Willingen. Neustart für den Sauerlandstern: Die Hotel-Chefs sprechen Klartext über Partys und Krawall-Gäste und wie sie nun ihr Image neu erfinden.

Im Foyer des Sauerlandsterns ist es voll. Groß-Check-in. Hinter der Rezeption ist das Oktoberfest ausgebrochen. Blau-weiß-karierte Kacheln, Bilder von einer Maß Bier und Trachten-Hüten. Überall hängen kleine Fähnchen, steht Deko, Wiesn-Stimmung. Vor der Rezeption hat sich eine Schlange gebildet. Stimmengewirr. Oktoberfest-Party in Willingen? An den Jacken der eincheckenden Gäste hängen Namensschilder. Groß-Konferenz. Geschäftsreisende. Hier und da schieben Mütter und Väter Kinderwagen durch die Menge. Familienurlaub. Grölende Partygäste? Fehlanzeige. Der Sauerlandstern hat einen alten Ruf: Feierschuppen in der Party-Hochburg Willingen. Was ist von diesem Bild übrig, 50 Jahre nach der Eröffnung?

Sauerlandstern in Willingen: Clubimage noch nicht komplett vergessen

André Altgen, Geschäftsführer des Sauerlandsterns, und Vivien Otto, die für das Marketing des Hotels zuständig ist, sitzen an einem der Tische zwischen Bar und Rezeption. Von der Unruhe, den Tagungsgästen und dem Trubel lassen sie sich nicht ablenken. Und unangenehme Themen scheuen sie auch nicht. „Natürlich wird man auf das Clubimage angesprochen“, sagt Vivien Otto. „Aber wer daran noch denkt, der war vor 30 Jahren das letzte Mal hier“, sagt André Altgen.

Sie wollen weg vom Schmuddel-Image, das dem Hotel in Willingen nachgesagt wird. Und sie sind fest überzeugt: Sie sind es bereits los, das Party-Image. „Wenn man junge Menschen nach dem Sauerlandstern fragt, wissen die meisten damit nicht viel anzufangen“, sagt André Altgen ehrlich. Bedeutet: Der Geschäftsführer und sein Team, dem neben ihm auch Heinrich Will (Geschäftsführer und Gesellschafter) vorsteht, fahren eine andere, mittlerweile etablierte, schon jetzt erfolgreiche Strategie. „Wir konnten mittlerweile drei starke Säulen etablieren. Da sind die Tagungsgäste, die Aktivurlauber und die Familienurlauber. Das macht den Sauerlandstern aus.“

3000 Personen können im Willinger Sauerlandstern zur Tagung zusammenkommen

Sauerlandstern Willingen
Der Sauerlandstern in Willingen wird 50 Jahre alt: Vivien Otto (Digitales Marketing) und André Altgen (Geschäftsführer). © WP | Jana Naima Schopper

Bis zu 3000 Personen können zwecks Tagung im Willinger Sauerlandstern zusammenkommen. „Wir bringen viel mit, was die Gäste zufrieden stellt.“ Geschäftsreisende und eben Konferenzen machen einen großen Teil der Gäste im Sauerlandstern aus. Hinzu kommen die Aktiv-Urlauber. Biken, Wandern, Skifahren - Willingen bietet viel, der Sauerlandstern profitiert, steckt aber auch viel in den Ort. „Wir arbeiten mit den Freizeitbetrieben und der Stadt zusammen, um mit einem neuen Marketingkonzept dafür zu sorgen, dass wir nicht mehr nur über die einzelnen Angebote sprechen, sondern über Willingen als Destination.“ Ganz ähnlich wie eben über Winterberg gesprochen wird, was Altgen auf ein gutes Marketing seitens der Stadt und den Betrieben zurückführt. Ein Positivbeispiel, an dem man sich orientiere. Dazu dreht der Sauerlandstern an einigen Stellschrauben. Aktuell sei eine Influencer-Kampagne an den Start gegangen. „Party war da kein Thema. Wir hatten nicht nur Aktivurlauber hier, sondern auch drei Mütter, die als Influencerinnen unterwegs sind. Junge Mütter mit Kindern. Natürlich wurde unter ihren Reels kommentiert, dass man den Sauerlandstern nicht mit Familienurlaub verbindet. Aber wir haben in nur zwei Tagen 300 neue Follower generieren und dagegen argumentieren können“, erklärt Vivien Otto. „Wenn der Partyvorwurf kommt“, sagt Altgen, „entgegne ich immer: Haben Sie sich in den letzten 20 Jahren denn nicht verändert?“

Es gibt noch Partywochenenden im Sauerlandstern Willingen

Sauerlandstern
Der Sauerlandstern in Willingen. © WP | Sauerlandstern
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So sollen die Zimmer nach der Renovierung aussehen... © WP | Sauerlandstern
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... modern und schick. © WP | Sauerlandstern

In der Herbstzeit gibt es manchmal Partys. Insgesamt sind es sechs Wochenenden, an denen die Partygäste im Sauerlandstern einen guten Teil der Gäste ausmachen. Früher waren es vierzehn Wochenenden. Mittlerweile gibt es im Sauerlandstern eine hohe Präsenz an Sicherheitsdienst-Mitarbeitern, die mit Fingerspitzengefühl dafür sorgen, dass sich die unterschiedlichsten Gäste wohl fühlen. „Generell wird in Willingen ja restriktiver gegen Partytourismus vorgegangen“, erklärt André Altgen. Ein wichtiger Schritt, das sei klar. Dennoch mag er den Partytourismus nicht gänzlich verteufeln. „Das war ein Zugmagnet, gerade für das Ruhrgebiet. Die Menschen dort haben es verlangt, wir haben es geliefert.“ Altgen macht keinen Hehl daraus, dass man an dem Partytourismus gut verdient habe. Außerdem nimmt er Einzelfälle, wie der nackt-badende Mann im Ententeich während Viva Willingen mit Humor. „Menschen, die sich daneben benehmen, sind nur ein kleiner Teil der Leute, aber doch nicht ein ganzes Klientel. Wir hatten auch schöne Momente im Partytourismus. Wir hatten einen guten Umsatz.“ Dennoch: Der Sauerlandstern entwickelt sich weiter.

Influencer machen Werbung für familienfreundlichen Sauerlandstern in Willingen

Dafür nehmen die Geschäftsführer auch Geld in die Hand. Allein 2025 sollen rund 2 Millionen Euro in die Sanierung einiger Zimmer fließen. „Wir können leider nicht alles auf einmal machen, aber das Ziel ist es, die Zimmer nun nach und nach anzugehen“, erklärt Vivien Otto. Modern sollen sie werden, geräumig, bequem. Familienzimmer kommen beispielsweise mit Schlafcouchen und Tischen für Gesellschaftsspiele. Tatsächlich gibt es schon einen neuen Spielraum für Kinder, mit Automaten und Air-Hockey-Tisch. Irgendwann, allerdings ist noch nicht klar wann, soll auch die stillgelegte Kegelbahn, die früher so viele Stammtisch-Ausflüge angezogen hat, zum Erlebnis-Raum für Kinder werden - auf 400 Quadratmetern. Der Sauerlandstern nimmt den Image-Wechsel ernst. Tatsächlich gibt es mittlerweile auch eine Familienbonuskarte, mit der man vergünstigt Aktionen und Betriebe ansteuern kann. Win-Win für alle Beteiligten, wie Altgen betont.

Konkurrenz in Willingen schläft nicht: Zwei neue Hotels im Bau

„Die Konkurrenz schläft nicht, in Willingen entstehen zwei neue Häuser. In der Vergangenheit haben wir rund 3,5 Millionen Euro in den Brandschutz gesteckt, jetzt geht es an sichtbare Veränderungen. Wir investieren jährlich, haben dadurch keinen Sanierungsstau. Wir können nicht 100 Prozent erneuern, aber wir werden das verstärkt angehen“, so André Altgen. Apropos Willingen, dem Ort will das Hotel viel zurückgeben. Im Zuge der Nachhaltigkeitszertifizierung hat Vivien Otto schon Müllsammel-Aktionen mit Einrichtungen vor Ort gestartet. Handwerker und Produkte werden oft regional ausgesucht. Altgen sagt: „Wir wollen den Ort unterstützen, denn ohne den Ort sind wir nichts.“

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