Brilon/Marsberg. Es wird weite Teile von Brilon und Marsberg abdecken: das Vogelschutzgebiet Diemel- und Hoppecketal. Im Verfahren ist Bewegung.
Für die Kreisverwaltung entspricht das Verfahren zur Ausweisung des Vogelschutzgebietes Diemel- und Hoppecketal „so, wie es bislang geführt wurde, nicht den gesetzlichen Anforderungen“. Dieses Resumee zieht der HSK in dem Entwurf seiner Stellungnahme im Rahmen der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange. Am Montag, 31. Mai, beginnt mit dem HSK-Naturschutzbeirat die Beratung der Stellungnahme. Für dessen Vorsitzenden, Johannes Schröder, Vorstandsmitglied des Vereins für Natur- und Vogelschutz im HSK (VNV), auf dessen Initiative hin das Verfahren in Gang kam, ist die Argumentation „nicht plausibel und nachvollziehbar“.
Trotz der Kritik an dem Verfahren lehnt die Kreisverwaltung das Vogelschutzgebiet nicht in Bausch und Bogen ab, schließlich biete die Landschaft mit ihren strukturierten Wald- und Offenlandflächen vielen seltenen und bedrohten Vogelarten Rückzugs-Lebensräume. Dem sei bereits mit zahlreichen Naturschutz- und FFH-Gebieten Rechnung getragen worden.
Unterschiedliche Interessenlagen berücksichtigen
Vor diesem Hintergrund erbittet sie von der Politik den Auftrag, parallel zu dem formalen Ablauf bereits mit der Herrin des Verfahrens, der Höheren Naturschutzbehörde, also der Bezirksregierung, Verhandlungen über ein Arrangement nach dem Muster der „Medebacher Vereinbarung“ einzuleiten. Deren Ziel ist, in dem dortigen Vogelschutzgebiet „die Erhaltung der biologischen Vielfalt zu fördern, wobei jedoch die wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und regionalen Anforderungen berücksichtigt werden sollen“. Der HSK: „Eine für alle Beteiligten akzeptable Umsetzung von Schutzzielen kann nur in enger und konsensorientierter Zusammenarbeit mit der örtlichen Bevölkerung unter Beachtung unterschiedlicher Interessen erfolgreich sein“.
Vorschlag der Ministerin: „Brilon-Marsberger-Vereinbarung“
Eine derartige „Brilon-Marsberger-Vereinbarung“ hatte auch NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser in der Videokonferenz am 17. Mai angeregt, die als Ersatz für die in Giershagen geplante, wegen des Corona-Lockdowns allerdings nicht mögliche Info-Veranstaltung zu dem geplanten Vogelschutzgebiet stattgefunden hat. Das Arrangement sollte „Eckpunkte von Selbstverpflichtungen des haupt- und ehrenamtlichen Naturschutzes, der Land- und Forstwirtschaft, der gewerblichen Wirtschaft und der Städte Brilon und Marsberg“ entwickelt werden, die dazu dienen sollen, „anstelle ordnungsrechtlicher Regelungen den Schutz und die mit dem Vogelschutz verträgliche Entwicklung des Gebietes zu gewährleisten“.
Diskussion in Gremien
Die Kreisverwaltung bezeichnet das Papier „als Grundlage für die Behandlung in den kommunalpolitischen Gremien“. Nach dem Naturschutzbeirat am Montag, 31. Mai, steht das Thema auch im HSK-Umweltausschuss am Mittwoch, 2. Juni, um 17 Uhr im Kreishaus in Meschede auf der Tagesordnung.Die maßgebliche finale Formulierung legt der Kreistag am 18. Juni fest.
Die Kritik an dem Ausweisungsverfahren richtet sich gegen das bisherige Procedere. So spricht die Kreisverwaltung dem VNV die Legitimation zur Ermittlung der Gebietskulisse ab. Der VNV hatte, wie berichtet, Ende 2019 ein rund 280 qkm großes Gebiet zur Ausweisung als Vogelschutzgebiet angemeldet. Auch wenn das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) die Fläche auf 120 qkm reduziert hat, ist die Kreisverwaltung der Ansicht, dass die Ermittlung der Gebiete gemäß EU-Vorgaben eine „hoheitliche Aufgabe (ist), die nicht von einer Privatperson - mag sie oder ihre Mitarbeiter, Mitglieder etc. noch so qualifiziert und integer sein - anstelle der Behörde übernommen werden darf“.
Kritik: „Beteiligungsfenster“ zu kurz
Eine derartige Vorgabe diene „letztlich dem Schutz vor einer Steuerung staatlicher Stellen und Entscheidungen durch Lobby-Gruppen“. In diesem konkreten Fall hält der Kreis es für „bedenklich“, dass die Bezirksregierung die Einleitung des Ausweisungs-Verfahrens „allein auf die ihr bis dato übermittelten, bloß aggregierten Daten des VNV stützt, ohne auch nur Kenntnis von den diesen zugrunde liegenden Rohdaten zu haben.“https://www.wp.de/staedte/altkreis-brilon/lanuv-nrw-braucht-vogelschutzgebiet-brilon-marsberg-nicht-id231526063.html
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Dieses „widerspricht dem Gebot staatlichen Handelns und stellt das gesamte Anhörungsverfahren in Frage“. Was Johannes Schröder gegenüber der WP mit der Frage kontert: „Warum hat dann die Bezirksregierung das Verfahren nach Aufforderung auf den Weg gebracht?“ In der Video-Konferenz habe sowohl die Ministerin wie auch der LANUV-Leiter die Datengrundlage „nicht angezweifelt“
Kritik übt die Kreisverwaltung an dem zu kurzen „Beteiligungsfenster“. Bekanntlich hatten die betroffenen Kommunen erst im vergangenen November von der geplante Ausweisung Kenntnis erhalten. Zwar sei das Anhörungsverfahren bis Ende Juni verlängert worden, doch auch dieser Zeitraum sei für eine sachliche Auseinandersetzung zu knapp bemessen. Detaildaten der Kartierung zum Beispiel seien „nur bedingt nachvollziehbar“.
HSK: Schutzgebiet behindert notwendigen Ausbau der Windkraft
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In seiner Stellungnahme schneidet der HSK auch wirtschaftliche Aspekte an. So würden z. B. planerisch längst festgelegte Reservegebiete für Rohstoffe - sprich: Steinbrüche - von dem Vogelschutzgebiet überlagert. Befürchtung: „Ein späterer Abbau erscheint daher so gut wie ausgeschlossen.“ Auch könnten die Auswirkungen des weiträumigen Vogelschutzgebietes auf die Planung der B7n bei Brilon und der Ortsumgehung von Alme „noch nicht abgeschätzt werden“.
Und schließlich, so der HSK, seien in einem Vogelschutzgebiet keine Windräder genehmigungsfähig. Dabei sei gerade der Raum Brilon-Marsberg wegen seiner Windhöffigkeit für diese Form der Energieerzeugung geeignet, ohne deren Ausbau die Bundesrepublik ihre Klimaziele nicht werde erreichen können. Der HSK: „Das geplante Vogelschutzgebiet steht diesem notwendigen Ausbau entgegen.“ Zwar kritisiert der VNV die seiner Ansicht nach zu weitgehende Reduzierung der VSG--Fläche durch das LANUV, allerdings hofft Johannes Schröder, dass es in der Region „zu einem Dialog kommt“. Aber der HSK scheine mit seinem Entwurf „Hürden aufbauen zu wollen“.