Hochsauerlandkreis. Ukrainische Truppen sind bei Kursk auf russisches Gebiet vorgedrungen. Der Sauerländer Militärexperte Patrick Sensburg analysiert die Lage.
Ukrainische Soldaten machen Fortschritte in der russischen Region Kursk. Der Sauerländer Militärexperte Patrick Sensburg, gibt seine Einschätzung zu den potenziellen Folgen des Angriffs für die Ukraine und für Russland ab.
Die Ukraine hat nach eigenen Angaben im Oblast Kursk rund 1000 qm Gebiet eingenommen. Wie ist Ihre Einschätzung: Kann die Ukraine das Gebiet langfristig halten?
Patrick Sensburg: Ob die Ukraine das eroberte Gebiet langfristig halten kann, werden die nächsten Wochen zeigen. Die Frage ist auch, ob sie dies überhaupt will. Fakt ist, dass die Ukraine zur Sicherung dieser eroberten Gebiete eine Menge Kräfte nachführen müsste, die dann an anderer Stelle fehlen. Deshalb müssen wir zunächst abwarten, was die operativen und strategischen Ziele der ukrainischen Offensive sind.
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Experten sehen auch Risiken bezüglich der Militäroperation für die Ukraine: Wie schätzen Sie das ein?
Natürlich bergen Offensivoperationen auch immer ein Risiko. Sollte es der russischen Seite gelingen, durch die ukrainische Front durchzubrechen, könnten die in Kursk in den Kampf geworfenen Brigaden aufgerieben werden. Doch zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich diese Entwicklung keineswegs ableiten. Bis jetzt sehen wir, dass die Ukraine zwar langsamer, aber stetig vorankommt. Russische Truppen werden gebunden und von anderen Teilen der Front und anderen russischen Oblasten nach Kursk verlegt. Gleichzeitig hat die Ukraine deutlich gemacht, wie leicht sie auf russisches Territorium eindringen kann. Dazu wurden unzählige Kriegsgefangene gemacht, die nun mit ukrainischen Kriegsgefangenen ausgetauscht werden können. Von daher sind der Ukraine einige beachtliche Erfolge gelungen.
„Putin braucht neue Soldaten für einen Gegenschlag und für sein weiteres Vorgehen in der Ukraine – und bald kommt schon wieder der Winter.“
Was bedeutet es innenpolitisch für Putin, dass der Krieg nun auch auf russischem Territorium ausgetragen wird?
Hier kann ich nur mutmaßen. Doch, dass die Ukraine den Krieg auf russisches Territorium verlagert hat und Russland und vor allem die russische Bevölkerung den Krieg nun unmittelbar zu spüren bekommt, dürfte Putin Sorgen bereiten, denn ein starker autokratischer Herrscher lebt von seinem Nimbus der Unbesiegbarkeit. Wir sehen aber auch, dass der Kreml die Schuld auf Generalstabschef Gerassimov abzuladen versucht. Dies ist typisch für Diktaturen: Der Diktator befielt, nur die schwachen Untergebenen bekommen es nicht hin.
Halten Sie es für denkbar, dass Putin eine zweite Mobilmachung anordnet?
Ja, das halte ich für möglich, denn schon jetzt werden Soldaten aus Murmansk und Kaliningrad nach Kursk verlegt. Putin braucht neue Soldaten für einen Gegenschlag und für sein weiteres Vorgehen in der Ukraine – und bald kommt schon wieder der Winter.
„Ich sehe bisher keine Änderung in der Bereitschaft der westlichen Regierungen, die Ukraine in ihrem Abwehrkampf zu unterstützen. Der Westen hilft zu wenig, doch die militärische Unterstützung hält weiterhin – sehr zum Missfallen Putins. Deshalb werden wir vermehrt Ziel von hybriden Angriffen, die unsere Unterstützung ins Wanken bringen sollen. “
Wie beurteilen Sie die politische Stimmung bezüglich des Kriegs in Europa und den USA: Ist der Wille, die Ukraine weiterhin langfristig zu unterstützen weiterhin überwiegend vorhanden?
Ich sehe bisher keine Änderung in der Bereitschaft der westlichen Regierungen, die Ukraine in ihrem Abwehrkampf zu unterstützen. Der Westen hilft zu wenig, doch die militärische Unterstützung hält weiterhin – sehr zum Missfallen Putins. Deshalb werden wir vermehrt Ziel von hybriden Angriffen, die unsere Unterstützung ins Wanken bringen sollen. Die Wahlen in den USA werden sicherlich auch mit Spannung im Kreml beobachtet, jedoch glaube ich, dass die Ukraine auch bei Donald Trump als Wahlsieger, weiter unterstützt wird. Dies hat Trump in den letzten Monaten angedeutet.
Was wäre aus Ihrer Sicht ein realistisches Szenario, damit dieser Krieg absehbar beendet werden kann?
Ich nutze diese Antwort zunächst für einen Appell: Wenn Putin all seine Truppen aus der Ukraine zurückzieht und endlich die territoriale Souveränität der Ukraine respektiert, dann endet dieser Krieg sofort. Das wiederholen alle beteiligten Akteure seit dem 22. Februar 2022 und so lange wird hoffentlich unsere Unterstützung aufrechterhalten. Dafür plädiere ich auch in Richtung unserer Regierung. Weiterhin rechne ich damit, dass es unabhängig von Ausgang der US-Wahlen, bereits kurz danach weitere Friedensinitiativen geben wird. Die Landgewinne um Kursk könnten dann für Verhandlungen aus „Tauschgeschäfte“ sehr wertvoll sein. Die Ukraine hat hier vermutlich ein sehr gutes Gespür, zu welchem Zeitpunkt sie auch diplomatisch für Verhandlungen im Vorteil sein muss.
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Zur Person
Prof. Dr. Patrick Sensburg wohnt weiterhin im Hochsauerlandkreis. Er hat eine Professur an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung in Münster.
In den Jahren 2009, 2013 und 2017 gewann er das Direktmandat im Hochsauerlandkreis und war bis 2021 Mitglied des Deutschen Bundestages.
Der Oberst der Reserve ist ehrenamtlich Präsident des Deutschen Reservistenverbandes mit 115.000 Mitgliedern.
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