Brilon/Willingen. Ganz legal unter freiem Himmel die Nacht erleben - Trekkingplätze machen das jetzt möglich. In Brilon laufen die Jäger Sturm.
Auch wenn das Thermometer nachts schon am Gefrierpunkt kratzt: Das kann hartgesottene Outdoor-Freunde nicht davon abhalten, im Freien zu übernachten. Auf Diemel- und Uplandsteig waren am Wochenende noch vier der neun Trekkingplätze belegt. Trekkingplätze, das sind ganz speziell an Premium-Wanderwegen angelegte Holzplateaus zum Zelten für zwei bis vier Personen. Die sollen auch am Briloner Kammweg angelegt werden, und zwar im Bereich der „Feuereiche“ in Nähe der Bruchhauser Steine und zum anderen bei den „Hirschplätzen“ auf dem Hemberg bei Bontkirchen.
Letzteres gefällt aber weder dem Forst noch der Jägerschaft. Forstamts-Leiter Dr. Gerrit Bub: „Der Name sagt es doch schon. Das ist mitten im Einstand unseres Hochwildes.“ Einstand, das ist in der Jägersprache die Rückzugsfläche für das Wild.
Im Forst- und Umweltausschuss stellte der Geschäftsführer der Brilon Wirtschaft und Tourismus (BWT), Rüdiger Strenger, in der vergangenen Woche das Projekt vor. Initiator ist die Sektion Sauerland im Deutschen Alpenverein (DAV), die sich mit dem Trekkingplatz-Projekt bei der Leader-Region um Fördermittel bemüht. Für Peter Vogel, beim Hegering Brilon Obmann für die Rollende Waldschule und im Forst- und Umweltausschuss Stimme der Grünröcke, ist es ein „Unding“, dass die Planung bisher am Forstausschuss vorbei gegangen sei. Der dortige Revierpächter und andere Jäger hätten lediglich von den Vorhaben gehört.
Wild zieht sich in den Wald zurück
Die am Hemberg ausgeguckte Stelle sei „die Jugendstube des Wildes“, so Vogel zur WP. Von Februar bis Ende Juni würden nacheinander Frischlinge, Muffel-Lämmer, Rehkitze und die Kälber des Rotwildes gesetzt. Forstbetriebs-Chef Dr. Bub befürchtet, dass mit dem Trekkingplatz am Hemberg „ein Trittstein für den Tourismus in unseren großen Waldgebieten“ gelegt werden könnte. Dabei habe doch Konsens bestanden, den Tourismus im sogenannten Briloner Süden zu konzentrieren.
Tourismuspreis für Trekkingpark
An diesem Wochenende endete die Saison im Trekkingpark Sauerland. Die Plätze sind nur vom 1. April bis zum 15. November geöffnet, um Rücksicht auf das Wild zu nehmen. Für die neue Saison plant der Trekkingpark eine Änderung: Künftig können die Plätze nur noch einfach gebucht werden. Zwei sich fremde Wanderpaare können die Plätze zwar corona-konform nutzen, so Andrew Kesper zur WP, aber die Erfahrung dieses Jahres habe gezeigt: „Am liebsten hat man den ganzen Platz für sich alleine.“Der Trekkingpark ist jüngst als eines der sechs innovativsten Projekten des Landes mit dem Hessischen Tourismuspreis ausgezeichnet worden.Auch auf dem „Hallenberger Wanderrausch“ sind sechs Trekkingplätze geplant.
Wenn auch die großen zusammenhängenden Waldflächen weiter für den Tourismus geöffnet werden und sich auch nachts Wanderer dort aufhielten, so etwa Peter Vogel, störe dies das Wild nachhaltig. Es ziehe sich zurück und „verbeißt die Dickungen.“ Die Folgen sind für den Stadtforst-Chef klar: „Das treibt die Kosten nach oben.“ Für Dr. Bub ist es ohnehin eine grundsätzliche ethische Frage: „Ist wirklich alles nötig, was möglich ist?“
Tourismus-Gutachten von 2005
Von der Anregung, den Trekkingplatz von den „Hirschplätzen“ weg etwa drei Kilometer nördlich in Richtung „Schwarzes Haupt“ in die Nähe des Flugplatzes zu verlegen, hält der BWT-Chef nichts. Die Trekking-Tour über den 48 km langen Kammweg sei mit den beiden Nachtlagern so aufgeteilt, dass sie an drei Tagen bewältigt werden kann. Über eine Verlegung von einem Kilometer könne man reden.
Allerdings erinnerte Rüdiger Strenger auch daran, dass in dem sog. ETI-Gutachten aus dem Jahr 2005, auf dem die Stadt Brilon seitdem ihre touristischen Infrastruktur entwickelt, die Aufwertung des Bereiches Huckeshohl und damit auch der „Hirschplätze“ vorgesehen sei. Strenger: „Sonst wäre ja der Kammweg nicht dort her verlegt worden.“
Gegenüber der WP sagte Hegerings-Vertreter Peter Vogel, dass durch Corona und die E-Mountainbikes viele Menschen überhaupt erstmals in die Natur eindringen. Vogel: „Viele wissen ja gar nicht, wie man sich im Wald benehmen sollte.“ Die Folgen ließen sich im überlaufenen Strycktal bei Willingen schon jetzt deutlichst erkennen.
Juli und August komplett ausgebucht
CDU-Stadtrat Dieter Henke sagte, dass man auch im Interesse der Stadt die Interessen der Jägerschaft berücksichtigen sollen ,denn: „Wir wollen das Wild kurz halten.“ Christiana Kretzschmar (BBL) dagegen meinte, dass die Jägerschaft „doch wohl nicht die Debatte bestimmen“ dürfe. Für SPD-Ratsherrn Dieter Weber stellte sich die Frage: „Will ich das oder nicht?“ Seine eindeutige Antwort: „Ich will.“ Und auch SPD-Sprecher Hubertus Weber hat nichts gegen den Standort: „Wir reden über 20 Quadratmeter.“
Das ist nicht ganz richtig. 20 Quadratmeter groß ist das hölzerne Plateau. Willingen hat im Juni seinen „Trekkingpark Sauerland“ in Betrieb genommen. Neun Nachtlager gibt es entlang von Upland.- und Diemelsteig, u.a. am Ritzenhagen und am Diemelsee bei Stormbruch und auf dem St. Muffert. Seitdem haben 1440 Wanderer dort ganz legal „wild gezeltet“, so Trekkingpark-Sprecher Andrew Kesper.
Wer den Platz in Anspruch nehmen will, muss ihn vorab buchen. Für ein Zwei-Personen-Zelt fallen pro Nacht 13 Euro an. Auf den etwa vier mal sieben Meter großen Podeste ist Platz für zwei Zwei-Personen- oder ein Vier-Personen-Zelt. „Im Juli und August waren wir komplett ausgebucht“, sagt Kesper. Im September lag die Auslastungsquote immerhin noch bei 80 Prozent.
In Willingen lief alles „tiptop“
Einzelwanderer und Familien bilden die größte Nutzergruppe, aber Andrew Kesper ist auch das Coaching in Erinnerung, das die Personalabteilung eines Unternehmens für zwei Mitarbeiter im Trekkingpark angeboten hatte.
Jeder Platz verfügt über ein „Häuschen“ mit einem Kompost-WC. Die Wanderer werden gebeten, nach jeder Nutzung eine Handvoll Rindenmulch über ihr „Geschäft“ zu streuen. Beschwerden habe es die ganze Saison über keine gegeben. Die Plätze seien immer sorgsam behandelt und sauber hinterlassen worden. Offenes Feuer ist natürlich untersagt. Kesper: „Da waren keine Partys. Alles lief tiptop.“
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Brilon Touristik, Forst, Jägerschaft und Politik wollen jetzt das „Fein-Tuning“ (Günter Wiese, SPD) für die Plätze vornehmen. Nebenbei: Die Initiative für die Anlage der beiden Zeltplätze auf dem Kammweg ging zwar vom DAV aus, aber selbstverständlich, das betonte Rüdiger Strenger, stehen die Anlagen jedem offen.