Brilon. Nicole Heitzig aus Brilon steht seit einem Jahr an der Spitze des des NRW-Jagdverbandes. Ein Gespräch über die Jagd, das Wild, den Wald und mehr
Nicole Heitzig ist die erste Frau an der Spitze des NRW-Jagdverbandes. Vor einem Jahr wurde sie als Präsidentin gewählt. Wir haben mit der Brilonerin gesprochen, warum sich immer mehr Frauen für die Jagd interessieren, Hunde im Wald an die Leine gehören, das Wild Rückzugsorte braucht und Freizeitaktivitäten nicht überall uneingeschränkt stattfinden sollten.
Wie war für Sie das erste Jahr als Präsidentin des Landesjagdverbandes?
Nicole Heitzig: Das Jahr ist wie im Flug vergangen. Leider war es sehr stark durch die Corona-Pandemie geprägt. Unser Vereinsleben war auf allen Ebenen davon betroffen. Das fing schon damit an, dass ich auf einer Online-Versammlung gewählt wurde, die vorher bereits zwei Mal verschoben worden war. Viele Veranstaltungen konnten nur online oder unter großen Einschränkungen stattfinden. Ich hätte gerne mehr Menschen in unserem Verband persönlich kennen gelernt, mich an verschiedenen Stellen vorgestellt und vor Ort an Veranstaltungen teilgenommen. Es ist unter Corona-Bedingungen schwieriger geworden, an den Mitgliedern nah dran zu sein und den Kontakt zur Basis zu halten.
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Wie sieht es in diesem Jahr mit Veranstaltungen aus?
In 2020 bzw nach Verschiebung auf 2021 wollten wir zum Beispiel den Jagdhornbläser-Wettbewerb – die Landesmeisterschaft im Jagdhornblasen – ins Sauerland, in den Wildpark Vosswinkel, holen. Doch leider ist diese Veranstaltung dann endgültig ausgefallen und wird auch in diesem Jahr nicht stattfinden. Wir hoffen, dass die Messe Jagd und Hund in Dortmund stattfinden kann. Sie ist auf Juni verschoben worden. Das ist eine wichtige Veranstaltung für die Jäger und Jägerinnen in unserem Land.
Apropos Jägerinnen: Ist die Jagd auch heute noch eine Männer-Domäne oder tut sich da etwas?
Die Jagd ist schon lange keine Männer-Domäne mehr. Unser Jagdverband in NRW hat den größten Frauenanteil in ganz Deutschland. Von daher ist es gar nicht so verwunderlich, dass er jetzt von einer Frau geleitet wird. 12 Prozent unserer Mitglieder sind Frauen, auf Bundesebene sind es 7 Prozent. Da hat sich in den vergangenen Jahren sehr viel getan. Seit dem Jahr 2000 hat sich der Frauenanteil immerhin verdoppelt. Noch deutlicher ist dieser Trend bei den Jung-Jägerinnen. Ihr Anteil liegt je nach Region schon zwischen 25 und 50 Prozent. Im Laufe der Jahre werden sich Frauen- und Männeranteil immer weiter angleichen.
Warum ist aus Ihrer Sicht die Jagd wichtig?
Wichtigster Grund ist die Erhaltung eines gesunden, artenreichen Wildbestandes. Uns geht es darum, Lebensräume zu schaffen, wo artgerechtes Leben möglich ist. Als Jäger ist es unsere Aufgabe, darauf zu achten, dass die Tiere der verschiedenen Arten im heimischen Wildbestand nicht zu viele und nicht zu wenig werden. Das regelt sich nicht von selbst. Dabei geht es auch darum, bestimmte Arten wie zum Beispiel Bodenbrüter zu schützen. Gerade jetzt, wo große Teile des Waldes wieder aufgeforstet werden müssen, ist es aber auch wichtig, darauf zu achten, dass der Rehwild-Bestand nicht zu groß wird und die Jungpflanzen durch Verbiss oder Verfegen beschädigt werden. Nicht vergessen sollte man auch, dass wir durch die Jagd Fleisch erhalten, das man umweltschonender, natürlicher und gesünder sonst nicht bekommen kann. WP: Wie Sie ja schon angesprochen haben, hat sich der Sauerländer Wald durch die Borkenkäfer-Problematik und Stürme sehr stark verändert.
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Welche Auswirkungen hat das für das Wild und die Jagd?
Das Wild braucht Lebensräume und Rückzugsmöglichkeiten. Die sind aber durch die aktuellen Entwicklungen deutlich weniger geworden. Das bedeutet für das Wild viel Stress. Die Tiere brauchen gerade jetzt Ruhezonen, aber stattdessen sind immer mehr Menschen im Wald unterwegs, die dort ihren Freizeitaktivitäten nachgehen. Als Jäger verstehen wir uns auch als Anwälte des Wildes. Das Wild braucht Bereiche, die vom menschlichen Erholungsverkehr getrennt sind. Deshalb ist es richtig, Ruhezonen zu schaffen und in ausgewiesenen Bereichen auch Betretungsverbote auszusprechen. Stattdessen wird aber der Freizeitfaktor immer weiter ausgebaut. Ein Beispiel dafür sind die in Brilon geplanten Trekkingplätze, wo Wanderer übernachten können. Das ist jetzt, wo der Wald eh schon leidet, völlig kontraproduktiv. Wir beobachten auch immer mehr Biker, Geocacher, Jogger und Wandergruppen im Wald. Deshalb appellieren wir dringend an alle, Rücksicht zu nehmen und auf den Wegen zu bleiben. Das gilt vor allem auch für Hundebesitzer, die im Wald ihre Tiere anleinen müssen. Viele lassen ihre Hunde aber einfach laufen. Wir Jäger finden regelmäßig verletzte Tiere, die noch leben und sehr leiden. Immer wieder werden tragende Rehe von Hunden gehetzt. Deshalb möchte ich an alle appellieren, sich im Wald rücksichtsvoll zu verhalten.