Rösenbeck.. Großnichte aus der Krupp-Stahl-Dynastie verspricht Sauerländer Oldtimer-Fans Unterstützung bei der Aufarbeitung der Krupp-Lkw-Geschichte.
Sie ist die Nichte des Großindustriellen Alfried Krupp von Bohlen und Halbach. Und eigentlich war Diana Maria Friz davon überzeugt, dass sie als Archivarin und Geschichtsschreiberin der Familie Krupp alles weiß, was mit dem Essener Stahlkonzern zu tun hat. Fast alles. Doch der Zufall soll sie eines Besseren belehren. In der Bad Arolser Hofbibliothek kommt sie mit dem langjährigen Landtagsabgeordneten Manfred Luckey ins Gespräch. Der wiederum erzählt ihr von seinem Vetter Theo Mühlenbein aus Rösenbeck. Und dass dieser ein begeisterter Sammler, Tüftler und Experte in Sachen Krupp-Lkw ist. Stahlproduzent und Lastwagen? Das Kapitel hatte die 80-Jährige nun gar nicht auf dem Schirm. Und so kommt, was kommen musste: Ein Treffen in Rösenbeck.
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Schlüssel rum und „Krupp, krupp, krupp!“
„Krupp, Krupp, Krupp!“ Wenn man den Zündschlüssel des historischen Lkw rumdreht, dann gibt der Motor genau diese Tucker-Laute von sich. „Welcher Laster kann schon seinen Namen sagen?“, lächelt der 76-jährige Mühlenbein. Diana Friz ist überrascht und begeistert. Die enge Verwandte des letzten Stahlkonzern-Alleininhabers ist erstaunt über den Enthusiasmus von Theo Mühlenbein. Alle Facetten der Friedrich Krupp Motoren- und Kraftwagenfabriken GmbH, kurz „Krupp Krawa“, werden ihr beim Besuch gezeigt. Acht Lkw und einen Bus aus dem Hause Krupp nennt der langjährige Steinbruchbetreiber mittlerweile sein Eigentum. Damit hat er von jeder Modellreihe – ob Kipper oder Sattelzug – ein Exemplar, das er teilweise auf abenteuerliche Art erworben und mit Zubehör aus allen Ecken Europas wieder auf Vordermann gebracht hat.
Theo Mühlenbein und seine schwergewichtigen Oldtimer – das ist eine eigene Geschichte für sich: Als junger Bursche macht er eine Lehre bei der Firma „Oehl“ in Brilon, die mit Opel-Pkw und Krupp-Nutzfahrzeugen handelt bzw. sie wartet und repariert. Danach steigt er in den väterlichen Steinbruchbetrieb ein und schätzt auch dort im täglichen Einsatz die Lastwagen mit den drei Ringen an der Front wegen ihrer Robustheit und Beständigkeit. Laien müssen wissen: So ein Zweitakt-Diesel ist im Gegensatz zum Viertakter wesentlich reparaturfreundlicher. Allein schon, weil er weniger Bauteile hat. Außerdem stammen die massiven Achsen aus eigener Fertigung des Essener Stahlkonzerns und auch die dreiteiligen Trilex-Felgen sind viel einfacher auseinander zu bauen als die Sprengring-Modelle.
1968 werden die letzten Krupp-Lkw produziert, aber die Liebe zu den zuverlässigen Arbeitskollegen auf vier Rädern erkaltet nicht. Sie sitzt tief. Später bildet sich eine kleine Schar von Krupp-Lkw-Enthusiasten rund um den Motor-Seelen-Kenner und -versteher Theo Mühlenbein. Dazu zählen Otto von Rüden (ein Fachmann fürs Blech), Mario von Rüden (der Fein-Tuner für Elektrik und Motorfeineinstellung) sowie Rudi Heppe (der Material-Beschaffer). Was die Experten bei langen Schrauber-Abenden zum Teil nur mit Gewindestange, Flachstahl und Euphorie bei der Rekonstruktion von ganzen Teilen schaffen, ist nahezu unglaublich. „Einmal brauchten wir für einen Krupp-Lkw eine Original gewölbte Frontscheibe. Ein Deal kam nicht zustande, weil der Besitzer das Teil schließlich einem Mitbieter für einen astronomischen Preis verkauft hatte. In Litauen sollte eine Nachfertigung möglich sein, die aber zu kostspielig war. Auf einem alten Foto entdeckte ich dann schließlich eine solche Scheibe in Hamburg; dort gab es noch fünf Stück, die er uns sogar geschenkt hat“, berichtet Rudi Heppe. Solche Funde können glücklich machen.
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Größter Coup der Sauerländer ist sicherlich die Restaurierung eines Aral-Renndienst-Busses. Der zwölf Meter lange Werkstattwagen war in den 1960-er Jahren an den Motosport-Rennstrecken im Einsatz. Gefunden hat ihn Theo Mühlenbein später in Salzburg, wo er an einem Schießstand genutzt wurde und ziemlich auf den Hund gekommen war. Es ist der einzige Krupp-Bus weltweit, der überhaupt noch vorhanden ist. Wenn man das alte Foto neben dem inzwischen restaurierten Fahrzeug sieht, traut man seinen Augen nicht. Und so geht es auch Diana Friz.
Im Zeichen der drei Ringe
Drei Ringe kennzeichnen seit 1875 weltweit die Erzeugnisse der Firma Krupp. Das Symbol erinnert an die Erfindung von Alfred Krupp: der nahtlos geschmiedete und gewalzten Eisenbahnradreifen, der 1853 in Preußen patentiert wurde. Heinz-Bruno Hecker aus Niederbergheim, Eigentümer eines seltenen Krupp-Titan, berichtet beim Treffen mit Diana Fritz vom Bestreben Alfried Krupps, dass „die drei Ringe immer auf der Straße bleiben sollen.“ Das hat sich leider nicht erfüllt. Nur ein Jahr nach seinem Tod endet 1968 die Krupp-Lkw Produktion und geht in den Besitz von Mercedes über.
Diana Fritz, die 80-jährige Archivarin und Geschichtsschreiberin der Familie Krupp, ist am Ende der Besichtigung sichtlich beeindrucktund dankbar für den Tag. Diana Maria Fritz, 1944 geboren, ist die Tochter von Waltraud und Enkelin Bertha Krupp von Bohlen und Halbach. Sie wuchs in Argentinien auf, studierte in Deutschland Germanistik und Geschichte, machte ein Ausbildung zur Finanzbuchhalterin, leitete die Finanz- und Personalabteilung eines mittelständischen Unternehmens und war Repräsentantin bei einer Firma für Unternehmensberatung. Von 1995 bis 2010 leitete sie den landwirtschaftlichen Betrieb ihrer Mutter mit 10 000 Rindern in Argentinien. Sie lebt als freie Autorin abwechselnd in Bad Arolsen und in Argentinien.
Die Krupp-Enthusiasten haben 2018 ein Krupp-Liebhaber-Treffen mit ihren alten Fahrzeugen gemacht und statten auch in der Villa Hügel in Essen einen Besuch ab. Dort im Zentrum der Krupp-Dynastie erinnern ganze zwei Fotos an die Geschichte der Krupp-Lkw. Zu wenig finden Mühlenbein und seine Freunde. Und das haben sie bei ihrem Treffen auch gegenüber der Nachfahrin deutlich gemacht. Das 15 Kilometer lange Akten-Archiv von Krupp dürfen sie zwar selbst nicht nach Unterlagen über die Lkw-Geschichte durchstöbern. Aber Diana Friz hat versprochen, dass sich ein Fachmann auf die Suche begeben und die Krupp-Lkw-Freunde mit historischen Daten füttern wird. An Theo Mühlenbein und Heinz Bruno Hecker erging sogar die Aufforderung, ihre Geschichte mit den Lkw schriftlich festzuhalten. Friz: „Wer schreibt, der bleibt - Geschichte muss bewahrt werden und erhalten bleiben.“ Das sehen die Sammler auch so. Für sie ist es Verpflichtung, dieses Vermächtnis um die Geschichte der ganz besonderen Nutzfahrzeuge zu erhalten.