Hallenberg. Es geht auf die Reeperbahn: Was das Premierenpublikum auf der Freilichtbühne Hallenberg erwarten kann und warum es diesmal ganz schön deftig wird.

„Mein Job ist es, ein Ensemble zu formen. Jeder soll sich hier wohl und unbefangen fühlen und seinen Auftritt rundum genießen.“ Uwe Bautz kennt seine Aufgabe. Er führt in diesem Jahr zum ersten Mal Regie an der Freilichtbühne, hat im Raum Marburg Quartier bezogen und bislang zwei Knöllchen auf der Fahrt nach Hallenberg einkassiert. Am Samstag feiert die „Heiße Ecke“ Premiere.

Proben laufen auf Hochtouren

Mit Wollmütze und Pullover sprintet Bautz an diesem Probenabend immer wieder von links nach rechts. Der Blick ist auf die Bühne gerichtet. Manche Dialoge spricht er leise mit, lächelt, legt die Stirn in Falten, macht sich Notizen wiegt den Kopf, schmunzelt, gibt Handzeichen. „Ja, genau so! Aber die Musik etwas früher!“

Nicola Dielenhein, Vanessa Ante und Christine Pippel (von links) sind quasi die drei Damen vom Grill. Rund um ihre Pommesbude spielt sich ein vielfältiger St.-Pauli-Alltag ab.
Nicola Dielenhein, Vanessa Ante und Christine Pippel (von links) sind quasi die drei Damen vom Grill. Rund um ihre Pommesbude spielt sich ein vielfältiger St.-Pauli-Alltag ab. © WP | Thomas Winterberg

Im Erwachsenen-Theater geht es diesmal für Hallenberger Verhältnisse recht „heiß“ und mitunter auch derb zu. Denn die Spielschar hat sich für ein freches Stück entschieden, das rund um eine eine Pommesbude auf der Reeperbahn angesiedelt ist. Seit seiner Uraufführung 2003 im Hamburger Schmidt-Theater haben es allein dort 2,5 Millionen Menschen gesehen. Und auch Hallenberg hofft auf volle Ränge, zumal es auch keine coronabedingten Platzbegrenzungen mehr gibt.

Lesen Sie auch: Lust auf Schützenfeste sorgt für Ansturm auf Kleider

Rasantes Tempo

In einem rasanten Tempo erzählen schwere Jungs und leichte Mädchen, Spielsüchtige, Gauner, Verliebte und Verlorene vom Alltag auf St. Pauli. Und der ist nun mal kein Zuckerschlecken. Bei einer Don-Camillo-Premiere vor über 20 Jahren verließen Geistliche als Ehrengäste den Zuschauerraum, als ein Priester in der Anfangsszene eilig das rettende Ufer in einem hölzernen Klo-Häuschen suchte und fand. Heutzutage würde man über den Regie-Einfall schmunzeln. Verbal und gestisch sollte man daher in diesem Jahr bei der „Heißen Ecke“ die Currywurst durchaus scharf und würzig bevorzugen.

Weitere Infos

16 Mal geht die „Heiße Ecke“ in Hallenberg bis zum 4. September über die Bühne.Premiere ist an diesem Samstag um 17 Uhr. Die Eröffnung übernimmt der Bad Berleburger Bürgermeister, Bernd Fuhrmann.Karten (auch noch für die Premiere) gibt es unter Telefon 02984 929190 oder www.freilichtbuehne-hallenberg.deFür 2023 plant die Bühne nach wie vor mit der „Passion“.

„Einigen macht es nichts aus, in Lack und Leder oder aufgetakelt eine Prostituierte zu spielen. Mit anderen mussten wir in geschützter Atmosphäre reden. Niemand soll sich hier verbiegen. Da haben wir für alle einen Weg gefunden“, sagt Bautz, der voller Respekt seine Wollmütze vor den Hallenbergern zieht. „Proben im Profi-Theater laufen anders ab. Hier kommen die Schauspieler erst nach einem Acht-Stunden-Arbeitstag zu ihrer zweiten Schicht. Der Schwerpunkt der Arbeit ist abends. Das setzt ein ganz anderes Interesse und Engagement voraus. Die Proben waren nicht einfach. Immer wieder hatten wir trotz größter Vorsicht Ausfälle durch Corona. Und wenn eine Person fehlt, die für die Szene wichtig ist, dann kann man die Szene nur bedingt durchspielen.“

Lesen Sie auch: So retten Flüchtlinge das leidende Gastgewerbe

Das ist auch an diesem Proben-Abend so. Heike Glade, die im Bühnenvorstand tätig ist, hat erstmals die Rolle einer Regie-Assistenz übernommen und muss vom Bühnenrand den Text-Part einer erkrankten Mitspielerin sprechen. Hier und da gibt es noch Wünsche an die Requisite. Die ferngesteuerte riesige Bahnhofsuhr, die ständig tickt und von einer befreundeten Bühne ausgeliehen wurde, funktioniert. Aber die Imbiss-Bude braucht noch eine Speisenkarte, mehr Farbe und Leuchtreklame. Bis Samstag ist das aber alles perfekt.

„Ballett der Straßenreinigungscrew“ in der „Heißen Ecke.
„Ballett der Straßenreinigungscrew“ in der „Heißen Ecke. © WP | Thomas Winterberg

Unkomplizierte Unterhaltung

Die „Heiße Ecke“ verspricht gerade nach der mehr als zweijährigen Pandemie unkomplizierte Unterhaltung und ist dennoch für die Freilichtbühne mutiges Neuland. Sie auf Bordsteinschwalben, loses Mundwerk und Kiez-Milieu zu reduzieren, wäre falsch. Es gibt viele feine Zwischentöne und generell viel eingängige Musik, tolle Soli und flotte Choreographien. Die Spieler in dem knapp 60-köpfigen Ensemble müssen mitunter in mehrere Rollen schlüpfen, alle vier Minuten wechselt die Szenerie, so dass sehr viel Tempo aufkommt. D e n Hauptdarsteller bzw. d i e Hauptdarstellerin gibt es nicht. In jeder kleinen Episode steckt für jeden und für jede viel Bühnenpräsenz.

Es gibt noch Karten. Es wäre schön, wenn viele Zuschauer am Samstag ihre heiße Ecke des Wochenendes in Hallenberg fänden.