Brilon/Willingen.
Wenn Bürgermeister Franz Schrewe am 23. Juni nächsten Jahres als eine seiner letzten Amtshandlungen in offizieller Mission an der Waldecker Schnade teilnimmt, wird er vielleicht der letzte sein, der auf dem Hohen Eimberg die historische Briloner Grenze mit Willingen komplett abreiten kann. Sein Nachfolger müsste ein Boot nehmen.
Denn in zehn Jahren könnte sich auf dem Hohen Eimberg ein rund 500 m langer und 250 m breiter See befinden - das Oberbecken eines Pumpspeicherkraftwerkes. Und mittendurch ginge die Grenze der beiden Nachbarkommunen. Donnerstagabend stellten die Mark E (Hagen) und die Grünwerke (Düsseldorf) das Projekt in einer Sondersitzung im Haus des Gastes in Willingen den beiden Räten vor.
Auf rund 500 Mio Euro beziffern die Unternehmen - die Grünwerke sind eine Tochter der Stadtwerke Düsseldorf, die Mark E gehört zur Enervie AG - die Kosten für das Projekt (die WP berichtet bereits ausführlich). Wobei es nicht nur der Hohe Eimberg ins Auswahlfinale geschafft hat, sondern auch die Wilde Wiese bei Sundern. Wie Mark E-Sprecher Jörg Ohliger sagte, „würden wir gerne beide machen“. Das sei letztlich eine Frage des weiteren Planverfahrens. Ohliger: „Es kann aber auch sein, dass eins herunter kippt.“ Für das Projekt im westlichen HSK ist die Bezirksregierung Arnsberg zuständig, für das Projekt im östlichen Sauerland der RP Kassel. Denn am meisten ist Willinger Terrain von dem Projekt betroffen.
Für das Unterbecken zum Beispiel müsste nördlich von Schwalefeld das Tal, durch das die Straße nach Bontkirchen führt, auf rund 1,8 km Länge geflutet und die L 3393 verlegt werden. Ohne Pumpspeicherkraftwerke, so Ralf Zischke, Geschäftsführer der Grünwerke, seien die Ziele der Energiewende nicht zu schaffen. Je höher der Anteil von Solar- und Windkraft werde, desto notwendiger würden Stromspeicherkapazitäten, um Stromerzeugung und -verbrauch jederzeit verlässlich in der Waage zu halten und die Stromnetze stabil zu halten.
Derzeit, so räumte Zischke ein, rechne sich die Investition in Pumpspeicher-Großtechnik noch nicht. Die Wirtschaftlichkeit werde eines Tages aber eintreten. Pumpspeicherkraftwerke nutzen die Stromüberschüsse, um das Wasser vom Unter- uns Oberbecken zu pumpen. Bei Bedarf - an einem windstillen, dunklen Winterabend etwa - könne innerhalb von wenigen Sekunden Strom ins Netz gespeist werden. Konventionelle Kraftwerke laufen wesentlich träger an.
Sorgen kamen bei Ratsmitgliedern und Zuhörern angesichts der gewaltigen Erdbewegungen und der vier- bis fünfjährigen Bauphase auf. Allein für das Oberbecken müssen 1,5 Mio cbm Masse bewegt werden. Die Belastungen für Einwohner und Tourismus müssen so gering wie möglich gehalten werden, sagte Willingens Bürgermeister Trachte. Dann böte das Projekt über seine energiewirtschaftliche Bedeutung hinaus Chancen für die Freizeitregion. Sollte jedoch ein KO-Kriterium auftauchen, werde Willingen „einen Schlussstrich ziehen“.
Wenig glücklich sahen einige Briloner unter den Zuhörern aus. Sie haben auf dem Hohen Eimberg die Jagd gepachtet, zum Teil bereits seit 30 Jahren. Damit, so befürchten sie, sei es dann vorbei. Und, ach ja, die Schnade: Sie würde künftig am Ufer des Oberbeckens entlang führen. Der Weg wäre gut 500 m länger. Dabei ist die Waldecker Schnade mit 36 km ohnehin schon die längste.