Oeventrop. Am Ende einer sich aufheizenden Bürgerversammlung in Oeventrop zieht Immobilienbesitzer Angebot ans Land zurück.

Das Thema ZUE in der ehemaligen Salus-Klinik im alten Kloster Oeventrop ist vom Tisch. In einer sich zunehmend hitziger entwickelnden Bürgerinformationsveranstaltung in der Ruhrtalhalle Oeventrop zu den Plänen der Bezirksregierung Arnsberg für eine Errichtung einer Zentralen Unterbringungseinrichtung für geflohene Menschen stand Immobilienbesitzer und Investor Christoph Kraas plötzlich auf, ging ans Mikrofon und verkündete: „Ich sage hiermit ab. Das Vorhaben spaltet den Ort.“ Der zuvor ausgebuhte Oeventroper erntete dafür Jubelrufe, tosenden Applaus und Glückwünsche zu seiner Entscheidung.

Unser Kommentar zur Versammlung>>>

Kurz zuvor hatte Christoph Kraas noch gesagt, es sei vereinbart worden, dass man nach der Bürgerinformation in der Ruhrtalhalle „zwei Nächte drüber schlafen“ wolle. Schließlich aber wurde der Druck einer gegen eine ZUE in Oeventrop eingestellten Dorfgemeinschaft zu groß. „Ich habe immer gesagt, dass ich das nur mit Unterstützung des Ortes mache“, so Kraas. Die aber war von Beginn an in der mit 750 Besuchern gefüllten Halle – und auch davor, wo weitere 100 Oeventroper die Versammlung am Bildschirm verfolgten – nicht gegeben. „Wenn ich den Vertrag mit der Bezirksregierung abgeschlossen hätte, hätte ich hier mit meiner Familie wegziehen können“, so Kraas.

Schwerer Stand auf dem Plenum: Dezernentin Christina Schäfer (von links), Abteilungsleiter Andreas Hohlfeld, Dezernentin Klaudia Wiechers, Immobilienbesitzer Christoph Kraas, Beigeordneter Christopher Hilverling und Sozialamtsleiter Michael John (beide Stadt Arnsberg).
Schwerer Stand auf dem Plenum: Dezernentin Christina Schäfer (von links), Abteilungsleiter Andreas Hohlfeld, Dezernentin Klaudia Wiechers, Immobilienbesitzer Christoph Kraas, Beigeordneter Christopher Hilverling und Sozialamtsleiter Michael John (beide Stadt Arnsberg). © Unbekannt | Martin Haselhorst

Was als Informationsveranstaltung gedacht war, wurde schnell zu einer Protestkundgebung. Anfangs betonte Andreas Hohlfeld, der zuständige Abteilungsleiter der Bezirksregierung, noch, dass „es noch keine abschließende Entscheidung gibt, es in Oeventrop für eine ZUE aber eine sich konkretisierende Realisierungsmöglichkeit“ gäbe. Er erläuterte das Problem steigender Flüchtlingszahlen und „einer globalen Aufgabenstellung, die auch lokal zu lösen“ sei. Die Bezirksregierung müsse die ZUE einrichten, um auch einen Puffer für überforderte Kommunen zu schaffen.

„Langweilig!“-Rufe

Klaudia Wiechers, Asyl-Dezernentin der Bezirksregierung, versuchte zu erklären, was in einer ZUE passiere und welche Betreuung Geflohene dort erfahren. Das aber interessierte nicht alle. „Langweilig“-Rufe wurden mit großem Applaus bedacht. Mehr interessierte die gekommenen Oeventroper da schon der konkrete Planungsstand zu diesem Zeitpunkt. Angedacht war eine Mietdauer von fünf Jahren mit einer Kapazität von 450 Plätzen ab 1. Juli 2024. Ab Januar 2024 sollten vorab schon Container für eine vorübergehende Aufnahme auf dem Gelände aufgestellt werden.

Christoph Schmidt: „Eine sozialpolitische Zumutung“>>>

Als Christoph Kraas zum ersten Mal ans Rednerpult ging, schlug ihm, der sich als „Oeventroper durch und durch“ bezeichnete, offene verbale Aggression entgegen. „Ich kann Sorgen verstehen“, sagte er und warb dennoch für das Projekt. Anteile aus den Mieteinnahmen wolle er für wichtige Dorfprojekte zur Verfügung stellen. „Lasst uns drüber schlafen und dann vernünftige Lösungsansätze rund um eine ZUE in Oeventrop finden“, sagt er. Allen „Frustrierten“ gab er mit auf den Weg, „dass die AfD keine Option“ sei.

Das Live-Protokoll des Abends>>>

In der Fragerunde kippte die Stimmung dann aber völlig. „Eine ZUE so nah am Wohngebiet beraubt unsere Kinder um ein Stück Lebensqualität“, so ein Anwohner aus der Egge in Oeventrop. Als Andreas Hohlfeld später erklärte, dass auch „Dorint in Neheim ein idealer Ort gewesen wäre, aber das Umfeld das Problem ist“ und die „Wirkungen auf das Umfeld“ gegeneinander abzuwägen seien, zeigten sich die Oeventroper fast schon aufgebracht. Mehr noch als der Abteilungsleiter eine Frage mit dem Hinweis auf „Kriminalität, sexuelle Belästigungen, Diebstähle und Einbrüche durch eine ZUE in der Nähe“ damit erwiderte, dass ihm „in der Nähe von ZUE keine signifikante erhöhte Kriminalität“ bekannt sei. Mit Verweis auf einen Brandbrief des Soester Bürgermeisters widersprach ein Oeventroper. Andere schrien: „Das ist eine Lüge!“

Da reichte es Christoph Kraas. Er stand auf und zog sein Angebot an die Bezirksregierung zurück.

Der Oeventroper CDU-Ratsherr Christoph Schmidt sprach von einem guten Ausgang der Versammlung und einer guten Entscheidung für Oeventrop. Sein Vorgänger Klaus Büenfeld verwies auf die Integrationsleistung Oeventrops bei der Flüchtlingskrise 2015. „Da haben wir ganz viel geleistet. Und darauf bin ich heute noch stolz. Jetzt aber ist das Dorf geschlossen gegen die ZUE gewesen“, so Büenfeld. Und dann dürfe so etwas nicht umgesetzt werden.