Titmaringhausen/Hochsauerland. Ohne Bienen keine Bestäubung, ohne Bestäubung kein Obst. Fachmann Norbert Schmidt erklärt, wie Imker im Sauerland Völker vor Feinden schützen.

Was wäre die Natur ohne Bienen? „Es gäbe keine Bestäubung mehr, die Obstbäume würden keine Früchte bilden, unsere ganze Landschaft würde verarmen. Das wäre wirklich schlimm.“ Die Worte von Norbert Schmidt stimmen nachdenklich. Der 72-jährige Fachmann aus Titmaringhausen ist nicht nur von Kindesbeinen an Imker. Er ist auch ausgebildeter Bienensachverständiger, Imkerberater des Landesverbandes Hessen und Mitglied im Kreisimkerverein Brilon. Mit Sorge beobachten er und seine Mitstreitenden, dass immer mehr Honig in den Supermarktregalen gepanscht ist. Dass immer mehr Bienenvölker von invasiven Arten und Krankheiten bedroht werden und dass immer mehr Honig aus anderen Ländern importiert wird. Laut Statistischem Bundesamt waren es 2023 insgesamt 64.200 Tonnen - davon 18.500 Tonnen aus EU-, der Rest aus Nicht-EU-Ländern. „Dabei könnten wir selbst genug Honig in und für Europa produzieren. Aber es geht dabei um Politik und um die Pflege von Handelsbeziehungen“, bedauert Schmidt.

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Trotz aller Sorgen ist die Imkerei ein faszinierendes Hobby, das es in sich hat: „Wenn ich die Kiste aufmache, allein schon diesen einzigartigen Geruch wahrnehme…Und wenn ich dann sehe, was da los ist, wie es wimmelt, dann bin ich jedes Mal aufs Neue beeindruckt und begeistert“, sagt Schmidt. Und den anderen Mitgliedern des Kreisimkervereins geht es vermutlich ähnlich. Der Zusammenschluss auf Altkreis-Ebene setzt sich zusammen aus den Ortsvereinen Hallenberg-Züschen (32 Mitglieder), Olsberg (28), Niedersfeld (27), Marsberg (76), Medebach (30) und Brilon (68). Sie alle pflegen einen regen Austausch untereinander und treffen sich zum Beispiel am Samstag, 18. Januar, um 14 Uhr im Gasthof Rath in Gevelinghausen zu ihrer Jahresversammlung; dort wird am Rande auch das Thema „Nachwuchs“ wieder einmal aufs Tapet kommen und es geht um Fortbildungen. Das ganze Jahr über werden Schulungen und Vorträge für Imker - aber auch für alle anderen Interessierten - angeboten. Am 8. März geht es zum Beispiel im Gasthof Rath in einem einen Fachvortrag mit einem Referenten aus Hamm um das Thema asiatische Hornisse.

Norbert Schmidt aus Titmaringhausen ist Imker und Sachverständigerr. Im Sommer ist an seinem Stand viel Leben, jetzt warten die Insekten noch auf mildere Temperaturen.
Norbert Schmidt aus Titmaringhausen ist Imker und Sachverständigerr. Im Sommer ist an seinem Stand viel Leben, jetzt warten die Insekten noch auf mildere Temperaturen. © WP

Um den Nachwuchs bei den Imkern könnte es besser bestellt sein. „Wir haben schon vieles versucht, um junge Leute anzuwerben. Aber die Imkerei - übrigens auch ein Ausbildungsberuf - ist ein sehr zeitaufwändiges Hobby. In Städten gibt es mehr Nachwuchs-Imker als in ländlichen Regionen, wo viele andere Vereine um die Gunst junger Leute buhlen“, erklärt Norbert Schmidt. Außerdem erfordere das Hobby sehr viel Disziplin, Zuverlässigkeit und Genauigkeit. So muss im Sommer alle sieben Tage ein Blick in den Bienenstock geworfen werden. Denn das ist die Zeit, in der die fleißigen Insekten gerne ausschwärmen und den Stock verlassen. „Man kann nach fünf Tagen schauen und nach sechs Tagen – aber nicht erst nach acht Tagen. Dann sind sie weg“, so der Fachmann. Er und seine Vereinskollegen wissen das zu verhindern, indem regelmäßig die sogenannten Schwarmzellen herausgebrochen werden. „Jemand, der neu mit den Bienen anfängt, sollte einen erfahrenen Imker am besten ein Jahr lang begleiten – um Erfahrungen zu sammeln und um zu sehen, ob es das Richtige für ihn oder sie ist.“

„Es gäbe keine Bestäubung mehr, die Obstbäume würden keine Früchte bilden, unsere ganze Landschaft würde verarmen. Das wäre wirklich schlimm.“

Bienen-Experte Norbert Schmidt auf die Frage, was die Welt ohne Bienen wäre
Kreisimkerverband

Jetzt im Winter ist es ruhig im Bienenstock. Die Insekten sind draußen in ihren Holzkästen, haben zuletzt im August eine ordentliche Ladung Zuckernahrung bekommen, von der sie jetzt noch zehren. Das Ausflugloch ist geöffnet, aber erst ab 12 Grad Außentemperatur würden die Insekten das erste Mal hervorlugen. Dennoch muss der Imker auch im Winter regelmäßig nach dem Rechten sehen. Waschbär und Specht mögen es süß und machen sich gern über die Bienen her. Die hängen wie eine Traube in ihrer Behausung und wechseln immer wieder mal die Positionen vom Innern der Traube nach außen. Dadurch kommt jeder einmal vom kuscheligen Kern nach außen und umgekehrt.

Blick in einen Bienen-Schaukasten.
Blick in einen Bienen-Schaukasten. © WP

Strukturen und Hierarchien unter Bienen sind sehr speziell und interessant: Nur einmal in ihrem Leben wird die Königin von 20 bis 25 Drohnen begattet; den Samen sammelt sie in der sogenannten Spermathek. Im Januar beginnt die Königin dann mit der Brut. Bis zum Sommeranfang legt sie jeden Tag bis zu 2000 Eier, so dass das Volk von rund 3000 „Staatsangehörigen“ im Winter auf 30.000 im Sommer anwächst. Dafür krabbelt die Königin im Stock über die Waben und vermisst dabei die Größe der Zellen. Für Arbeitsbienen (weiblich) werden kleinere, für Drohnen (die männlichen Bienen) größere Waben angelegt. Die Königin erkennt dadurch anhand der Zellgröße, ob Drohnen oder Arbeiterinnen gewünscht sind. Ein Wunder der Natur! Wenn ein Ei den Eileiter durchwandert, drückt die Königin entweder auf die Spermathek (für ein befruchtetes Ei) oder eben nicht für ein unbefruchtetes Ei (für eine Drohne).

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Die Bienenkönigin - man kann sie je nach „Qualitätsstufe“ für eine Preisspanne zwischen 25 und 150 Euro einzeln kaufen - kann bis zu fünf Jahre alt werden, eine Arbeiterin dagegen nur vier bis sechs Wochen. Drohnen sterben direkt nach der Begattung einer Königin – falls es nicht dazu kommt, werden sie bis zu 50 Tage alt. „Dieses ganze Sozialgefüge macht die Imkerei so spannend. Und noch längst ist nicht alles erforscht“, sagt Norbert Schmidt, der damit noch kein Wort über die Honigernte mit ihren einzelnen Arbeitsschritten verloren hat. Das wäre ein eigenes Kapitel für sich.

Fortbildung und Nachwuchsförderung

Eine Biene macht noch keinen Sommer - es dauert noch, bis die Insekten wieder ausschwärmen. Aber die Imker nutzen die Zeit jetzt, um sich fortzubilden.
Eine Biene macht noch keinen Sommer - es dauert noch, bis die Insekten wieder ausschwärmen. Aber die Imker nutzen die Zeit jetzt, um sich fortzubilden. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Das gilt leider auch für neue Krankheiten, um die es bei einem Vortrag im Rahmen der Jahreshauptversammlung geht. Von der Faulbrut oder der Varoamilbe haben einige vielleicht schon gehört. „Seit einiger Zeit haben wir mit der Tropilaelaps-Acariose zu kämpfen; das ist eine Milbenkrankheit. Und auch eine neue asiatische Hornissenart, die Vespa Velutina, ist in Hessen schon sehr massiv angekommen“, sagt Schmidt. Der globale Weltmarkt lässt auch hier grüßen. Und wenn solche Exoten erst einmal in heimischen Gefilden ansässig geworden sind, ohne natürliche Fressfeinde zu haben, bedeutet das immer eine Gefahr für andere Arte wie die Honigbienen. Zur Bekämpfung bakterieller Krankheiten kommen in der Regel biologische Methoden zum Einsatz, denn schließlich soll der Honig ja ein Naturprodukt bleiben. Chemie ist das letzte Mittel der Wahl.

Bei der Bienenzucht wird Wert darauf gelegt, möglichst friedliche Völker mit wenig Aggression zu züchten.
Bei der Bienenzucht wird Wert darauf gelegt, möglichst friedliche Völker mit wenig Aggression zu züchten. © WP

Apropos Honig: „Die Ernte im vergangenen Jahr war gut. Wir hatten den Löwenzahn als erste Tracht und vor allem auf den Fichten-Kalamitätsflächen blühten sehr viele Him- und Brombeeren. Das Wetter war feucht und warm, fast schon eine Art Urwaldluft, so dass wir hier im Raum Medebach im Schnitt pro Volk um die 40 Kilo Honig ernten konnten. Der Ertragsdurchschnitt liegt zwischen 20 und 50 Kilo, fällt regional sehr unterschiedlich je nach Standort und Klima aus. Das gilt selbst innerhalb des Altkreises Brilon“, erklärt Norbert Schmidt. In diesem Jahr sei der Honig auch dünner als sonst – keine Frage der Qualität, sondern eine Frage der Nektarzusammensetzung. „Letztlich hat jede einzelne Charge einen eigenen Geschmack und eine eigene Konsistenz.“

Bienenfreundlichkeit

Noch ein Gedanke zum Thema „Bienenfreundlichkeit“. Wer heimische Wildblumen sät oder Insektenhotels baut, tut damit Wildbienen und anderen Insekten sehr wohl einen Gefallen und sollte das auch weiterhin tun. „Wildbienen haben es hier ohnehin schwer. Es gibt kaum noch faule Bäume mit Löchern und auch an den Häusern ist alles dicht und versiegelt, sodass sie dort keinen Unterschlupf finden“, erklärt der Fachmann. Man müsse aber unterscheiden zwischen Wild- und Honigbienen. „Die Honigbiene hat davon eher weniger Nutzen. Sie ist ein staatenbildendes Insekt, sammelt ihren Nektar auf großen Flächen und käme ohne den Imker nicht aus. Und genauso hat die Wildbiene in einer agrarstrukturierten Gegend kaum eine Chance.“

Ein echtes Naturprodukt: Bienenhonig.
Ein echtes Naturprodukt: Bienenhonig. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

Das Thema Imkerei bleibt spannend, auch wenn niemand dem Irrglauben erliegen sollte, damit Geld verdienen zu können. Schmidt: „Aus dem Honigverkauf lassen sich höchstens die Aufwendungen für das Hobby decken.“ Wer sich dafür interessiert, kann sich an die Mitglieder der jeweiligen Ortsverbände wenden. Viele – so auch Norbert Schmidt – bieten im Sommer regelmäßige Veranstaltungen an Lehrbienenständen an – damit die Natur auch künftig nicht ohne Bienen auskommen muss.