Hochsauerland. Der Dieb gibt sich als Möbelhändler aus und stiehlt etwas viel Wertvolleres: Für ein Ehepaar aus dem HSK beginnt ein langer Versicherungskampf
Der Enkeltrick ist ein alter Hut. „Auf so etwas würden wir niemals hereinfallen“, sagt der weit über 80-jährige Sauerländer. Er und seine Frau möchten namentlich nicht genannt werden. Zu peinlich und unangenehm ist ihnen der Vorfall, der zu Hause passiert ist. Und dann auch noch der ganze Ärger mit der Versicherung, die nicht oder nur wenig gezahlt hat. Aber die beiden möchte andere warnen, dieser Art von Betrügern nicht auch auf den Leim zu gehen. Und sie möchten allen Lesern/innen raten, einen genauen Blick in ihre Versicherungspolicen zu werfen.
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Das Unglück beginnt mit einer Kleinanzeige. Das Ehepaar bietet eine Sitzgruppe zum Verkauf an und hat die Hoffnung schon langsam aufgegeben, als sich doch noch ein gewisser „Herr Winkler“ als Interessent meldet und seinen Besuch ankündigt. „Er hat eine Sitzprobe gemacht, sich die Polster angeschaut und wollte auch gleich noch einen Eichenschrank mitnehmen, der aber gar nicht zum Verkauf stand.“ Seine Leute würden in einer Stunde kommen und die Möbel abholen, gibt der Rentner das Gespräch mit jenem Herrn Winkler wieder. Und bei der Gelegenheit habe der so ganz nebenbei gefragt, ob nicht auch noch alte Bilderrahmen im Haus seien. Auch die gab es.
Goldwert lag bei 1600 Euro
„Wir waren regelrecht euphorisch, dass das alles so gut klappte“, so der Rentner. „Und als wir am Tisch saßen, sagte der Käufer so ganz nebenbei, dass seine Tochter Schmuckdesignerin sei und er ihr immer wieder mal Schmuck mitbringe, der nicht mehr getragen und von ihr umgearbeitet werde.“ Geschickt hatte sich der vermeintliche Händler das Vertrauen des Ehepaares erschlichen, das nicht lange zögerte und ein 585-er Goldarmband mit sichtbaren Gebrauchsspuren hervorholte, das die Gattin schon lange nicht mehr trug. Allein der Goldwert liegt bei 1600 Euro. „Auf einmal legte er 600 Euro auf den Tisch und sagte, er gehe rasch zur Bank, um Bargeld zu holen“, so der betrogene Rentner. Der Rest ist Geschichte. Die Möbel stehen heute noch im Haus und „Herr Winkler“ ward nicht mehr gesehen. „Wir dachten doch, der kommt wieder – dabei hatte er in einem unbeobachteten Moment das Schmuckstück in der Tasche verschwinden lassen.“
Über den finanziellen Verlust ärgert sich das Ehepaar weniger als über seine Leichtgläubigkeit. Die 600 Euro hatten die Betrugsopfer als Anzahlung für die Möbel erachtet; über den Preis für das Armband sei mit keiner Silbe gesprochen worden. „Wir haben sofort eine Betrugsanzeige bei der Polizei gestellt: dort hat man uns auch Fotos aus einer Täterdatei gezeigt, aber der Mann war nicht dabei.“
Zum Glück, so dachte sich das Ehepaar, haben die beiden eine Hausratversicherung, über die Schäden durch „Trickdiebstähle“ versichert sind. Doch auf den Antrag auf Kostenerstattung in Höhe von 1000 Euro kann die Antwort, dass es sich hier nicht um einen Trickbetrug handele. Der liegt laut Versicherung vor, wenn „der Dieb dem Versicherungsnehmer ohne Anwendung von Gewalt (…) durch List und Überraschung Sachen entwendet…Der von Ihnen gemeldete Schaden fällt nicht unter die Definition des Trickdiebstahls, da ein Kaufvertrag durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen zustande gekommen ist.“
Niemals Gegenstände aushändigen
Der Polizei ist dieser konkrete Fall bekannt: „Es gibt aber deutschlandweit mittlerweile durchaus eine Masche, die sich speziell auf Kleinanzeigen im Internet spezialisiert hat“, so Polizeisprecher Michael Schemme. Bekannt ist auch, dass Trickdiebe und -betrüger die Arglosigkeit vor allem älterer Menschen gerne ausnutzen und sie in deren eigener Wohnung bestehlen und betrügen.
Schemme rät: Erstes Ziel der Täter ist: Sie wollen eingelassen werden, damit sie mit dem Opfer allein sind. Diese Personen möchten keine Zeugen dabeihaben, welche dem Opfer möglicherweise noch eine Hilfe sein könnten oder gar die Tat bestätigen können. Mit Ablenkungsmanövern gelingt es ihnen sogar in Anwesenheit des Opfers, dessen Wohnung zu durchstöbern.
Es gibt mehrere Tricks, wie sich diese Täter Zugang zu den Wohnungen verschaffen: Beim Glas-Wasser-Trick werden Übelkeit oder Kreislaufschwäche an der Haustür vorgetäuscht. Beim Papier-Bleistift-Trick geben die Täter vor, dem Nachbarn eine Nachricht hinterlassen zu wollen. Beliebt ist auch der Blumen- oder Geschenkabgabe-Trick: Die Täter möchten etwas zur Verwahrung für einen Nachbarn abgeben
Die Tricks sind endlos erweiterbar. In diesem Fall war es die Kleinanzeige, obwohl es schlussendlich überhaupt kein Interesse an dem Möbelstück gab. So kann man sich gegen Trickbetrug und Trickdiebstahl schützen:
Sehen Sie sich Besucher vor dem Öffnen der Tür an (Türspion, Blick aus dem Fenster). Wenn Sie die Möglichkeit dazu haben, nutzen Sie die Türsprechanlage. Öffnen Sie die Haus- oder Wohnungstür nicht, wenn Unbekannte geklingelt haben. Bieten Sie bei einer angeblichen Notlage an, selbst Hilfe anzufordern oder das Gewünschte (Schreibzeug, Wasser) holen zu gehen. Lassen Sie dabei die Haus- /Wohnungstür geschlossen. Nehmen Sie nichts für Nachbarn ohne deren Ankündigung oder Auftrag entgegen. Ziehen Sie bei unbekannten Besuchern Angehörige oder Nachbarn hinzu oder bestellen Sie sie zu einem späteren Termin, wenn eine Vertrauensperson anwesend ist. Wehren Sie sich gegen zudringliche Personen energisch (machen Sie laut auf sich aufmerksam, um Hilfe zu erhalten, zeigen Sie abweisende Gestik und Mimik). Händigen Sie in keinem Fall Wertgegenstände aus, egal was die Person Ihnen vorspiegelt. Wenden Sie sich an die Polizei, wenn Sie befürchten, Opfer einer Straftat zu werden: Notruf 110.
„Das ist für uns absolut nicht nachvollziehbar. Es gab doch gar keine Preisvereinbarung und auch keinen Kaufvertrag. Und der Mann ist doch eindeutig mit List und Überraschung vorgegangen“, so der Senior, der sich schlussendlich an die Ombudsfrau für Versicherungen in Berlin wendet. Aber auch dort kommt er nicht weiter. „Sie haben – wenn auch nicht ausdrücklich, so zumindest kondulent – zugestimmt, dass der Mann das Armband an sich nahm (…)“ Es liege kein Diebstahl, sondern ein Betrug vor.
Versicher erkennt Rechtspflicht nicht an
300 Euro hat die Versicherung der Familie dann schlussendlich trotzdem gezahlt – ohne Anerkennung einer Rechtspflicht. Dem Versicherungsombudsmann hat der Geschädigte zuletzt vor einigen Wochen eine Mail geschrieben und seine maßlose Enttäuschung mitgeteilt. Vor allem ärgert er sich über die feinen Unterschiede in den Formulierungen „Trickbetrug“ und „Trickdiebstahl“. Er schreibt: Bitte sorgen Sie dafür, dass aus den Versicherungsbedingungen der Begriff ,Trickdiebstahl‘ gestrichen wird und es nur noch ,Diebstahl‘ heißt. Damit würde künftig das perfide Tricksen der Versicherer entfallen…“
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Das Ehepaar hatte in dem Zusammenhang schon einmal Pech. Damals war der Ehefrau des Rentners im Discounter das Portemonnaie gestohlen worden. Auch da gab es die feine Unterscheidung: wäre die Frau von dem Täter angesprochen und bewusst abgelenkt worden, hätte ein Versicherungsschutz gegriffen – bei einem „Nur“-Diebstahl nicht.
Für die Verbraucherzentrale in Arnsberg ist der geschilderte Sachverhalt neu. „Derartige betrügerische Handlungen sind tatsächlich wohl immer noch Ausnahmen. Da es sich dabei dann um Straftaten handelt, wenden sich Ratsuchende damit in der Regel nicht an uns. Allein für den Fall, dass eine Versicherung für den Schaden vertragsgemäß eintreten müsste, kämen wir ins Spiel. Bislang konnten wir speziell dazu jedoch kaum bis keine Anfragen verzeichnen“, so die Leiterin Petra Golly. In puncto Versicherung sagt sie: Das Argument des Versicherers könnte zutreffend sein, was die Abgrenzung von Diebstahl zu Betrug anbelangt.“ Dies sei letztlich abhängig von den geltenden Versicherungsbedingungen und dem konkreten Fall.