Medebach. Es herrschte Gänsehaut-Atmosphäre. Medebach lässt sich durch Corona nicht ausbremsen. Versprochen ist versprochen. Das gilt für das Gelobte Fest.
Gelobtes Fest in Medebach
Gebeutelt von Kriegswirren und der Pest haben die Medebacher und ihre Hillershäuser Nachbarn im Jahr 1636 ein Gelübde abgelegt: Jedes Jahr wollten sie eine feierliche Messe und eine Prozession abhalten, damit Gott sie vor weiterem Elend bewahren möge. Genau 385 Jahre später ist dieses Gelübde aktuell wie nie, denn wieder gibt es eine weltumfassende Pandemie. Und die Medebacher und Hillershäuser zeigen mit ihrem „Gelobten Fest“ auch in diesem Jahr eindrucksvoll, dass sie nach so langer Zeit zu ihrem Wort stehen.
Feierliche Ruhe über der Stadt
Schon am frühen Samstagmorgen liegt eine feierliche Ruhe über Medebach. An den Häusern und Straßenrändern nahe der Pfarrkirche wehen Fahnen. Wie im vergangenen Jahr können aufgrund der Corona-Schutzmaßnahmen nur die Vereinsabordnungen im Gotteshaus Platz nehmen, jede zweite Kirchenbank ist gesperrt. 400 Stühle sind deshalb auf dem Marktplatz auf Abstand gestellt, aufgrund der sengenden Hitze bleiben viele Plätze jedoch frei. Das Hochamt wird von einem Filmteam mit professioneller Kameratechnik übertragen und ist von überall gut zu sehen und zu verstehen. Zahlreiche junge Leute sind gekommen, auch viele Einwohner aus Nachbarorten – ein Zeichen, welchen Stellenwert das Gelobte Fest bis heute hat. Bürgermeister Thomas Grosche verliest traditionell das Gelübde von 1638 im Original-Wortlaut. Die Festpredigt hält Pastor Norbert Abeler und stellt angesichts der Corona-Pandemie die Frage: „Haben wir Strafe verdient?“ Er zieht einen Vergleich mit den Menschen vor 385 Jahren, die dachten, dass ihre Sünden die Kriegs- und Pestnöte heraufbeschworen hätten. Jetzt, am Anfang des 21. Jahrhunderts, seien die Menschen, die meinten, alles zu können, eines Besseren belehrt worden.
Keine Religion der Angst
Doch das Christentum sei keine Religion der Angst wie im Alten Testament, so Abeler. „Die Menschen sollten sich jedoch fragen, ob Gott noch einen Platz in Haus und Herzen bei ihnen hat.“ Die Fürbitten gelten den Betroffenen der Corona-Pandemie, zwei Sängerinnen und ein Solotrompeter begleiten die Orgel, denn die Gemeinde darf nicht selbst singen, der Musikzug in der Kirche nicht spielen. Dennoch gibt es Gänsehaut-Atmosphäre beim „Te Deum“ und „Großer Gott, wir loben Dich“ nach der traditionellen Prozession.
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Das Gelobte Fest in Medebach ist wie schon im vergangenen Jahr in einigen Punkten anders als gewohnt. Doch die Medebacher und Hillershäuser haben wieder einen sehr würdigen Rahmen gefunden, ihr Jahrhunderte altes Gelübde einzulösen. Die Verantwortlichen von 1636 wären sicher stolz auf ihre Nachfahren.
Und das ist der Hintergrund zum Fest
Medebach war im Dreißigjährigen Krieg durch seine Grenzlage hart umkämpft. Zwischen 1628 und 1640 wurde die Hansestadt mehrfach komplett abgebrannt und ausgeraubt. Die Medebacher und Hillershäuser flüchteten mehrmals wochenlang in umliegende Wälder. 322 Menschen starben durch die Folgen von Hunger, Feuer, Überfälle und Pest. Die Ursache für dieses Elend sahen sie darin, dass Gott sie für ihre Sünden bestrafen wolle. Deshalb verfasste der damalige Bürgermeister Hermann Schmidt gemeinsam mit Stadt- und Kirchenvertretern ein Gelübde.
Gelübde abgelegt
Sie versprachen, ab sofort am Samstag vor Johannes dem Täufer (24. Juni) einen Gottesdienst mit anschließender Prozession „mit gebührender Referenz und höchster Festivität“ zu feiern. Seitdem gehört das Gelobte Fest zu den höchsten Feiertagen in Medebach. Morgens findet ein feierliches Festhochamt statt, an dem wie an der folgenden Prozession die Fahnenabordnungen der Medebacher Vereine und auch die Nachbarn aus Hillershausen teilnehmen. Die Geschäfte bleiben geschlossen, zudem soll nach alter Tradition kein Bürger die Stadt an diesem Tag verlassen.