Hallenberg. Uwe Bautz ist neuer Regisseur an der Freilichtbühne. Im Interview spricht er über die Passion, seine Pläne und was ihn an Hallenberg begeistert.

Die Freilichtbühne Hallenberg hat einen neuen Regisseur. Uwe Bautz tritt die Nachfolge von Florian Hinxlage an. Vergangene Woche haben sich Spielschar und Regisseur das erste Mal getroffen und gegenseitig „beschnuppert“. Bautz wird Regie in dem frechen Reeperbahn-Musical „Heiße Ecke“ führen und aller Voraussicht nach auch die „Passion“ inszenieren.

Wie ist der Kontakt zur Freilichtbühne zustande gekommen: Kannten Sie die Bühne vorher schon?

Ich war noch nie hier in der Gegend – vielleicht mal in Marburg. Die langjährige Hausregisseurin von Hallenberg, Birgit Simmler, die jetzt Intendantin in Wunsiedel ist, hat mir von der Vakanz erzählt. Für mich ist diese Freilichtbühne schon jetzt ein Phänomen. Ich habe gehört, dass die Menschen, die sich an dieser Bühne engagieren, seit Jahren sehr konzentriert das gemeinsame Ziel verfolgen, hier Kulturarbeit zu leisten. Dieses Engagement finde ich einfach toll. Das ist für mich noch mal ein völlig neues Kapitel, da ich bislang konsequent an Staats- oder Stadttheatern gearbeitet habe. Dieser Gemeinschaftsgedanke hat mich irgendwie angezogen, das fand ich cool.

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Sind Sie sich darüber bewusst, dass ein solches Theater allein schon bei den Proben andere Arbeitsabläufe hat als ein Staatstheater? Die Menschen gehen tagsüber einer Beschäftigung nach und stehen meist erst danach zur Verfügung…

In der Tat bin ich es gewohnt, zweimal am Tag zu proben - vormittags und abends. Aber mir ist klar, dass das hier nicht möglich sein wird. Die Arbeit wird sich auf den Abend fokussieren. Ich muss mal gucken, wie man damit umgeht. Aber Birgit Simmler hat mir erzählt, dass die Menschen ihrem Hobby mit einer großen Leidenschaft, Verlässlichkeit und mit sehr viel Verantwortungsbewusstsein nachgehen. Und es kommen ja auch Jahr für Jahr unheimlich viele Besucher. Diese Größe, diese Resonanz, die riesige Bühne und der große Zuschauerraum – all das hat mich schon fasziniert und überzeugt.

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Die Bühne hat in den vergangenen Jahren ihren Schwerpunkt ein wenig in Richtung Musical gesetzt. Wird es dabei bleiben oder haben Sie eine andere Zielsetzung?

Naja, jetzt bin ich erstmal für die erste Saison verpflichtet. Das Stück stand fest, bevor der Vertrag unterzeichnet war. Wie es dann weitergeht, muss man sehen. Ich finde aber, dass man solche Orte wie Hallenberg nicht komplett ans Musical abgeben sollte. Natürlich hat es das große Sprechtheater immer schwieriger als das Musical. Man muss vielleicht sogar ein wenig gegensteuern, auch wenn man allein mit Sprechtheater vielleicht nicht die großen Zuschauermengen mobilisieren kann. Was ich in Hallenberg aber spannend finde, ist die Passion, die hier alle zehn Jahre gespielt wird. Das ist so ein alter Traum, ein alter Wunsch von mir. Das ist etwas sehr Besonderes. Ich kenne auch den Christian Stückl, der die Passion in Oberammergau inszeniert. Und es hat mich immer fasziniert, dass so ein ganzes Dorf oder so ein ganzer Landstrich sich auf diese Passion vorbereitet, sich Bärte wachsen lässt und diese ganze Idee lange Zeit vorher schon lebt.

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Also war die Passion auch ein kleiner Köder für Sie. Fakt ist, die Hallenberger Bühne hat von vornherein gesagt: Wer 2022 inszeniert, macht auch 2023 die Passion...

Das sind alles nette Menschen und ich bin auch ein netter Mensch. Und dann muss man sehen, wohin die Reise geht. Ich kann jetzt noch nicht einschätzen, was hier funktioniert und was nicht. Aber die Passion reizt mich schon sehr.

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Sind Sie ein gläubiger Mensch? Oder anders gefragt: Haben sie einen theologischen Bezug zur Passion?

Das ist ein Thema, das uns irgendwie alle angeht. Wenn Sie ein St. Pauli-Musical machen, dann gibt es einige Leute, die sagen: ,Kenne ich schon. Hamburg - da bin ich schon mal gewesen.` Das Thema Passion und die Figur Jesu Christi haben eine viel größere Schnittmenge. Das ist ja die Grundlage unserer abendländischen Zivilisation. In Leipzig haben wir mal vor einigen Jahren die Matthäuspassion gemacht und das war sehr bewegend. Da habe ich den Stoff sehr intensiv kennengelernt und mich auch so richtig rein gearbeitet. Ich habe da richtig große Lust drauf.

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Ein Satz zur Stückauswahl. Die Bühne hatte die „Heiße Ecke“ schon auf dem Spielplan stehen, bevor sie als Regisseur feststanden. Wie gehen Sie mit dem Stück um?

Das ist für mich nicht das klassische Musical, das ist ein unterhaltsames Spielstück mit schönen Songs. Es bedient natürlich alle Klischees, die man mit der sündigen Meile in Verbindung bringt. Ich war nur etwas überrascht, dass die meisten Aufführungen am Nachmittag stattfinden. Das eigentliche Leben auf der Reeperbahn spielt sich natürlich nachts ab. Aber ich habe mir dann von der Bühne erklären lassen, dass es für die Aufführungstermine am Nachmittag logistische Gründe gibt: Reisegruppen, die von weiter anreisen zum Beispiel. Das ist man vom Staatstheater anders gewohnt.

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Freilichtbühnen und Theater generell haben es in ihrer Entwicklung nicht leicht. Gewachsene Publikumsstrukturen brechen altersbedingt nach und nach weg. Was kann man tun, um neues Publikum heran zu ziehen, um Freilichtbühne auch für die nächsten Jahre attraktiv zu machen?

Es gibt Stoffe und Titel, die kennen die Leute irgendwann nicht mehr. Da machen wir mit der „Heißen Ecke“ ja schon einen Mini-Schritt in die richtige Richtung. Es ist immerhin ein moderner Stoff, den wir in den achtziger Jahren verorten werden. Aber es geht um Menschen von heute und um deren Probleme. Die Zielsetzung bei der Theaterarbeit muss es sein, die Leute da mit hin zu nehmen, wo sie vielleicht in Zukunft sind. Wir können uns nicht nur in der Vergangenheit bewegen. Man kann sicherlich immer wieder Dinge ausgraben. Das funktioniert oft auch sehr gut, aber Erfolge werden über die Titel laufen. Vielleicht kommen ja auch mal verstärkt Film-Stoffe für die Bühne mit ins Spiel. Wenn die Menschen die Titel nicht kennen und mit dem Stoff nichts anzufangen wissen, dann gehen sie auch nicht hin.

Die Besuche einer Freilichtbühne wollen natürlich in erster Linie unterhalten werden. Ist es einfach zu unterhalten und trotzdem einen gewissen Anspruch zu halten?

Anspruch ist wichtig und man darf seine Inszenierung nicht einfach verjubeln. Ich glaube aber - was wir eben bereits angesprochen haben - dass die Tendenz der Vermusicalisierung des Unterhaltungsbereichs nachgelassen hat. Der Trend geht wie gesagt zu Film-Stoffen, zu Titeln, die die Leute von woanders her kennen. Aber egal was wir machen, ob Musical oder Schwank. Wir müssen den Anspruch halten. Irgendetwas einfach runter zu nudeln, das merken die Leute sofort.

Uwe Bautz ist neuer Regisseur an der Freilichtbühne in Hallenberg.
Uwe Bautz ist neuer Regisseur an der Freilichtbühne in Hallenberg. © Wp

Ihre Vorgänger haben oft einen ganzen Tross an Mitarbeitern mitgebracht oder ein Netzwerk gehabt. Es gab Leute, die Choreographie oder Gesangscoaching gemacht haben. Bringen Sie auch eine ganze Entourage mit oder sind Sie Einzelkämpfer?

Nee, ich bin ganz alleine ich hab noch nicht mal einen Regieassistenten. Ich lerne jetzt die Leute kennen, die an der Bühne für Kostüme, Licht, Ton, Requisiten und alles zuständig sind. Die Hallenberger sind alle super engagiert; ich muss einfach erstmal sehen, wie alles miteinander funktioniert. Gerade jetzt beim ersten Mal muss ich mich da auch sehr auf die Erfahrungen der Leute vor Ort verlassen. Für mich ist das Ganze auch irgendwie ein Abenteuer. Es ist aber in erster Linie eine Freude. Ich habe so viele Dinge gemacht. Die vielen Leute zu sehen, die alle unbedingt wollen und von ganzem Herzen dabei sind - das ist schon eine ganz besondere Herausforderung für mich.

Zuletzt wurde auf der Freilichtbühne in Hallenberg unter anderem „Die Drei von der Tankstelle“ gezeigt. Hier ein Ausschnitt von den Proben.
Zuletzt wurde auf der Freilichtbühne in Hallenberg unter anderem „Die Drei von der Tankstelle“ gezeigt. Hier ein Ausschnitt von den Proben. © WP

Werden Sie in Hallenberg Quartier beziehen oder werden Sie pendeln oder wie wird Ihre Arbeit sich vor Ort gestalten?

Ich werde vermutlich für einen festen Zeitraum irgendwo im Raum Hallenberg Anker werfen und werde dann pendeln. Ich habe im Raum Leipzig, als ich dort stellvertretender Intendant war, vor einigen Jahren einen alten Bauernhof gekauft. Ich habe da Familie und ein schulpflichtiges Kind. Aber ich kann auch hier nicht den ganzen Tag in Hallenberg nur spazieren gehend darauf warten, dass wir abends proben. Das bin ich nicht gewohnt; ich muss mal sehen, wie das Ganze sich irgendwie einspielt.

Sind Sie ein strenger Regisseur?

Streng würde ich nicht sagen. Aber wenn ich etwas anfange, weiß ich auch, wo ich landen möchte. Und dann versuche ich das auch mit allen Mitwirkenden umzusetzen. Wenn ich arbeite, dann arbeite ich. Ich will hier einen Abend gestalten der witzig, bunt und cool ist und der den Leuten Spaß macht.