Olsberg. Die gebürtige Thülenerin Rabea Dohle ist Berufsberaterin und unterstützt Schulabgängern bei der Jobwahl. Das sind ihre wichtigsten Tipps:

Der Wunsch schien felsenfest: Tierärztin wollte Rabea Dohle mit 16 Jahren werden. Mit 18 hat sie dann aber doch lieber Sozialwissenschaften studiert. Schließlich hat sich die gebürtige Thülenerin nach einem Jahr umorientiert und auf ein duales Studium bei der Agentur für Arbeit umgesattelt. Nun, mit 28 Jahren, ist sie seit 2020 sehr glücklich als Berufsberaterin bei der Agentur für Arbeit in Olsberg. Gemeinsam mit drei Kolleginnen und Kollegen berät sie Jugendliche an weiterführenden Schulen im Altkreis Brilon und vor Ort in der Arbeitsagentur Olsberg. „Probiert euch aus und macht was!“ Das möchte sie den Jugendlichen am liebsten immer wieder raten, wenn es um die Wahl des richtigen Berufs geht.

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Berufsberaterin Rabea Dohle vor der Agentur für Arbeit in der Hauptstraße in Olsberg.
Berufsberaterin Rabea Dohle vor der Agentur für Arbeit in der Hauptstraße in Olsberg. © Sonja Funke | Sonja Funke

Welche Chancen haben die Jugendlichen heute?

Rabea Dohle: Arbeits- und Ausbildungsmarkt sind so gut wie selten. Natürlich ändert sich die Arbeitswelt durch die heutige Informationsgesellschaft rasant. Aber das hat ja für alle auch sein Gutes. Über 40 Jahre im selben Beruf, das wird es so nicht mehr bei vielen geben. Es gibt andererseits so viele Möglichkeiten. Aufstiegsweiterbildung, Spezialisierungsfortbildung, Ausbilder werden - alle Wege stehen einem offen! Ich sage den Jugendlichen nur immer: Du solltest Dir den Beruf, in den Du einsteigst, schon für fünf Jahre vorstellen können. Und wichtig ist es, einen Plan zu haben. Wenn jemand z.B. nach dem Wirtschafts-Abitur erst einmal ein Jahr ins Ausland will, ist das doch super. Nur sollte der Plan über das Jahr hinausgehen, um danach wieder ins System reinzurutschen. Aus dem Ausland heraus ist es zum Beispiel schwierig, eine Bewerbung zu verschicken und ggf. das Auswahlverfahren zu absolvieren. Aber das muss ja dann passieren. Fürs Studium wie für eine Ausbildung gilt es Fristen zu beachten, Dokumente und Ähnliches parat zu haben. Und bewusst sollte jedem sein: Der Kopf ist woanders, wenn man woanders ist, darum besser vorher alles organisieren und genau darüber nachdenken, was dieser Aufenthalt für die spätere berufliche Laufbahn an Mehrwert hat, gute Argumente hierfür parat haben.

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Sie sind sehr für möglichst viele Praktika, oder?

Ich war immer ein großer Praktikumsfan und bin ebenfalls über viele Praktika zu meinem jetzigen Beruf gekommen. Am liebsten würde ich heute noch Praktika machen, weil ich das so spannend finde! Durch Betriebsbesuche, stetige Berufskunde und viele Netzwerktreffen versuchen wir so viel wie möglich über die Berufswelt zu wissen und weiterhin zu lernen. Wir als Berufsberatung können bei der Suche und einer guten Wahl von Beruf und Praktika unterstützen. Es gibt aktuell 328 Ausbildungsberufe, sich da zu orientieren, ist für die jungen Menschen eine echte eine Herausforderung! Wir sehen uns als Berater oder Lotsen im Dschungel der regionalen Möglichkeiten. Wir beraten zu den Bereichen schulische Ausbildung, betriebliche Ausbildung, weiterführende Bildungsgänge zum Erwerb eines höheren Schulabschlusses, Studium, Überbrückungsmöglichkeiten wie Freiwilliges Soziales Jahr, etc. und bieten auch individuelle Unterstützung und Förderung bei Bedarf an. Das alles neutral und kostenfrei.

Wie sehen Sie die Jugendlichen heute?

Toll finde ich die Bandbreite der einzelnen Individuen! Jeder Fall ist anders. Einige wissen genau was sie wollen, sind bodenständig oder sauerländisch wie wir sagen, andere sind noch total überfragt, wenn es um Berufswahl geht. Zielstrebigkeit und Ehrgeiz fehlen mir manchmal in den Gesprächen. Ich vermisse dann das tiefe Interesse und das Brennen für ein Thema. Manche entdecken das nicht in sich. Aber woher soll es auch kommen? Viele sind in einer Gesellschaft groß geworden, in der man alles hat oder machen lässt. Wenn wir etwas zurückschauen in das Familienleben der Vorgeneration, dann wurde selbst tapeziert, es wurden Autoreifen gewechselt. Heute sind Mama und Papa wenig zu Hause. Sie arbeiten und verdienen Geld, davon werden Handwerker etc. finanziert.

Was machen die Jugendlichen dann?

Sie haben das Smartphone und beschäftigen sich am liebsten mit Gamedesign oder anderen digitalen Sachen. Sie kennen die gesamte Bandbreite der Berufe nicht, haben vielleicht auch zu Hause den Anschluss an die Berufsbilder nicht.

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Das heißt, die Unterstützung der Eltern spielt eine große Rolle?

Die Eltern spielen auf jeden Fall eine besondere Rolle, auch nach neuesten Umfragen sind Eltern der größte Einflussfaktor. Da, wo es einen guten Anschluss ans Zuhause gibt, wo die Eltern präsent sind, ist der Rest zumeist unkompliziert. Die Jugendlichen finden ihren Weg bei mir in der Orientierungs- und Entscheidungsberatung recht schnell. Solange sich die Eltern nicht zu viel einmischen, ist es richtig gut, wenn sie mit zum ersten Gespräch kommen. Ich frage dann gern, ob sich die Berufswünsche über die Jahre verändert haben. Ein Schüler sagte mir in einem solchen Gespräch mal, er habe früher Lokomotivführer werden wollen. Jetzt studiert er Medizin! Eine wichtige Frage ist für mich auch: Was machst Du am liebsten in Deiner Freizeit? Wenn jemand gern draußen ist, sollte er statt Architekt vielleicht doch lieber Bauingenieur werden. Und wichtig: Die Universität ist lange nicht für alle der Königsweg. Ein Studium ist schon sehr Grundlagen orientiert. Wenn sich dabei allerdings Eltern zu sehr einmischen und z.B. sagen, der Beruf ist total blöd, dann werden viele Ideen im Keim erstickt.

Nicht wenige finden ja wie Sie über Umwege zum eigentlichen Job.

Ja, denn jeder Mensch kann ja auch mehrere Dinge gut! Wir haben z.B. ein extra Beratungsnetzwerk für so genannte Spurwechsler, die doch noch einen ganz anderen Weg einschlagen wollen. Das sind meist sehr erfolgreiche Fälle, denn diese jungen Erwachsenen wissen jetzt, was nicht richtig für sie war. Unternehmen sind da sehr offen und nehmen gern alle Vorerfahrungen mit.

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Aber was, wenn Jugendliche durchhängen, den Anschluss nicht hinbekommen, Ängste entwickeln?

Das ist ein wichtiges Thema. Heute merke ich einen großen Druck bei den Jugendlichen, dass sie Angst haben, eine falsche Entscheidung zu treffen. Obendrauf kam Corona, die soziale Entfremdung, jeder war in seinem Mikrokosmos zu Hause. Diese Zeit war für die Jugendlichen mit am schwersten, denn sie brauchen Input aus der Schule und dem sozialen Umfeld, um daran zu wachsen. Teilweise kommen Jugendliche zu mir, die schon zwei Jahre ohne konkrete Vorstellungen zu Hause sind, manchmal sind es auch nur ein paar Wochen. Wir gucken in jedem Fall, was es für Möglichkeiten gibt, und haben verschiedene Unterstützungsleistungen im Angebot. Wir helfen in allen Situationen. Falls gar keine Ideen da sind, käme zum Beispiel eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme mit praktischer Erprobung in Frage, eventuell auch mit Unterricht, oder ein Nachholen des Hauptschulabschlusses. Die Berufsschule ist schon sehr anspruchsvoll, aber wir vermitteln auch Nachhilfe. Das wird extrem gut angenommen, um die Ausbildung erfolgreich abzuschließen.

Ihr Tipp für den Start ins Berufsleben?

Traut Euch, probiert Euch aus! Alles ist besser, als nichts zu machen! Und kommt bei uns vorbei, gern auch mit Euren Eltern! Ich glaube, ich kann mich – wie meine Kollegen - ziemlich gut auf mein Gegenüber einstellen und Euch so helfen, das zu erreichen, was Ihr wollt. Wir schauen, welche Qualifikationen für welchen Beruf benötigt werden, welche Fähigkeiten Ihr mitbringt und vermitteln – wie gesagt - sogar Nachhilfe. Es gibt so viele Unterstützungsmöglichkeiten, nutzt sie!