Brilon. Christian Lindner nutzt den FDP-Neujahrsempfang in Brilon, um mit scharfen Worten gegen Robert Habeck und die Grünen auszuteilen.
Christian Lindner hat schon mindestens einen Vortrag hinter sich, als er am Samstag das Kolpinghaus in Brilon betritt. Erst der FDP-Neujahrsempfang in Paderborn, jetzt der nächste im Hochsauerlandkreis. Doch von Müdigkeit keine Spur. Das Kolpinghaus gleicht einer Festung. Beamte des Bundeskriminalamts bewachen jeden Ausgang, die Schlange vor dem Einlass ist lang. Jeder Besucher wird einzeln abgetastet, bevor er den Saal betreten darf.
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Nähe zum Publikum
Die Kennzeichen auf dem Parkplatz zeigen: Die Menschen sind nicht nur aus dem Hochsauerlandkreis gekommen, auch Mitglieder anderer Parteien sind anwesend. Der Grund für die verschärften Sicherheitsmaßnahmen liegt nur wenige Tage zurück: Bei einer ähnlichen Veranstaltung hatte eine Lokalpolitikerin der Linken dem FDP-Chef eine Torte aus Rasierschaum ins Gesicht geworfen.
Von der Bühne will Christian Lindner an diesem Tag nichts wissen. Nach der Begrüßung durch den Kreisvorsitzenden Carlo Cronenberg - vermutlich zum letzten Mal als Bundestagsabgeordneter - und Cronenbergs Stellvertreterin Louisa Frese, die ihn als „schlimmsten Albtraum des links-grünen Mainstreams“ ankündigt, bleibt der FDP-Chef demonstrativ vor dem Publikumsgraben stehen. Nur Zentimeter trennen ihn von der ersten Reihe. Die Nähe zum Publikum ist gewollt, das wird sofort klar.
Lindner, der sich in Paderborn schon warmgeredet hatte, beginnt mit einer persönlichen Geschichte über seinen Urgroßvater, der Konditor gewesen sei. Die kürzliche Tortenwurf-Attacke nimmt er zum Anlass für eine erste Spitze: „Die Linke hat keine Ahnung von Genuss“, ruft er in den Saal. Das Publikum applaudiert, die Stimmung ist auf seiner Seite.
Der FDP-Chef wirkt an diesem Abend erstaunlich gelöst. Er spricht frei und überrascht mit einem Eingeständnis: „Ich habe mich aus der politischen Korrektheit entfernt.“ Dann wird er noch deutlicher und spricht über den Koalitionsbruch. Er hätte „15 Milliarden Euro am Grundgesetz vorbeischleusen müssen“, erklärt er. „Dann hätte ich keine Selbstachtung mehr.“ Die entspannte Haltung des Parteichefs steht damit in deutlichem Kontrast zur prekären Lage seiner Partei. Nach aktuellen Umfragen droht der FDP bei der Wahl im Februar das Aus im Bundestag.
„Subventionen und Verbote“
Im Zentrum seiner Rede steht die heimische Wirtschaft. Mit spürbarer Ironie erzählt er von einer Sitzung des Internationalen Währungsfonds: „Neben mir saß der französische Finanzminister, der mich auf einmal anstieß, nach oben zeigte und sagte: Guck mal da, das ist doch Berlin.“ Das Bild der deutschen Hauptstadt diente als Illustration für die globale Wachstumskrise. Lindner strukturiert seinen Vortrag entlang der Begriffe Arbeit, Leistung, Freiheit und Realismus. Dabei teilt er heftige Seitenhiebe gegen seine ehemaligen Koalitionspartner aus. Den Grünen und der SPD wirft er vor, ihre Wirtschaftskonzepte basierten ausschließlich auf „Subventionen und Verboten“. Mit beißendem Spott erinnert er daran, dass die FDP unter Hans-Dietrich Genscher schon Umweltpolitik machte, „als die Grünen noch mit Steinen geschmissen haben“.
Die aktuellen Maßnahmen gegen den Klimawandel stellt er grundsätzlich in Frage: „Wir verschrotten funktionierende Maschinen, um dann eine neue Maschine dahinzustellen, wobei das dem Klima am Ende gar nichts bringt.“ Auch bei der Energiewende sieht er Einsparpotenziale: „Als ich jung war, gab es noch überall die Hochspannungsmasten. Heute will man nur noch Erdkabel verlegen. Mit einem Wechsel auf Hochspannungsmasten können insgesamt 34 Milliarden Euro eingespart werden.“
Politikwechsel nur mit der FDP
Auch die CDU bekommt ihr Fett weg. Mit einem Augenzwinkern in Richtung des anwesenden Carlo Cronenberg prophezeit Lindner zwar, der nächste Kanzler werde aus dem Hochsauerlandkreis kommen - „und es ist nicht Carlo Cronenberg“ - kritisiert aber die Anpassungsfähigkeit der Christdemokraten: „Wenn die CDU mit der SPD koaliert, wird sie rot. Wir wissen alle, was passiert, wenn die CDU mit den Grünen koaliert.“ Seine Schlussfolgerung: „Einen Politikwechsel gibt es nur mit der FDP.“
Besonders scharf attackiert er den grünen Wirtschaftsminister: „Ich bin nicht dafür, dass Robert Habeck sein Zerstörungswerk fortsetzt.“ Zum Schluss nimmt er sich noch die AfD und überraschenderweise Elon Musk vor. Die Alternative für Deutschland sei „keine Alternative für irgendwas“, ihr Plan eines EU-Austritts würde Deutschland den „größten Absatzmarkt“ kosten. Dem Tech-Milliardär Musk unterstellt er verborgene Motive: „Musk ist Anhänger der Maga-Bewegung (Anm. d. Red.: Make America great again/Mache die USA wieder großartig) und die hat nichts anderes im Sinn als die amerikanische Wirtschaft zu stärken und die Deutsche zu schwächen.“
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Das hörte sich jedoch vor einigen Tagen noch ganz anders an, als Lindner forderte „man müsse auch in Deutschland mehr „Milei und Musk wagen“. Diese Ansicht korrigiert er nun teilweise: „Elon Musk ist unverändert der erfolgreichste Unternehmer der Gegenwart. Verändert hat sich nur die Einsicht, dass politisches Urteilsvermögen nicht unbedingt Hand in Hand geht mit unternehmerischer Gestaltungskraft“, so Lindner abschließend.