Hochsauerland.. Von niedlich zu problematisch: Waschbären bedrohen die Artenvielfalt, weil sie keine natürlichen Feinde haben. Was man gegen Waschbären tun kann.
Für den einen sind sie einfach nur putzig, possierlich und süß. Für den anderen sind sie gefährliche Räuber, die plündern und stehlen. Wann auf den Tag genau der eigentlich aus Nordamerika stammende Eindringling heimischen Boden betreten hat, ist in einigen Fällen sogar genau dokumentiert. So kann der Waschbär in diesem Jahr in unserer Region seinen 90. Geburtstag feiern. Denn 1934 wurden nachweislich zwei Pärchen am Edersee ausgewildert. Auch im Raum Bredelar soll ein Förster zu jener Zeit Tiere in einem Gehege gehalten haben. Wer weiß, ob nicht welche ausgebüxt sind? Fakt ist: Nicht alle erheben heute das Glas auf das schwarz-weiß-gestreifte Säugetier, das vielerorts immer mehr zur Plage wird.
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„Sie haben keine natürlichen Feinde. Sie finden jedes Rebhuhngelege, sie gehen in die Horste der Schwarzstörche und sie fressen einen ganzen Amphibienteich leer, an dem man danach nur noch die Beine der Frösche findet“, sagt Werner Schubert von der Biologischen Station des Hochsauerlandkreises mit Sitz in Brilon. Seiner Ansicht nach müssen die Tiere unbedingt bejagt werden. „Aber die Waschbären sind sehr clever und nicht alle Jäger nehmen das ernst.“
Zunehmende Population
Dass die zunehmende Waschbärenpopulation ein Problem ist, kann auch Ansgar Wulf, Sprecher der HSK-Kreisjägerschaft, nicht leugnen: „Invasive Arten wie der Waschbär stellen eine Bedrohung für die heimischen Ökosysteme dar und bedrohen die Artenvielfalt in diesen Lebensräumen“, erklärt er. Hinzu kommt, dass er ein Überträger von Wildkrankheiten und Parasiten ist - zum Beispiel von Spulwurm und Staupe.
Wie problematisch das sein kann, zeigen Erfahrungen aus dem Kreis Höxter, so Ansgar Wulf: Dort sorge der Waschbär mit steigender Anzahl für einen deutlichen Einschnitt in die Populationen heimischer Amphibien- und Brutvogelarten. Um diese zu schützen, musste nicht nur der Waschbär bejagt werden, sondern auch neuer, geschützter Lebensraum für die bedrohten Arten, wie bodenbrütende Vögel und die Erdkröte, geschaffen werden.
Intelligente Räuber
Waschbären gelten als sehr intelligent. Sie suchen Orte, an denen sie leicht an Beute kommen, immer wieder auf. Das sorgt auch dafür, dass sie sich immer öfter in der Nähe des Menschen ansiedeln. „Obst- und Gemüsereste auf dem Kompost, aber auch tierische Abfälle, ziehen sie magisch an“, warnen Fachleute des Deutschen Jagdverbandes. Auch Pferdeställe und Bauernhöfe, in denen offen zugänglich Katzenfutter steht, werden gern zum Revier auserkoren.
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In der Medebacher Bucht, die wegen des Vorkommens seltener Vogelarten besonders schützenswert ist, läuft zurzeit ein auf fünf Jahre bis Juli 2028 angelegtes, sogenanntes Prädatoren-Management - das ist der gezielte Eingriff von außen in eine Räuber-Beute-Beziehung. Auf einer Fläche von 1500 Hektar wird dabei in fünf Jagdrevieren mit 40 Fallen versucht, die Zahl der Waschbären zu dezimieren. „Der Bestand ist einfach zu hoch“, sagt Alfons Brocke aus Dreislar, der im Vorstand des eigens gegründeten Natur- und Artenschutzvereins Medebacher Bucht tätig ist. Die Jägerschaft hat sich dort das Rebhuhn als Leitbild für alle bodenbrütenden Vogelarten im Offenland gesetzt, das u.a. auch durch die steigende Zahl der Waschbären stark gefährdet ist. Es geht darum, artgerechte Habitate für Rebhühner zu schaffen. Das passiert eben durch die Bejagung, aber auch durch die Anpachtung von Flächen. Kennzeichen des Vereins ist dabei die enge Zusammenarbeit zwischen Naturschutz, Jagd, Landwirtschaft, Fachbehörden und Kommunen. Die Jagd auf den Waschbären sei generell für Jagdpächter und Jäger weniger attraktiv als die auf Schwarz- oder Rotwild, erklärt Alfons Brocke.
Waschbär darf bejagt werden
Grundsätzlich darf der Waschbär, anders als andere tierische Neueinwanderer, bejagt werden: Im Landesjagdgesetz NRW ist die Jagdzeit für Waschbären vom 1. August bis zum 28. Februar festgelegt; Jungwaschbären dürfen sogar das ganze Jahr über gejagt werden. Im HSK ist dabei eine deutliche Steigerung in der Jagdstrecke zu sehen: 2016/17 waren es noch 953 erlegte Waschbären, im Jagdjahr 2022/23 waren es 1511, also fast 600 Tiere mehr. In diesem Rahmen schwankt die Jagdstrecke in diesen Jahren. Nur zum Vergleich: Die Jagdstrecke des Fuchses, einem vergleichbaren Raubjäger, schwankt nur um rund 300 Tiere im Jahr zwischen 2016 und 2366 Tieren.
„Der Waschbär ist in vielerlei Hinsicht unserem heimischen Raubwild überlegen“, so Ansgar Wulf - vor allem durch den ausgeprägten Tastsinn seiner Pfoten und seine Kletterfähigkeiten. Seine Neugierde und Dreistigkeit sieht Wulf allerdings als Schwäche: „Dadurch ist er insbesondere mit der Fangjagd einfacher zu bejagen als mit dem Gewehr und ein Erfolg stellt sich schneller ein als bei einem misstrauischen Fuchs.“
Aber: Nicht jeder Jäger darf die Fangjagd ausüben, denn dafür braucht es eine gesonderte Fangjagdqualifikation. Außerdem ist sie teuer und zeitintensiv. Früher, so Wulf, war das noch eine normale Art, „dem räuberischen Fuchs im Hühnerstall“ Herr zu werden - heute aber sei der Konsument vom Verhalten der Raubjäger nicht mehr direkt betroffen. So gebe es immer wieder von jagdkritischen oder gar jagdfeindlichen Organisationen die Forderung, die Fangjagd oder die gesamte Raubwildbejagung zu verbieten. „Der Waschbär dient als plüschiger Werbeträger und viele wollen nicht wahrhaben, dass es sich um eine invasive Art handelt“, so Ansgar Wulf - sogar bis in die Jägerschaft hinein.
Experten schätzen übrigens, dass es bundesweit bereits mehr als zwei Millionen Waschbären gibt.