Referinghausen. Hanni und Reinhard Schlechter waren 50 Jahre lang das Küsterehepaar in Referinghausen. Mit 77 Jahren gehen sie nun in den verdienten Ruhestand.

Für die Silvesternacht verfolgten Hanni und Reinhard Schlechter einen ganz konkreten Plan. Als die Glocken das neue Jahr einläuteten, setzten sich die beiden in die Kirchenbank, holten einmal tief Luft, um Gottes Segen für das neue Jahr zu erbitten und um dankbar und zufrieden auf ein gutes halbes Jahrhundert zurückschauen. Ziemlich genau 50 Jahre lang haben „Schweizes Hanni und Reiner“ mit großer Sorgfalt, hohem Engagement und aus tiefster christlicher Überzeugung den Küsterdienst in der kleinen St.-Nikolaus-Kirchengemeinde versehen. Nun treten sie mit 77 Jahren in den wohl verdienten Ruhestand.

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„Ein bisschen komisch ist mir schon. Es wird erstmal ungewohnt sein. Aber daran wird man sich gewöhnen. Irgendwann muss es auch mal gut sein, wir werden ja auch nicht jünger“, sagt Hanni Schlechter. Ein letztes Mal hat sie vor einigen Tagen mit ihrem Mann die Krippe auf den Stufen vor dem Altar und die Christbäume daneben aufgebaut. Kinder, Schwiegerkinder und Enkel haben nicht nur dabei oft mitgeholfen. „Der Baum links steht schief. Da müssen wir nochmal dran“, sagt Hanni, während sie hier und da am Moos zuppelt, das sie und ihr Mann schon im Sommer gesammelt und in der Garage getrocknet haben.

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Kirchenküster Reinhard Schlechter bei der Arbeit. © WP | Thomas Winterberg

Die Kirchgänger sehen oft nur das fertige Ergebnis, den perfekten Stall von Bethlehem, den großen Gabentisch zum Erntedank, das Adventsgesteck oder den prachtvollen Blumenschmuck im Mai rund um die Mutter-Gottes-Statue. Kaum jemand kann ermessen, wie viele Arbeit hinter so einem Küster-Dienst steckt. „Viele Blumen habe ich zu Hause aus dem Garten mitgebracht. Hier und da durfte ich mir auch welche in einigen Privatgärten abschneiden – aber nicht überall“, sagt Hanni Schlechter.

148 Sterbefälle und 120 Taufen

Morgens die Kirche aufschließen, sie abends wieder absperren, in den Anfangsjahren drei Messen pro Woche betreuen und diverse Andachten - jedes Mal einen Fußweg von rund 500 Metern hin und wieder zurück auf sich nehmen - allein das summiert sich zu einigen tausend Kilometern. Bei 148 Sterbefällen, 120 Taufen, über 50 Trauungen und für 92 Kommunionkinder haben die beiden im Laufe ihrer Küsterzeit dafür gesorgt, dass die kleine Kirche stets angemessen geschmückt und beheizt war, dass der besondere Tag für die Menschen auch wirklich ein besonderes Ereignis wurde. Und wie oft hat der Küster die elektronische Steuerung bedient, wenn der Organist mal nicht zur Stelle war.

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Mal eben übers Wochenende wegfahren – das ging für die beiden so gut wie nie. Und wenn zum Beispiel der Termin der Erstkommunion in Referinghausen mit einem privaten Termin in der Familie kollidierte, dann haben die beiden sich aufgeteilt. Einer feierte, der andere küsterte. Dienst ist Dienst. Und manche Dienste wie das Totengeläut, das die Angehörigen beim Küster bestellen müssen, sind nicht vorhersehbar. „Mich hat es immer berührt, wenn dann Leute bei mir angerufen und gefragt haben: Reiner, wer ist denn tot? Das zeigt doch, dass man sich noch um den anderen sorgt und kümmert“, erzählt Reinhard Schlechter.

Gutes Händchen gehabt

Zu dem kirchlichen Dienst als Nebenbeschäftigung sind die beiden damals ganz unverhofft gekommen. Offenbar hatte der Vorgänger im Amt, Moritz Deimel,  ein gutes Händchen und einen guten Riecher bei der Auswahl seiner Nachfolge. „Damals hat uns Onkel Moritz gefragt, ob wir uns nicht vorstellen könnten, in seine Fußstapfen zu treten. Wir konnten den kleinen Zuverdienst gut gebrauchen und haben ,Ja!‘ gesagt. Wenig später starb er; sodass wir uns schnell in die Sache einarbeiten mussten“, sagt Reiner Schlechter.

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Noch ein Sternchen für die Mutter Gottes: Hanni Schlechter dekoriert die Kirche weihnachtlich. © WP | Thomas Winterberg

Die Stunden, die im Laufe der Jahre zusammengekommen sind, vermögen die beiden heute nicht mehr zu zählen. Die Pfarrer und Messdiener, denen sie ins Gewand geholfen haben, auch nicht mehr. Lange bevor die Messe beginnt, hat der Küster seinen Einsatz. Glocken läuten, Kerzen, Mikrofone und Lichter anmachen, Wasser und Wein bereitstellen, die Messbücher rauslegen, das Gewand für den Priester in der jeweiligen Farbe vorbereiten, die Messdiener/innen für ihren Dienst einteilen und anleiten und hinterher alles wieder abräumen und Klar Schiff machen - die Liste ließe sich um ein Vielfaches verlängern.

Verdient

Die Ausgestaltung der Sternwallfahrt zum Marienkapellchen ist und war den beiden stets ein großes Anliegen und gern erinnert sich Reinhard Schlechter an die Zeiten, als es noch jede Menge Messdiener gab und gemeinsam gezeltet wurde. Hanni Schlechter erinnert sich noch mit Schrecken daran, dass eines Morgens kurz vor Mess-Beginn ein alter Hut über der Figur der schmerzhaften Mutter Gottes hing. „Den habe ich aber noch schnell eingesammelt, Keine Ahnung, wer den dort vergessen hatte.“

Im Pfarrbrief heißt es: „Ein halbes Jahrhundert lang haben sie nicht nur ihre Kirche gepflegt, sondern auch ein Stück Gemeinschaft und Zusammenhalt gestiftet. Ihre Hingabe und Treue und ihr persönliches Glaubenszeugnis, das dadurch zum Ausdruck kommt, sind eindrucksvoll und hinterlassen eine prägende Spur in der Gemeinde.“ In der Messe am  5. Januar werden die beiden offiziell verabschiedet. Im Anschluss findet eine Feier im Gemeinderaum des Pfarrhauses statt, um ihre Verdienste noch einmal gemeinsam zu würdigen und sich persönlich zu bedanken. Die beiden haben es verdient.