Marsberg/Hochsauerlandkreis. Der Verkehr in Oesdorf ist gefährlich für Kinder. Seit Jahren kämpfen die Eltern vor Ort um mehr Sicherheit, jetzt wurden sie kalt übergangen.

Alfred Müller ist sauer. Der Ortsvorsteher von Oesdorf betont, dass er da allerdings nicht der einzige sei. „Die Stimmung ist schlecht bei den Eltern und Anwohnern.“ Der Grund: ein Ortsbesuch von Polizei und Hochsauerlandkreis auf der Heitemeyerstraße, bei dem es um einen Antrag auf einen Zebrastreifen bzw. ein Tempolimit gegangen war. Anwohner sehen eine Gefahrenlage, insbesondere für Kinder die zur Kita und zum Bus gehen. Der Kreis und die Polizei sehen das anders (wir berichteten). Die Wut im Dorf wächst, auch, weil die Eltern mittlerweile aus der Diskussion ausgeschlossen werden.

Oesdorf bei Marsberg: Eltern werden bei Ortsbesuch schlicht ignoriert

„Die Sachbearbeiterin hat mir schon vor dem Ortsbesuch erklärt, dass sie nicht kommen wird, wenn Eltern ebenfalls vor Ort sein werden. Und auch beim Termin selbst wurde mir gesagt, dass man nicht ausgestiegen wäre, wenn die Eltern jetzt auch an der Straße stehen würden“, schildert Müller. Für den Ortsvorsteher ein Unding. Er findet, gerade nach dem jahrelangen Einsatz der Eltern vor Ort hätten sie es verdient, ebenfalls an dem Ortstermin teilzunehmen und ihre Sorgen loszuwerden. Wie der Termin dann abläuft, ist für Alfred Müller noch frustrierender, denn schnell ist klar, dass es weder seitens der Polizei noch des Kreises eine Bereitschaft gibt, an der Heitemeyerstraße tätig zu werden. „Ich wurde sogar gefragt, ob ich es toll fände, ständig auf Tempo 30 zu drosseln, wenn ich hier hochfahre. Ich habe geantwortet, dass ich mich stets an die Geschwindigkeiten halte.“ Alfred Müller fragt die Polizei an diesem Tag: „Muss denn erst etwas passieren, bis ihr wachwerdet?“ So sei das nicht gemeint, sei als Antwort gekommen. „Ich hatte eine Wut“, sagt Alfred Müller heute.

Hochsauerlandkreis lehnt den Antrag aus Oesdorf komplett ab

Am 8. Oktober erreicht ihn die Ablehnung seines Antrags. Darin heißt es, seine Sorge sei nachvollziehbar, allerdings folgt darauf eine ausführliche Begründung, dass ein Fußgängerüberweg beziehungsweise eine Geschwindigkeitsbegrenzung nicht die rechtlichen Vorgaben erfüllen. Ein Tempolimit könne nur eingerichtet werden, wenn eine Gefahrenlage bestehe, etwa durch die Streckenführung oder andere örtliche Umstände, bspw. wenn an der Straße direkt ein Kindergarten liegt. Hier entscheiden nur wenige Meter darüber, ob ein Tempolimit eingeführt werden könnte, denn die Kita Regenbogen liegt direkt hinter der Einmündung der Rittergasse, die von der Heitemeyerstraße abführt. Seitens des Kreises heißt es auf Anfrage der WP dazu, dass eine besondere Gefahrenlage im vorliegenden Fall objektiv nicht gegeben sei. „Zwar handelt es sich in direkter Nähe des Kindergartens um eine Kurvenlage, doch ist - auch unter Berücksichtigung der Verkehrsbelastung - eine sichere Querung der Straße auch für Kinder in zumutbarer räumlicher Nähe auf gerader Strecke möglich.“ Auffällige Unfallzahlen oder sonstige Hinweise auf besondere Gefährdungen liegen laut Kreis nicht vor. Das bestätigt auch Michael Schemme, Pressesprecher der Polizei auf WP-Anfrage.

Marion von Rüden lebt in Oesdorf und setzt sich für mehr Verkehrssicherheit ein, denn die Landstraße 636 ist viel befahren und mitunter gefährlich zu überqueren. Die Mutter ist nicht die einzige, auch andere Dorfbewohner, die Kitaleitung und der Ortsbürgermeister setzen sich für mehr Sicherheit ein.
Marion von Rüden lebt in Oesdorf und setzt sich für mehr Verkehrssicherheit ein, denn die Landstraße 636 ist viel befahren und mitunter gefährlich zu überqueren. Die Mutter ist nicht die einzige, auch andere Dorfbewohner, die Kitaleitung und der Ortsbürgermeister setzen sich für mehr Sicherheit ein. © WP | Jana Naima Schopper

Fußgängerüberweg und Tempolimit in Oesdorf nicht umsetzbar

Ein Fußgängerüberweg ist in dem Schreiben abgelehnt worden, da das Verkehrsaufkommen mit 200 Fahrzeugen pro Stunde zwar ausreiche, aber keine Daten zur Anzahl der Fußgängerquerungen vorliegen. Nach Angaben des Kreises wären 50 bis 100 Fußgänger pro Stunde nötig, um einen Überweg zu rechtfertigen. Zwar queren laut Alfred Müller viele Kinder zu Stoßzeiten die Straße, vor allem zur nahegelegenen Bushaltestelle, doch eine offizielle Zählung wurde bisher nicht durchgeführt. Des Weiteren wird durch den Kreis begründet, dass ein Fußgängerüberweg auf der kurvigen Heitemeyerstraße nicht angelegt werden könne, aufgrund der fehlenden Sichtverhältnisse. Die schlechte Sicht durch die kurvige Straße sei aber für die Kinder, die die Straße überqueren, keine Gefahr und somit kein Argument dafür, dass die Sichtweiten eine gefahrlose Überquerung der Straße nicht zulassen. Michael Schemme betont, ein sicheres Überqueren der Straße sei möglich. „Kleine Umwege sind in Kauf zu nehmen.“ Entsprechendes Training zum sicheren Überqueren der Straße sollte in den Alltag integriert werden. Die Arbeit der Beamten liege in der Prävention, aber auch im Training mit den Familien und den sozialen Einrichtungen. Hier sei die Vorbildfunktion der Eltern besonders wichtig.

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Die Mutter ist nicht die einzige, auch andere Dorfbewohner, die Kitaleitung und der Ortsbürgermeister (hinten, rote Jacke) setzen sich für mehr Sicherheit ein.
Die Mutter ist nicht die einzige, auch andere Dorfbewohner, die Kitaleitung und der Ortsbürgermeister (hinten, rote Jacke) setzen sich für mehr Sicherheit ein. © WP | Jana Naima Schopper

Anwohner sollen von erneuten Anfragen absehen

Abschließend heißt es in dem Schreiben an den Ortsvorsteher: „Sollte sich an der rechtlichen oder örtlichen Situation keine grundlegenden Änderungen ergeben, bitte ich von weiteren Anträgen dieser Art Abstand zu nehmen bzw. werde ich keine weiteren Ausführungen dieser Art vornehmen.“ Ortsvorsteher Müller und auch die Eltern empfinden diese Absage als Schlag ins Gesicht. Der Kreis argumentiert: „Die Angelegenheit wurde in den vergangenen Jahren wiederholt thematisiert, unter Beteiligung aller Fachbehörden geprüft und vor Ort, auch dem Ortsvorsteher, erläutert. Solange sich die Rechts- oder Sachlage nicht ändert, machen weitere, stets inhaltsgleiche Erläuterungen aus hiesiger Sicht wenig Sinn. Gleichwohl erhalten alle Bürgerinnen und Bürger bei konkreten Nachfragen und Anregungen stets eine Antwort.“

Alfred Müller, Oesdorf

„Muss denn erst etwas passieren, bis ihr wachwerdet?“

Alfred Müller
Ortsbürgermeister in Oesdorf

Polizei und Kreis nehmen Stellung

Auf Alfred Müllers Frage, ob denn erst etwas passieren müsse, bevor man tätig werde, nehmen Kreis und Polizei Stellung. Für alle am Verfahren beteiligten Stellen stehe die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer, insbesondere der Kinder, stets im Fokus so der Kreis. Als Maßnahme sei bereits vor Jahren in beide Fahrtrichtungen das Gefahrenzeichen „Kinder“ angebracht worden. Michael Schemme erklärt: „Die Sorgen sind vollkommen nachvollziehbar und es ist unsere oberste Priorität, alle Bereiche im Hochsauerland so sicher wie möglich für die Gemeinschaft zu gestalten.“ Man arbeite mit Städten und weiteren Institutionen zusammen, um sichere Lösungen zu finden. Verkehrsrechtliche Maßnahmen sollten selbstverständlich nicht erst dann getroffen werden, wenn sich Unfälle bereits ereignet hätten. „Allerdings muss die konkrete Situation Anlass dazu geben, dass mit (schweren) Unfällen mehr als allgemein zu rechnen ist. Eine solche Situation ist hier jedoch bei einer fachlichen Betrachtung der vergangenen drei Jahre und sogar weiter nicht zu erkennen.“

„Mittlerweile frage ich mich, was das für ein Zeichen für Menschen ist, die sich engagieren und dann an Paragrafenreiterei scheitern.“

Marion von Rüden
Oesdorferin

Marion von Rüden setzt sich schon seit Jahren für mehr Sicherheit auf der Straße ein, auch für ihre eigenen Kinder. Die Mutter aus Oesdorf sagt: „Wir fühlen uns wie vor den Kopf gestoßen.“ Sie setzt sich seit Jahren für mehr Sicherheit ein, hatte zuvor noch das Gespräch mit dem Marsberger Bürgermeister gesucht, der zugesichert hatte, dass man zusammen beim Ortstermin erscheinen könne. Der Bürgermeister nimmt auf WP-Anfrage keine Stellung zu dem Sachverhalt und verweist auf die Straßenverkehrsbehörde des HSK.

Mutter aus Oesdorf ist frustriert

Marion von Rüden ist frustriert. „Wir wurden bewusst ausgeschlossen. Wie soll das unser Vertrauen in die Politik stärken? Jetzt beteiligen wir uns schon politisch und in unserem Ort, werden aber nicht gehört, vielmehr werden wir per Copy und Paste-Antwort abgewatscht. Wir waren nie unhöflich oder unsachlich, wir sind auch nicht penetrant oder fragen jedes Jahr nach. Aber mittlerweile frage ich mich, was das für ein Zeichen für Menschen ist, die sich engagieren und dann an Paragrafenreiterei scheitern.“

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