Bredelar. Martina Sorgenfrey-Melliwa schließt ihre Apotheke in Bredelar. Dabei läuft sie gut. Doch der Sauerländerin blieb am Ende keine andere Wahl.
Martina Sorgenfrei-Melliwa schließt ihre Apotheke in Bredelar bei Marsberg - unfreiwillig. Obwohl die Apotheke sich besser denn je trägt, auch aufgrund der Arztpraxis gegenüber und dem immer kleineren Versorgungsnetz, bleibt der Apothekerin nichts anderes übrig. Der Grund für das Aus der traditionsreichen Apotheke ist Personalmangel. Martina Sorgenfrey-Melliwa findet kein Personal mehr, nun bleibt ihr nichts anderes mehr übrig, als zu schließen. Eine Entscheidung, die schmerzhaft ist.
Apotheke in Bredelar hat Höhen und Tiefen durchgemacht
Nordrhein-Westfalen hat im vergangenen Jahr 118 Apotheken verloren. Ein Rückgang von 26 Prozent bundesweit, wie Martina Sorgenfrey-Melliwa sagt. In diesem Jahr wird sie ihre Apotheke in Bredelar ebenfalls schließen. Eine Apotheke, in der sie als Kind groß geworden ist. Eine Apotheke, die in der dritten Generation geführt wird. Sie kennt die Kunden, manchmal von früher, manchmal schon von Kindesbeinen an. Sie kennt die Menschen, kennt ihre Krankheiten, ihre Wehwehchen, weiß von persönlichen Geschichten und Zukunftsplänen der Menschen. Eine Apotheke ist etwas Persönliches. Hier sprechen Menschen über ihre Gesundheit, ihren Körper und manchmal auch über das was in ihrem Kopf vorgeht. In einer Apotheke kommt die ganze Facette des Lebens zum Tragen, ab der Geburt bis hin zum Altwerden. Martina Sorgenfrey-Melliwa hat 35 Jahre lang zugehört, geholfen wo sie konnte, Ratschläge gegeben, Small Talk gehalten. Sie hat Höhen und Tiefen durchgemacht. Wenn sie über die Schließung spricht, dann blinzelt sie in manchen Momenten die Tränen weg. „Die Entscheidung fiel mir extrem schwer, ich hatte immer wieder Hoffnung, es war ein Wechselbad der Gefühle, eine hochemotionale Sache. Ich hatte viele schlaflose Nächte.“ Schlussendlich bleibt Martina Sorgenfrey-Melliwa keine Wahl.
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Verschiedene Gründe für das Aus der Marsberger Apotheke
Sie kann analytisch genau erklären, wieso der Personalmangel das Aus für Ihre Apotheke bedeutet. „Da gibt es unterschiedliche Gründe.“ Zum einen sei der Job wahnsinnig anspruchsvoll, man müsse viel Verantwortungsbewusstsein mitbringen. Davor schrecken viele zurück. „Man arbeitet sechs Tage die Woche in einer Apotheke. Natürlich habe ich versucht, den einzelnen Mitarbeiterinnen entgegen zu kommen und ein interessantes Arbeitszeitkonstrukt zu schaffen, dennoch wollen viele das so nicht mehr übernehmen“, erklärt Martina Sorgenfrey-Melliwa. Hinzu komme, dass der Job eine stetige Bereitschaft zur Weiterbildung erfordere, wer sich nicht weiterbildet, wird abgehängt.
PTA-Schulen in der Region nur rar gesät: Standort noch in Olsberg
In der Region seien zudem viele PTA-Schulen geschlossen worden, in Olsberg sei zwar noch eine geöffnet, dennoch würden in dieser Gegend einfach zu wenig PTAs ausgebildet. Durch den demografischen Wandel wird diese Entwicklung laut Martina Sorgenfrey-Melliwa noch verschärft. Nicht nur werden hier kaum noch PTAs in der Region ausgebildet, viele verlassen diese auch, weil ein Leben im Sauerland für sie nicht attraktiv erscheint. „Viele der Auszubildenden wandern zudem in andere Bereiche ab.“ Dabei sei die Arbeit in der Apotheke ein sicherer Job. „Die Ausbildung qualifiziert für viele Berufe und wir sprechen von einem gesicherten Arbeitsplatz.“ Allerdings, die zweijährige Ausbildung ist schulisch, in dem Zeitraum verdienen die Auszubildenden kein Geld. Nicht hilfreich, um Berufseinsteiger zu überzeugen an die PTA-Schulen zu gehen.
Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird zur Herausforderung
Eine weitere Herausforderung sei, dass der Beruf der PTA fast ausschließlich von Frauen ergriffen werde. Diese aber würden irgendwann in der Regel in den Mutterschutz gehen und danach oft als Teilzeitkräfte wiederkommen. Schlussendlich müssen Apotheken dann noch mehr Personal finden, um die Teilzeitstrukturen abdecken zu können.
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Martina Sorgenfrey-Melliwa hat gekämpft, um mehr Mitarbeiter zu finden. Sie hat Stellenanzeigen inseriert, hat Werbung in der Apotheke aufgestellt, Kunden angesprochen. Sie ist in die PTA-Schulen gegangen, hat Kollegen in Rente angesprochen, ob diese jemanden wüssten. Auch über die Sozialen Netzwerke hat sie nach Mitarbeiterinnen gesucht. Fehlanzeige.
Ihre Kunden zurückzulassen, schmerzt die Marsberger Apothekerin
„Mich schmerzt es, meine langjährigen Kunden zurückzulassen. Wir haben uns immer gekümmert, haben uns immer reingekniet. Geht nicht, gab es nicht“, sagt Martina Sorgenfrey-Melliwa. In den vergangenen Jahren musste sie mit immer mehr Herausforderungen umgehen, wie beispielsweise die Konkurrenz aus dem Netz. „Dabei ist der Medikamentenkauf etwas sehr persönliches. Natürlich merkt man, dass die Menschen im Internet bestellen, aber das wird nie den persönlichen Kontakt ersetzen. Wir sind Anlaufpunkt, wenn es akut wird.“ Und auch mit dem Blick auf die Pandemie kann Martina Sorgenfrey-Melliwa selbstbewusst behaupten: „Wir haben in den letzten Jahren viel geleistet.“ Maskenverteilung organisiert, Impfzentren aufgebaut, verbale Attacken abgewehrt. All das übersteht die Marsberger Apothekerin, den Personalmangel kann sie nicht bekämpfen.
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Sie will ihren treuen Kunden aus Marsberg danken
Am 31. Januar ist ihr letzter Tag, danach muss sie den Betrieb abwickeln. In Zukunft will sie wieder mehr mit ihrem Mann verreisen, vielleicht auch vertretungsweise in anderen Apotheken aushelfen. Vor allem will sie aber danke sagen, all ihren treuen Kundinnen und Kunden. „Viele bedanken sich bei mir, aber das möchte ich gerne zurückgeben. Das so viele Kunden mir liebe Worte schenken, das zeigt auch eine wunderbare Seite und versöhnt mich ein bisschen. Selbst Kunden, von denen ich das nie gedacht habe, verdrücken ein Tränchen.“
Auf einem Schild im Eingang nimmt das gesamte Team Abschied, winkt in die Kamera des Bildes. Darunter ein Text, ein Abschiedsbrief an die Kunden. Eine lange Reise gehe nun zu Ende, steht da. „In dieser Zeit haben wir nicht nur Medikamente ausgehändigt, sondern auch viel zugehört und viel geredet. Wir haben Probleme gelöst, Fehler gemacht und Fehler behoben.“ Man habe gemeinsam gelacht und geweint. „Wir waren in der Not auch mitten in der Nacht da, und täglich war unser „Pillentaxi“ bei Wind und Wetter unterwegs. Es fehlt uns nicht an Freude an der Arbeit, es fehlt uns nicht an Kundenzuspruch, nur: wir sind einfach zu wenige, und Verstärkung ist nicht in Sicht.“ Sie und ihr Team schreiben: „Wir werden Sie vermissen!“
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