intensiver”, sagt er. Er, das ist Bürgermeister Ralf Paul Bittner, 57 Jahre alt und seit 2018 in den Diensten der Stadt Arnsberg. Der Mann im weißen Hemd und blauer Jeans zeigt sich eher lässig. Ohne Krawatte und in Sneakern. Dem Wetter angepasst ohne Jackett. Am Handgelenk trägt er ein Rainbow Loom-Bändchen. Kunterbunt. Ein Geschenk seiner jüngsten Tochter. Sie möchte, dass er es trägt. Wunsch erfüllt.

Das Freundschaftsbändchen fällt dem Mann, der gerade an ihm vorbeigeht, nicht auf. Bittner lächelt. Grüßt ihn in altmanierlicher Form mit einem Nicken. Doch der Mann hat nur einen bösen Blick übrig. Starrt Ralf Paul Bittner in die Augen, als habe er noch ein Hühnchen mit ihm zu rupfen. Kennen tun sich die beiden aber nicht. „Das kommt schonmal vor”, sagt Bittner, „oft hat das gar nichts mit mir als Person zu tun, sondern mit meinem Amt.” Als Bürgermeister arbeite er schließlich „für den Staat”, sei die allgemeine Denke.

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Kurz darauf kreuzt der Mann erneut seinen Weg. Diesmal mit erhobenem Handy und Blick aufs Display. „Jetzt hat er wohl heimlich ein Foto gemacht”, sagt Bittner und lacht.

Fotos ist Bittner gewöhnt

Wo das Foto landet, interessiert ihn nicht. Er hat sich daran gewöhnt, fotografiert und gefilmt zu werden. Ebenso wie an böse Blicke, Anfeindungen und sogar Drohmails. „Die Mails werden durch das Bürgermeisterbüro vorsortiert.” Mails, die Beleidigungen oder Drohungen enthielten, prüfe das Rechtsamt dann auf strafrechtliche Relevanz. „Die zeige ich dann auch an - konsequent.” Die Lust am Dasein als Bürgermeister nehmen ihm “die Nörgler”, wie er sie nennt, nicht. Denn er „wollte schon immer etwas mit Menschen machen” und seinen „sozialen Gedanken“ ausleben.

Nicht alle Mails sind „Blödsinn“, relativiert er. Rund 150 Beschwerden und Hinweise zählt die Stadtverwaltung wöchentlich. „Und an vielen Zuschriften ist auch etwas dran.“ Manche öffentlicher Natur, wie Missstände oder Gestaltungswünsche. Aber auch private Schicksalsschläge und Probleme.

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Diesmal besucht er die Familien Dobbert, Wojcikowski und Sentürk. Sie bewohnen die Häuser in Hüsten, die von einem Investor gekauft wurden und nun kernsaniert werden sollen. Die drei Familien und weitere verlieren dadurch ihre Wohnungen (wir berichteten). Bittner sitzt auf dem zur Couch umfunktionierten Bett im kleinen Wohnzimmer der Dobberts. Michael John begleitet ihn. Er weiß, dass er die Familien nur bedingt unterstützen kann. „Ich kann Sie total verstehen“, sagt er, „aber auch den Investor, denn diese Häuser müssen saniert werden.“ Tränen fließen. „Aber wir können versuchen, Sie dabei zu unterstützen, eine adäquate Übergangslösung mit dem Investor zu vereinbaren. Dazu setzen auch wir uns mit ihm in Verbindung.“ Worte, die bereits zu beruhigen scheinen.

Manchmal reicht das Zuhören

„Manche bedanken sich einfach fürs Zuhören, auch wenn ich die Probleme nicht alle lösen kann.“ Die ein oder andere Geschichte nehme er auch mit nach Hause. „Das sind teilweise wirklich harte Schicksale”, sagt er, „darüber denke ich dann auch abends nach.” Es sei ein gutes Gefühl zu spüren, dass Bittner und John hinter ihnen stünden und sich der Sache annähmen, sagt Nadine Wojcikowski. Für sie und Ute Dobbert ist es das erste Mal, dass sie den Bürgermeister persönlich treffen: „Ich war total überrascht, als er sich bei mir meldete“, sagt Dobert, „auch darüber, dass es ihn überhaupt interessiert.“

„Manche bedanken sich einfach fürs Zuhören, auch wenn ich die Probleme nicht alle lösen kann. Das sind teilweise wirklich harte Schicksale, darüber denke ich dann auch abends nach.“

Ralf Paul Bittner
Bürgermeister

Auch über Messenger-Dienste bekommt er Nachrichten, mal negative, aber auch positive. Privat und beruflich - morgens, mittags, abends. Manchmal säße er in der Nacht am Handy oder Tablet, um all die Benachrichtigungen zu beantworten. „Mir ist es wichtig, den Menschen zu zeigen, dass ich für sie da bin“, sagt er. „Deshalb habe ich auch mehrere Dialog-Möglichkeiten geschaffen.” Er meint Bürgerspaziergänge, Bürgersprechstunden und Jugendsprechstunden, wie seinerzeit im Wahlprogramm angekündigt. In den sozialen Medien ist Bittner auch aktiv. Mal ist es das Wochen-Update, um seine Follower mit in seinen beruflichen Alltag zu nehmen; mal ist es ein Video vom Spinning Rad im Fitnessstudio, das auf seine Urlaubszeit hinweist.

Der ehemalige Polizist und studierte Diplom-Verwaltungswirt, 28 Jahre im Dienst, zeigt Menschenkenntnis. Scheint die Dinge zu erkennen, die die Menschen in Arnsberg bewegen. „Alles, was er tut, tut er für die Menschen in Arnsberg”, sagt Werner Ruhnert, SPD-Politiker aus Arnsberg-Hüsten. „Er hat rund 1800 Termine im Jahr - und nimmt sich trotzdem Zeit für die individuellen Sachverhalte.”

Bürgernähe ist ihm wichtig

Fragt man seine „politischen Gegner“, die schwarze und grüne Mehrheit im Stadtrat, ist es jedoch genau das, was sie an ihrem Bürgermeister stört. „Einige Mitstreiter sagen, ich solle weniger Termine mit den Menschen machen”, sagt Bittner, „Aber ich halte es einfach für einen unverzichtbaren Teil meines Jobs als Bürgermeister, die Termine auch vielfach selbst wahrzunehmen. Die Büroarbeit ist übrigens der Schwerpunkt meiner Arbeit mit circa 60 Wochenstunden. Wir sind ein tolles Team im Verwaltungsvorstand - alle packen gemeinsam mit an.”

Er unterteilt seine Position in drei Rollen: Die des Bürgermeisters, um in den direkten Dialog mit Bürgerinnen und Bürger zu gehen. Die der Politik, um die Beschlussvorlagen und Berichtsvorlagen in die Ausschüsse und den Stadtrat zu geben und seine Dienste in rund 30 Gremien zu erfüllen (z.B. Aufsichtsrat des Klinikum HSK, Stadtwerke - beide Gremien kraft Amts; Berufung und Wahl als Verwaltungsfachmann in den bundesweiten Verwaltungsrat der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement). Und letztlich auch die Rolle des Verwaltungsleiters, der rund 1.350 Mitarbeitende führt. „Ich habe ein tolles Team um mich herum, ohne das alles gar nicht möglich wäre.”

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Bittner ist ein Mensch, der seinem Gegenüber respektvoll gegenübertritt – auch jungen Menschen. Er sieht er es als eine seiner Grundaufgaben an, so sagt er, jedem und jeder einzelnen neuen Auszubildenden und Praktikanten persönlich die Hand zu schütteln, als sie ihre Arbeitsverträge unterschreiben. „Das gab es vor ihm nicht, dass der Bürgermeister sich bei der Vertragsunterzeichnung persönlich vorstellt”, sagt Anna Heße (Personalchefin), „das ist eine echt schöne Form von Wertschätzung.”

Louisa hält ihm den Rücken frei

Seine „Herzenscrew” hingegen führt seine Frau, Anna Louisa. Sie kümmert sich um das Familienmanagement. Einst studierte sie Jura, nun hält sie ihrem Ehemann und Bürgermeister den Rücken frei. Gern begleitet sie ihn auch mal zu Terminen, hält sich jedoch ansonsten bewusst aus der Öffentlichkeit heraus. „Ohne meine Frau könnte ich das alles nicht richtig machen!”, sagt Ralf Paul Bittner. Sie habe sich damals nicht über seine Kandidatur gewundert. „Sie sagte: Ich habe es gewusst. Wir gehen den Weg zusammen!”

Insgesamt hat Bittner sieben Kinder. Drei bereits erwachsene Söhne, die aus seiner ersten Ehe stammen. Vier Töchter, die mit ihm und seiner Frau unter einem Dach leben. Die Familie sei es nicht, die zeitlich hinten rüber falle. Eher seine Hobbys. Das Motorradfahren, Fußballspielen bei den Altherren oder auch die Gartenarbeit. Und, so gibt er zu, auch das Kicken auf dem Bolzplatz mit seinen Söhnen. Aber „meine Familie steht absolut hinter mir”, ist sich Bittner sicher. Auch wenn eine seiner Töchter in der Schule schonmal wegen seines Jobs „blöd angemacht” worden sei. Seine Älteste sei mittlerweile aber selbst in die SPD eingetreten - und seine Jüngste sage immer: „Mein Papa ist übrigens Bürgermeister.”