Brilon. Ein See an den Bruchhauser Steinen und ein Windpark auf dem Kahlen Asten? Der Druck zum Ausbau Erneuerbaren Energien steigt im Altkreis Brilon.
Ein künstlicher See an den Bruchhauser Steinen und ein Windpark auf dem Kahlen Asten? Eine in der vergangenen Woche vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) veröffentlichte Studie hält für den Hochsauerlandkreis 339 weitere Windräder für machbar. Und nicht nur das: Auch an elf Standorten hält das LANUV Pumpspeicherwerke potentiell für realisierbar; drei davon befinden sich im Altkreis Brilon.
„Der Krieg in der Ukraine macht deutlich, dass wir in Fragen der Energieversorgung unabhängiger werden müssen“, so MdL Matthias Kerkhoff (CDU) zur WP. Dabei kämen alle Formen regenerativer Energie in Frage, wie eben auch die Wasserkraft. Aber er sagt auch: „Der Ausbau der Erneuerbaren Energien braucht Akzeptanz in der Bevölkerung.“
Windkraft im HSK
In Betrieb: 132 WindräderGenehmigt: 38 WindräderBeantragt: 77 Windräder
Mit Blick auf die in der vergangenen Woche zur Windkraft vorgelegten LANUV-Studie meint er: „Neben der Frage, wie viele Windräder in der Region theoretisch möglich sind, muss die Frage gestellt werden, wie viele und mit welchen Abständen sie für das Sauerland verträglich sind, für die Menschen, die Natur und das Landschaftsbild.“
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Beckmann: Eingriff in kommunale Selbstverwaltung
Da liegt er mit Winterbergs Bürgermeister Michael Beckmann auf einer Linie. Bisher konnte die höchstgelegene Stadt des Landes wegen ihrer touristischen Bedeutung eine Verspargelung verhindern. Es gibt unmittelbar angrenzend an das Stadtgebiet lediglich ein Windrad - das in Küstelberg. Die 37 m hohe Anlage stammt aus dem Jahr 1994 und war eine der ersten im Kreisgebiet. Beckmann: „Da es sich hier um eine Überarbeitung des Fachbereichs aus 2012 handelt, überraschen mich die getroffenen Aussagen grundsätzlich nicht, da für die Region im damaligen Bericht bereits Ausbaupotentiale aufgezeigt wurden. Die in der Fortschreibung der Potentialstudie des LANUV ermittelten, möglichen Windenergiepotentiale auf den Kalamitätsflächen im Wald entsprechen allerdings nicht der aktuelle Planungssituation der Stadt Winterberg.“ Wenn man sich die Studie insgesamt betrachte, dränge sich für ihn der Eindruck auf, dass durch künftige landesplanerische Regelungen in das hohe Gut der kommunalen Selbstverwaltung im Bereich der Planung eingegriffen werden solle. „Ich bleibe dabei, die Energiewende kann nur gelingen, wenn wir die Menschen mitnehmen. Das geht nicht, wenn die Energiewende auch mittels Windenergie per Verordnung vorgegeben wird.“
Die jetzt vorgelegte Potentialstudie führt Winterberg sogar in der Liste jener landesweit 19 von 396 Kommunen auf, in denen Windräder selbst in intakten Nadelwäldern errichtet werden sollten. Nadelwaldflächen, so das LANUV, seien zwar „in der Regel“ Ausschlussflächen, aber in besonders waldreichen Kommunen sollen Ausnahmen möglich sein. Dazu gehören aus dem HSK noch Arnsberg, Bestwig, Olsberg und Sundern.
Brilon gehört nicht zu den „waldreichen“ Kommunen
Dass Brilon, die „waldreichste Stadt“ Deutschlands, nicht auf dieser Liste steht, ist leicht zu erklären. Zwar ist Brilon mit 77,5 qkm Waldfläche der größte Kommunalwaldbesitzer in Deutschland. Die Studie allerdings definiert „waldreiche“ als einen bewaldeten Flächenanteil von mehr als 60 Prozent des Gemeindegebietes. Und da liegt die 225 qkm große „Stadt des Waldes“ mit 109,5 qkm deutlich drunter.
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Die Region werde, so MdL Kerkhoff zur WP, ihren Beitrag beim Ausbau von Photovoltaik, Windkraft und anderen Formen regenerativer Energien leisten, aber: „Wir werden aber nicht die ganze Landschaft mit Windrädern zustellen. Ich bin nicht bereit zu akzeptieren, dass der ländliche Raum hier allein die Lasten trägt.“
Mit enormen Eingriffen in die Natur verbunden ist auch der Bau von Pumpspeicherkraftwerken. Neben den zehn neuen Standorten ruht ein weiteres Projekt seit gut zehn Jahren in der Schublade. Die Mark E AG aus Hagen und die Grünwerke GmbH, eine Tochter der Stadtwerke Düsseldorf, wollten an der Landesgrenze bei Willingen rund eine halbe Milliarde Euro in das Wasserkraftprojekt investieren. Dazu sollte auf dem Hohen Eimberg das rund 500 m lange und 250 m breite, bis zu 2,5 Millionen Kubikmeter fassende Oberbecken für das Pendelwasser entstehen. Für das Unterbecken sollte bei Schwalefeld das Tal, durch das die Itter fließt und die Straße nach Bontkirchen führt, auf 1,8 km Länge geflutet werden.
„Orte bewusst unscharf gehalten“
Das Projekt sei damals ruhend gestellt worden, weil sich mit dem Land für das mehrere Millionen Euro teure und mit Risiken behaftete Genehmigungsverfahren kein „Absicherungsmechanismus“ habe finden lassen, so Grünwerke-Geschäftsführer Ralf Zischke zur WP. Er wolle aber „nicht ausschließen“, dass dieses Projekt noch einmal aus der Schublade herausgeholt werden könnte, obwohl: „Mittlerweile gibt es andere Möglichkeiten, überschüssigen Strom zu speichern, die Batterie- und Wasserstofftechnologie hat sich seitdem deutlich verbessert.“ Der Projektpartner, die Mark E aus Hagen, betreibt seit 1969 das auf 140 Megawatt ausgebaute Pumpspeicherkraftwerk in Finnentrop-Rönkhausen.
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Und das, so Unternehmenssprecher Andreas Köster zur WP, sei im vergangenen Jahr „sehr gut im Markt gebraucht“ worden. Grund: die „sehr volatile Einspeisung“ von Strom aus Windkraft und Photovoltaik. Innerhalb von Sekunden, so Köster, können man mit einem Pumpspeicherkraftwerk Strom zur Verfügung stellen oder aber auch überschüssigen Strom für die Pumpen abnehmen.
Wo genau sich die zehn anderen Standorte für Pumpspeicherkraftwerke befinden, will das LANUV nicht sagen. Auf einer Karte, die lediglich die Umrisse der Gemeinden zeigt, sind neben der als „im Planungsprozess“ bezeichneten Anlage auf Willinger und Briloner Gebiet zwei weitere für das Stadtgebiet Olsberg markiert: dabei dürfte es sich um den Istenberg (728 m) und den Hömberg (695 m) handeln.
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Die zehn Standorte im HSK, so LANUV-Sprecher Deitermann, verfügen nach Ansicht der Verfasser der Studie über die Voraussetzungen für die technische Umsetzung und für das Erzielen eines „entsprechenden Ertrags“. Insgesamt habe die Studie für ganz NRW über 600 mögliche Kombinationen von Ober- und Unterbecken untersucht und daraus 23 „Vorzugsstandorte“ ermittelt - davon 18 im Regierungsbezirk Arnsberg und von denen wiederum - inklusive des Hohen Eimberg - elf im HSK.
Die für den Austausch des Pendelwassers benötigten Ober- und Unterbecken können, so Deitermann, „durchaus mehrere Kilometer voneinander entfernt liegen“. Für die Unterbecken sollen an 14 der Vorzugsstandorte neue Talsperren errichtet werden. Bei vieren gibt es bereits Talsperren, bei fünf würden sogenannte Ringdammbecken wie sie auch überall als Oberbecken angelegt sind.
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Im Rahmen dieser Studie sei es „fachlich nicht sinnvoll“ gewesen, diese Standorte flächenscharf abzugrenzen. Die Studien hätten unter anderem den Zweck, Planer auf allen Ebenen, vom Land bis runter zu den einzelnen Kommunen, als Planungshilfen zu dienen. Deitermann: „Die Orte sind bewusst unscharf gehalten, da erst durch eine konkrete Planung konkrete Flächen festgelegt würden.“