Brilon/Marsberg. Ein Bosnier bricht überall in NRW ein, er sitzt Jahre in Haft und macht danach weiter. Er wird abgeschoben und kehrt zurück – diesmal in den HSK.
Für Oberstaatsanwalt Thomas Poggel ist der 51 Jahre alte Angeklagte der typische „notorische Wiederholungstäter“. Die sechs Jahre Haft, die ihm das Landgericht Essen wegen insgesamt 12 Wohnungseinbrüchen aufgebrummt hatte, waren gerade vorbei, da legte der Bosnier wieder los. Diesmal im Hochsauerland.
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Im Raum Marsberg startete der 51-Jährige im Sommer 2020 einen neuen Beutezug. Das ging bis Ende Oktober weiter. Da wurde er auf frischer Tat bei einem Wohnungseinbruch am Burghof in Marsberg festgenommen und nach einigen Monaten U-Haft - wie schon mehrfach zuvor seit Mitte der 90er Jahre, der Angeklagte nennt es „nach dem Krieg“ - in sein Heimatland abgeschoben. Dort hielt er es allerdings wieder einmal nicht lange aus. Er kehrte zurück nach Deutschland und setzte im vergangenen Jahr seine kriminelle Karriere fort. Diesmal im Raum Düsseldorf. Und auch dort wurde er in flagranti erwischt. Seitdem sitzt er wieder hinter Gittern.
Es gibt ein Wiedersehen vor dem Landgericht
Kleines Rechtslexikon
Ein Amtsgericht kann laut § 24 Gerichtsverfassungsgesetz eine Freiheitsstrafe von maximal bis zu vier Jahren verhängen.Das Landgericht Essen hatte den 51-Jährigen für jede der 12 Taten zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt und daraus eine sechsjährige Gesamtstrafe gebildet.Wegen dieser Vorstrafen dürfte nach Ansicht von Oberstaatsanwalt Poggel jetzt jeweils rund dreieinhalb Jahre Haft fällig sein, außerdem steht die Anklage aus Düsseldorf an: „Da kommen wir mit vier Jahren nicht mehr aus.“
Wegen vier vollendeter und einem versuchten Einbruch stand der 51-Jährige jetzt in Brilon vor Gericht. Gleich zu Beginn der Hauptverhandlung schwante es den Beteiligten: Mit der bis zu einem Freiheitsentzug von vier Jahren reichenden Strafgewalt eines Amtsgerichts dürfte man hier nicht mehr hinkommen. Denn nachdem der Angeklagte zu Beginn der Verhandlung jegliche Angaben zu den Tatvorwürfen verweigerte, sah Oberstaatsanwalt Poggel keinerlei Möglichkeit, beim Strafmaß mildernde Umstände einfließen zu lassen. „Es gibt ein Wiedersehen vor dem Landgericht“, meinte selbst der Verteidiger, Rechtsanwalt Jürgen Zillikens. Auch ihm falle nichts ein, was gegen eine Verweisung des Falles an die nächsthöhere Instanz sprechen könnte.
Spur an einem Tatort
Doch um das formal und rechtssicher auf den Weg zu bringen - Vorsitzender Richter Michael Neumann: „Eine bloße Vermutung reicht nicht.“ - hörte sich das Gericht von den acht geladenen Zeugen zumindest zwei mit dem Fall beschäftigte Polizeibeamten an. Außerdem kam es nicht umhin, gut eine Stunde lang DNA-Analysen zu verlesen - so knochentrockenes Zeug, dass der Vorsitzende Richter zu der jungen Dolmetscherin sagte: „Das möchte ich jetzt nicht übersetzen.“ Dabei handelte es sich um sogenannte molekulargenetische Vergleichsgutachten, mit denen zu jedem der angeklagten Fälle eine sogenannte biostatistische Wahrscheinlichkeitsaussage möglich ist. Also eine Aussage, wer als Verursacher einer Spur an einem Tatort jeweils in Betracht kommen und mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Angeklagter dort zumindest dabei war: Ergebnis hier: In einem Fall eine statistische Wahrscheinlichkeit von 1: 112 Milliarden und in einem anderen 1: 8,21 Billiarden. Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Personen den gleichen genetischen Fingerabdruck besitzen, liegt bei etwa 1: 30 Milliarden. Damit, so der Vorsitzender Richter, gebe es keine „vernünftigen Zweifel“ an der Anwesenheit des Angeklagten an den Tatorten.
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Außerdem hatte die Polizei bei der Festnahme „typische Einbruchwerkzeuge“ - z.b. einen stabilen Schraubenzieher - entdeckt und auch diese kriminaltechnisch untersuchen lassen. Form des Werkzeugs und markante Abnutzungsmerkmale deckten sich mit dem Spurenbild an den aufgebrochenen Fenstern und Terrassentüren.
In einem Bordellbetrieb eine Bleibe gefunden
Tatorte waren ein Optikergeschäft, in dem der 51-Jährige Brillen und mehrere tausend Euro Bargeld stahl und drei Häuser. In einer war kurz zuvor der Bewohner verstorben, in einer anderen waren die Bewohner in der Kirche. Hier nahm der Einbrecher jeweils drei Armbanduhren sowie Bargeld. Eine weitere verließ er ohne Beute. Das war auch bei der letzten Tat so. Da hatte der Bewohner des Obergeschosses gegen 20 Uhr verdächtige Geräusche wahrgenommen und sofort die Polizei alarmiert. Denn er wusste, dass die Bewohner nicht da sind. Als die beiden als erstes eingetroffenen Beamten Vorder- und Rückseite des Hauses absicherten, kam der 51-Jährige heraus und versuchte zu flüchten. Das gelang ihm allerdings nicht. Immerhin: Diese Tat räumte der Angeklagte nach Anhörung des Polizisten ein.
1988 hatte der in Srebrenica geborene Angeklagte das damalige Jugoslawien verlassen und war nach Deutschland gekommen. Kurz nach seiner ersten Abschiebung in neugegründete Bosnien und Herzegowina kam er zurück und schlug sich mit Gelegenheitsjobs und der Hilfe von Bekannten mehr schlecht als recht durch; eine Zeit lang verbrachte er in Italien.
In Marsberg hatte der Angeklagte offenbar in einem Bordellbetrieb eine Bleibe gefunden. Jedenfalls sei er, das wusste ein Polizist, in dessen Umfeld immer wieder gesehen worden.