Marsberg-Oesdorf. Die Kita Regenbogen liegt an der L 636. Die Straße zu queren ist gefährlich. Eine Mutter kämpft für mehr Sicherheit. Doch Behörden weigern sich.
Ein LKW fährt laut röhrend die Heitemeyerstraße in Marsberg-Oesdorf hinab. Er schneidet die Kurve, fährt fast in der Mitte, direkt im Gegenverkehr, und verschwindet dann hinter den Bäumen. Einige Autos kommen hinterher, manche fahren gemäßigt, wieder andere zügig. Ein schwarzes Auto gibt nach der Kurve direkt Gas und rast mit mehr als nur 50 Kilometer pro Stunde an der Rittergasse vorbei, in der nur kurz nach der Einmündung der Eingang zur Kita Regenbogen liegt. Rast vorbei an der Bushaltestelle an der nur wenige Minuten später ein Bus hält und Schulkinder aussteigen. Ein weiteres Auto will den Bus noch schnell überholen, muss dann aber doch warten, bis der Bus zuerst abfährt. Marion von Rüden seufzt. „Und das ist ein Tag, an dem nicht so viel los ist.“
Kita- und Schulkinder müssen in Oesdorf stets die L636 überqueren
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Die Mutter aus Oesdorf setzt sich für mehr Verkehrssicherheit ein – insbesondere für die Kinder im Dorf. Schon letztes Jahr hat sie nicht nur den Bürgermeister der Stadt Marsberg auf das Thema aufmerksam gemacht, sondern auch den Hochsauerlandkreis. Denn für Kinder ist die Heitemeyerstraße gefährlich, dabei müssen sowohl Kita-Kinder als auch Schulkinder diese täglich überqueren. Deswegen wendet sich Marion von Rüden an die Westfalenpost. „Seit Jahren bemühen sich Eltern, eine Geschwindigkeitsanpassung, einen Zebrastreifen oder ähnliches für die Stelle zu bekommen, aber immer wieder werden Gründe genannt, die dies nicht möglich machen. Trotzdem ist das eine Situation, die auch nicht haltbar ist auf Dauer“, schreibt sie in ihrer ersten Nachricht an die WP. „Die Hauptstraße durch Oesdorf ist eine vielbefahrene Straße; wenn die A 44 gesperrt ist und die Umleitung durch Oesdorf genutzt werden muss, ist es oft nahezu unmöglich, auch als Erwachsener die Straße sicher zu überqueren.“
Kitaleiterin und Ortsbürgermeister setzen sich für Sicherheit ein, auch Eltern kommen
Vor Ort ist Marion von Rüden aber nicht allein. Der Ortsbürgermeister Alfred Müller ist gekommen, die Kitaleiterin Alexandra Behlen-Münster steht mit ernstem Gesicht daneben. Maria Zieren, Mutter aus Oesdorf, nimmt ihr Kind auf den Arm. „Nicht, dass er auf die Straße läuft.“ Florian Meise, Familienvater, stößt ebenfalls zu der kleinen Gruppe, die die Gefahren an der Straße schildern. „Hier fehlt seit rund zehn Jahren die Straßenmarkierung“ sagt Florian Meise direkt. „Viele Autos schneiden die Kurve und fahren in den Gegenverkehr.“ Alfred Müller ergänzt: „Viele sind auch viel zu schnell unterwegs.“ Das sagen sie alle. Zu schnell, zu unvorsichtig. Und keiner der Elternteile schickt seine Kinder allein zur Kita oder zum Schulbus. „Früher konnten die Kinder auch mal allein gehen, jetzt ist das kaum mehr möglich“, sagt Marion von Rüden. „Man projiziert seine Ängste um die Sicherheit der Kinder im Verkehr auf seine eigenen Kinder, das ist nicht schön“, sagt Maria Zieren. Sie wollen ihren Kindern Selbstständigkeit zugestehen, doch der Verkehr ist zu laut, zu schnell, zu unübersichtlich. Maria Zieren zeigt auf die Straße, sie steht an der Einmündung Heitemeyerstraße und Johannesstraße. „Die Kuppe vor der Bushaltestelle sorgt außerdem dafür, dass die Kinder die kommenden Autos nicht sehen können.“ Die Bushaltestelle und die aussteigenden Kinder machen das Chaos an der engen Straße komplett, es gibt keine Haltebuchten, der Bus steht auf der Straße, überholende Autos bremsen abrupt wenn sie die Kinder sehen. Sicher scheint das nicht.
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„Ein Zebrastreifen zwischen Rittergasse und Bushaltestelle wäre ideal“
Die Oesdorfer wollen Sicherheit. Ihnen ist bewusst, dass eine 30er-Zone oder eine Fußgängerampel eher unrealistisch ist. Sie verlangen nicht viel. „Ein Zebrastreifen zwischen Rittergasse und Bushaltestelle wäre ideal“, sagt Maria Zieren. Vor der Kurve könne man mit Beschilderung darauf aufmerksam machen. „Oder eine Querungshilfe in der Mitte der Straße, dann können die Autos auch den Bus nicht mehr so einfach überholen“, sagt Kitaleiterin Behlen-Münster.
Bürgermeister verweist in seiner Antwort auf den Hochsauerlandkreis
Diese Lösungen wurden bisher alle abgelehnt. Im Mai 2022 schreibt Marion von Rüden ihren Brief, adressiert an den Bürgermeister der Stadt Marsberg. Er liegt der WP vor. Darin schildert sie, dass es seit Bestehen der Kita, seit 25 Jahren, Bestrebungen von Eltern gegeben habe, einen Zebrastreifen oder eine verkehrsberuhigte Zone an dieser Stelle einzurichten. Die Heitemeyerstraße sei ohnehin eine stark frequentierte Straße, aber durch Sperrungen auf der A44 sei es selbst für verkehrssichere Personen oft schwer, die Straße im Ortskern zu überqueren. Sie appelliert im Sinne der Sicherheit der Kinder an den Bürgermeister, über einen Zebrastreifen oder eine verkehrsberuhigte Zone nachzudenken. In einem Antwortschreiben teilt Bürgermeister Thomas Schröder ihr noch im Mai 2022 mit, dass die Heitemeyerstraße als L636 in der Verantwortung des Hochsauerlandkreises liege, er ihr Schreiben aber weiterleiten werde.
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Hochsauerlandkreis antwortet ihr im September: Mit einer Ablehnung
Am 20. September 2022 bekommt Marion von Rüden eine Antwort des Kreises. In dieser wird die Geschwindigkeitsbegrenzung abgelehnt. Verkehrszeichen seien nur dort anzuordnen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend geboten sei. Diese sieht der Kreis an dieser Stelle nicht. Geschwindigkeitsbegrenzungen an einer Landesstraße seien nur einzurichten in unmittelbaren Bereichen von an der Straße liegenden Kitas, Schulen, Förderschulen oder anderen sozialen Einrichtungen. „Eine solche soziale Einrichtung mit direktem Zugang zur L636 besteht jedoch in dem hier in Rede stehenden Streckenabschnitt nicht“, heißt es in dem Schreiben. Der Eingang der Kita liegt in der Rittergasse, ca. 20 Meter von der Einmündung Heitemeyerstraße entfernt.
Fußgängerüberweg wird abgelehnt, weil nicht genug Autos fahren
Ein Fußgängerüberweg wird in dem Schreiben, das der WP ebenfalls vorliegt, auch abgelehnt. Fußgängerüberwege würden nur dann angelegt, wenn die Verkehrsbelastung dies zulasse und das Fußgängeraufkommen dies nötig mache. Vorgabe sei 50 bis 100 Fußgänger pro Stunde bei gleichzeitigem Verkehr von 200 bis 300 Fahrzeugen pro Stunde. Der Kreis argumentiert die Absage weiter mit einer Verkehrszählung aus dem Jahr 2019. Diese habe durchschnittlich 2406 Autos, LKWs etc. in 24 Stunden ergeben. „Rechnerisch ergibt sich eine Verkehrsbelastung von 96 KFZ in der Stunde und somit 1,6 KFZ in der Minute. Bei knapp 2 Fahrzeugen in der Minute bestehen ausreichende Zeitlücken, um die L636 zu überqueren.“ Selbst bei einer Umrechnung der durchschnittlichen Verkehrsdichte auf 12 Stunden (aufgrund des geringe Verkehrs in der Nacht) kommt der Kreis auf 3,34 KFZ pro Minute. Die Kriterien für einen Fußgängerüberweg seien hier nicht erreicht, zumal dazu noch die 50 bis 100 Fußgänger pro Stunde als Kriterium dazukäme. Eine Querungshilfe sei aufgrund der zu engen Fahrbahn ebenfalls nicht einzurichten.
„Hier fahren doch nicht nur zwei Autos pro Minute durch.“
Marion von Rüden hat die Briefe in einer Mappe zum Ortstermin mitgebracht. Sie schüttelt den Kopf, wenn sie über die Absagen redet. „Hier fahren doch nicht nur zwei Autos pro Minute durch. Und gerade, wenn auf der A 44 eine Sperrung ist, staut sich alles durch den Ort. Diese Argumentation verstehe ich einfach nicht.“ Ihre Tochter steht neben ihr, auf dem Rücken noch den Schulranzen. Sie ist mit dem Bus gekommen. „Manchmal geht es, manchmal ist es schwer, die Straße zu überqueren“, sagt sie.