Brilon/Winterberg. Corona macht Gastronomen in Brilon und Winterberg nach dem Lockdown das Leben schwer. Wo es hakt und wieso es Ärger wegen Gästen gibt.

Stress-Alarm im Hotel zur Post in Brilon. „Wir laufen wirklich auf der letzten Rille“, sagt Inhaber Volker Gierse. Die Corona-Krise bringt den Gastwirt weiterhin in Bedrängnis. Trotz Wiedereröffnung nach dem vergangenen Lockdown stehen er und viele andere Kollegen aus seiner Branche vor einem neuen Problem: Sie finden keine Mitarbeiter mehr, um die aktuell hohe Zahl an Gästen zu bedienen. Dabei hatte sich das schon während des zweiten Lockdowns abgezeichnet.

Mehrere Servicekräfte kündigten ihren Job, weil sie mit dem Kurzarbeitergeld nicht auskamen. Fachkräfte, die für Gierse verloren scheinen: „Einige haben eine Festanstellung in der Industrie bekommen. Denen ist die aktuelle Situation einfach zu riskant. Die haben Angst vor einem weiteren Lockdown. Das ist natürlich verständlich“, sagt der Briloner Gastronom. Dabei gibt es für Gierse eigentlich viel Anlass zur Freude. Die Gäste kommen in Scharen. Die Lust, nach Ausgangssperre und Corona-Beschränkungen wieder ein gutes Essen zu genießen ist aktuell groß.

„Das ist eine Katastrophe“

Für die Gastwirte ist das erst mal eine gute Nachricht. „Jeden Euro können wir nach der Durststrecke gut gebrauchen“, sagt Volker Gierse. Daher war auch angedacht, das Restaurant zusätzlich am Sonntag zu öffnen - bisher immer ein Ruhetag. Viele Gäste hätten angefragt, ob sie für Sonntag reservieren können. Doch ihm fehlen schlichtweg die Mitarbeiter. „Meinen wenigen Angestellten könnte ich diese Zusatzbelastung nicht aufbürden. Es ist eine Katastrophe“, sagt er.

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Verzweifelt berichtet er, dass sich auch die Suche nach neuen Arbeitskräften als äußerst schwierig erweise. Dabei versuche er alles. Doch weder die Meldung bei der Arbeitsagentur noch über andere Kanäle wie dem Internet-Netzwerk Facebook fruchten.

„Wir rechnen nicht damit, dass viele wiederkommen werden“

Grundsätzlich sei bereits seit einigen Jahren eine Tendenz erkennbar, die einen Weggang von Fachpersonal aus den dienstleistungsorientierten Berufen erkennen lässt, sagt Nina Appel von der Agentur für Arbeit. Gründe hierfür seien unter anderem die ungünstige Arbeitszeit und ein geringer Verdienst. Der Personalbedarf sei durch den Lockdown lange Zeit hinweg stark zurück gegangen oder war schlichtweg nicht mehr planbar. Das habe insbesondere zahlreiche Hilfskräfte in andere Branchen gezogen. Im Hochsauerlandkreis habe es im Bereich der geringfügig Beschäftigten bereits im vergangenen Jahr einen starken Einbruch gegeben. Insgesamt verzeichnet die Agentur im Gastgewerbe einen Rückgang von 1.012 Beschäftigen. Ein Minus von 22,3 Prozent zum Vorjahr.Der NRW-Landesgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), Kurt Wehner, hat keine validen Zahlen parat. Er vermutet aber, dass besonders ländliche Gegenden, die bereits vor Corona am Fachkräftemangel litten, besonders stark vom Fachkräftemangel betroffen seien. Die Pressesprecherin der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Karin Vladimirov, analysiert, dass es einen Fachkräftemangel aufgrund der Arbeitsbedingungen im Gewerbe gebe. Gute Servicekräfte seien in anderen Branchen gefragt, da sie belastbar seien. Dort würden sie besser bezahlt und hätten geregelte Arbeitszeiten. „Wir rechnen nicht damit, dass viele wiederkommen werden.“

Problematisch stellt sich aktuell auch die Situation für Andreas Piorek da. Der 59-Jährige betreibt seit 20 Jahren den Jägerhof in Brilon. Drei Mitarbeiter hätten ihm coronabedingt gekündigt. Piorek zeigt dafür Verständnis: „Wenn ich in der Industrie arbeite oder Regale einräume, verdiene ich nicht unbedingt mehr, aber ich habe zum Beispiel am Wochenende frei“, sagt er.

Manche Gäste benehmen sich unverschämt

Dabei könne er mehr Servicekräfte gut gebrauchen. Normalerweise hat der Jägerhof im Sommer durchgehend auf. Doch momentan bleibt die Gaststätte wie im Winter am Dienstag geschlossen. „Ich muss die Servicekräfte, die ich noch habe, entlasten“, sagt er. Auch wenn er dabei finanzielle Einbußen habe. Piorek rechnet mit circa 10.000 Euro Umsatz im Monat, auf den er verzichten muss.

Der 45-jährige Steve Brack hat aktuell keine Abgänge zu verzeichnen. Lediglich im November muss der Inhaber vom Nudelhaus in Winterberg einen Mitarbeiter ersetzen. Viel Zeit noch, aber Brack hat große Schwierigkeiten, die Stelle zu besetzen. Er glaubt außerdem einen weiteren Punkt zu kennen, warum die Suche nach geeigneten Kandidaten so schwierig ist. „Manche Gäste benehmen sich einfach unverschämt gegenüber meinen Mitarbeitern. Jetzt nach Corona ist es noch schlimmer geworden“, sagt er.

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Am vergangenen Wochenende habe er noch zwei Urlauber rauswerfen müssen, da die sich geweigert hätten Masken zu tragen. Insgesamt seien einige Gäste nach Corona launischer. „Da kann ich es Angestellten der Gastronomie nicht übel nehmen, wenn sie sich was anderes suchen“, sagt Brack.